Sommerliche Randnotizen (Teil 1): Waren Sie schon mal auf Rügen? Ich schon. Diesen Sommer. Die Insel würde woanders als eigenes Land durchgehen: 52 Kilometer lang, 41 Kilometer breit, fast 1000 Quadratkilometer.
Wahre Größe zeigt Rügen aber bei den Strandkörben: Die stehen mit Einbruch der Dunkelheit stramm und sind weitestgehend regenfest.
Hier und da schimmert auf der größten deutschen Insel noch DDR-Charme durch: Etwa bei dem Mann, der behauptet, seit 21 Jahren als Bedienung zu arbeiten. Um dann eine viertel Stunde zu brauchen, um einen Pappbecher mit Kaffee zu füllen.
Ganz ohne Hilfe kam dagegen jene Fachkraft aus, die – bestimmt seit weit über 21 Jahren – abends am Strand die ehrenvolle Aufgabe hat, alle Strandkörbe strammstehen zu lassen und exakt nach Süd-Südwest auszurichten. Ich weiß jetzt, was Millimeterarbeit ist.
Rügen hat neben seiner Größe und seinen Fachkräften auch die lautesten Möwen in der Eurozone zu bieten. Es muss sich um eine Mutation handeln. Selbst in der Nacht hört das Gezeter nicht auf. Was einem die Möglichkeit eröffnet, beim stundenlangen Wachliegen zwischen Mitternacht und 1.56 Uhr alle denkbaren Tötungsarten durchzuspielen und sich zwischen 1.57 und 4.45 Uhr Gedanken zu machen, wie ein Vernichtungsfeldzug möglichst wirkungsvoll gelingen könnte.
Düstere Gedanken kamen einem auch beim Wetter: Das hätte man nehmen und an die Wand klatschen können. Dorthin, wo schon die anderen Unannehmlichkeiten dieses Sommers klebten: Ein unerquickliches Länderspiel gegen Italien. Die penetrante Eurokrise. Wiederholungsorgien im Fernsehen, die den Straftatbestand der Nötigung erfüllten.
Das muss man sich mal vorstellen: Über sechs Millionen Menschen versammeln sich am Sonntagabend vor dem Fernseher, um einen alten Tatort anzuschauen, den sie erst vor zwei Jahren schon einmal gesehen haben. Da weiß man schon am Anfang, wer der Mörder ist. Und wer nicht. Warum aber um Himmelswillen gucken das die Leute? Ist es pure Verzweiflung? Gar die gewisse Lust am Sich-selber-Quälen? Schnöde Vergesslichkeit? Dabei müsste man die Wiederholungen boykottieren.
Die Quote in den nicht messbaren Bereich drücken – das wäre angemessen. Die Wahrheit ist: Das Erste könnte am Sonntagabend stundenlang sogar nervtötendes Möwengeschrei aus Rügen übertragen, ohne dass die Quote einbrechen würde.