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HASSFURT
Haus komplett ausgeschlachtet
Von unserem Mitarbeiter Manfred Wagner
 |  aktualisiert: 11.11.2015 11:39 Uhr

So stellt man sich die unmittelbare Nachkriegszeit vor: Alles, was in dem Wohnhaus etwas wert und nicht niet- und nagelfest war, hat man ab- und ausgebaut. Kupferdachrinnen, Wendeltreppe, Einbauküche, Duschkabine, Satelliten-Empfangsgerät, Deckenleuchten, die gesamte Heizungsanlage inklusive Solarkollektoren und Heizungskessel, sogar Steckdosen – alles abmontiert und mitgenommen. Das Amtsgericht sah es aufgrund einer Zeugenaussage als erwiesen an, dass die ehemalige 49-jährige Eigentümerin des Hauses dahintersteckt. Sie wurde daher wegen Unterschlagung zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Natürlich hatte die Aktion eine Vorgeschichte. Da die Angeklagte und ihr damaliger Ehemann hoffnungslos überschuldet waren, kam das Anwesen im September 2010 unter den Hammer. Bei der Zwangsversteigerung bot ein Rechtsanwalt für die in einem Dorf am Rande der Haßberge liegende Immobilie 70 000 Euro und erhielt den Zuschlag. Der neue Eigentümer kannte seit Jahren die bisherigen Besitzer. Er duldete, dass diese weiterhin, quasi als Mieter, wohnen bleiben durften. Angedacht war sogar, dass die alten Eigentümer das Objekt zurückkaufen, sobald sie wieder flüssig wären.

Trennung

Kurze Zeit später änderte sich die Situation grundlegend, weil es zur Trennung der Eheleute kam. Im Mai 2011 zog der Ehemann weit weg in eine Stadt in Hessen, in dem Häuschen verblieb die Ehefrau mit ihrer Tochter. Der neue Hauseigentümer, also der Jurist, sagte im Zeugenstand aus, dass nie eine Miete oder wenigstens Nebenkosten bezahlt worden wären. Also strengte er eine Räumungsklage an. Ergebnis: Mutter und Tochter zogen kurz vor Sylvester 2011 aus.

Zu diesem Zeitpunkt muss die Demontage bereits ganz oder doch größtenteils abgeschlossen gewesen sein. Als der Jurist nämlich am 23. Januar 2012 erstmals sein Haus betrat, sah er die ganze Bescherung. Angesichts des „schändlichen Verhaltens war ich restlos bedient“, bekannte er. Laut Gutachter liegt der angerichtete Schaden bei 40 000 Euro. Später hat jemand sogar den Wasserhahn aufgedreht und eine Überschwemmung verursacht – „wohl ein Racheakt“, vermutete der Geschädigte.

Ein als Zeuge geladener Nachbar sagte aus, dass er gesehen habe, wie zwei Arbeiter die Solarkollektoren abbauten und in einen weißen Kleintransporter verluden, der im Hof stand. Er schilderte weiter, dass die Ex-Eigentümerin gleichzeitig mit ihrem Golf anwesend war. Diese Feststellung brach der Beschuldigten – beweisrechtlich gesehen – das Genick, denn: Ganz offensichtlich hatte die Dame die „Ausschlachtung“ des Hauses veranlasst oder zumindest geduldet.

Kein Freispruch

Verteidiger Wolfgang Heinrich plädierte mit dem Hinweis, dass seiner Mandantin die Tat letztlich nur unterstellt werde, auf Freispruch. Dagegen verwies die Staatsanwältin Nora Reim auf vier Vorstrafen der sechsfachen Mutter und forderte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Richter Roland Wiltschka hielt zehn Monate für tat- und schuldangemessen. Nur die Verurteilte, führte er in seiner Begründung aus, habe erstens Zugang und zweitens ein Interesse an der Aktion gehabt.

 
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