Es ist schon fast kurios, dass es das in Zeiten von Internet und sozialen Netzwerken, von Shitstorms und Hasskommentaren im World-wide-Web, überhaupt noch gibt: Ein Haßfurter Bürger macht sich die Mühe, seinen Mitmenschen seine Verschwörungstheorien analog mitzuteilen, sprich mit seitenlangen Pamphleten, die er in Briefkästen der erweiterten Nachbarschaft einwirft.
Wohl immer derselbe Verfasser
Eine Bürgerin aus der Kreisstadt hat sich am Dienstag bei der Redaktion gemeldet und beklagt, dass sie immer wieder ungewollt Empfängerin dieser Botschaften aus wohl stets derselben Feder ist. Letzteres sei nicht nur aus Inhalt und Stil der Ergüsse zu schließen, sondern vor allem daraus, dass der Autor öfters seinen Namen und gelegentlich sogar seine Adresse angibt. Die Frau geht davon aus, dass viele weitere Bürger quasi wie bei einer Werbewurfsendung die gleiche Post erhalten – wie viele Adressaten sich der Verfasser wirklich auserwählt hat, lässt sich aber nicht abschätzen.
Wettern gegen „Orwelljustiz“
Doch die Haßfurterin will sich die unerwünschte Post nicht länger gefallen lassen, denn was ihr da mitgeteilt werde, sei zum einen „vollkommen daneben“ und gebe zum anderen Anlass, sich darüber Sorgen zu machen, was sich da in unserer Gesellschaft zusammenbraue. Und ob gegen diese Art von Meinungsäußerung und die Haltung dahinter nicht dringender Handlungsbedarf bestehe. So erklärt der Schreiberling seiner Leserin wider Willen im jüngsten Pamphlet gleich zu Beginn, Aufgabe der deutschen „Orwelljustiz“ sei es, die Herrenrasse vor Strafverfolgung und Entschädigung zu schützen und es eben dieser Herrenrasse unter dem Deckmantel von Gesetzen zu ermöglichen, das Volk auszuplündern oder auch der Herrscherclique beim Umbau einer Scheindemokratie in eine totalitäre Diktatur zur Hand zu gehen. „Da brauchst Du gar nicht weiterzulesen“, meinte die Betroffene, die der Redaktion die fragwürdige Post vorlegte – die sie zuvor mit steigendem Entsetzen dennoch in Gänze zumindest überflogen hatte.
Kriminalpolizei prüft das Schreiben
Bei der Haßfurter Polizei, der die Zeugin vor dem Gang zur Zeitung einen Besuch abgestattet hatte, hieß es auf Anfrage der Redaktion zunächst halb im Scherz, das einzige probate Mittel gegen unerwünschte Schreiben sei es, den Briefkasten zuzukleben. Allerdings nehmen die Beamten den Vorgang durchaus ernst und haben es an die Fachdienststelle der Kriminalpolizei in Schweinfurt weitergereicht, die es auf strafrechtliche Relevanz prüft. Sollten die Experten zur Überzeugung gelangen, dass hier Grenzen überschritten sind, leiten sie den Fall an die Staatsanwaltschaft weiter.
Es gibt viele Möglichkeiten, sich falsch zu verhalten...
Kurt Etzel, stellvertretender Leiter der Inspektion, weiß aber, dass es schwer ist, gegen Verschwörungstheorien vorzugehen, und seien sie noch so wüst. „Solange keine konkrete Person beleidigt wird, ist da in der Regel wenig zu machen“, erklärte er. Es gebe eben auch „unterhalb der Schwelle zur Straftat viele Möglichkeiten, sich falsch zu verhalten.“ Einen Ansatz sieht der Polizist grundsätzlich aber schon: Gerade wenn der Absender bekannt und die Urheberschaft wirklich gesichert ist, kann man ihn auffordern, seine Hassbotschaften einzustellen und zum Beispiel das Grundstück nicht mehr zu betreten, auf dem sich der Briefkasten befindet. (mcs)