In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen und was sie tun würden, wenn sie nicht arbeiten müssten. Heute berichtet der 32-jährige Robert Glück.
Mein Job
Ich arbeite als Sozialpädagoge für eine ambulante Familienhilfe. Konkret besuche ich Familien und kümmere mich um sie. Dabei gibt es viel zu tun: Ich helfe zum Beispiel bei Behördengängen und unterstütze bei der Erziehung. Sich verantwortungsvoll für ein Kind zu sorgen, stellt leider für manche Eltern keine Selbstverständlichkeit dar. Teilweise geht es darum, einfachste Dinge zu erklären. Wenn ein Kind ein Bad nimmt, muss ich schon mal die richtige Wassertemperatur einstellen. Dass Geschirr nicht einfach herumliegen sollte, ist auch nicht allen Eltern klar.
Meine Hauptaufgabe besteht darin, den Kindern klare Regeln vorzugeben. Einige Eltern sind geistig nicht besonders leistungsfähig, vereinzelt haben sie gar kein Interesse an ihren Kindern. Es muss allerdings schon viel passieren, damit den Eltern das Kind entzogen wird.
In den meisten Fällen gehe ich mit den Eltern einkaufen, begleite sie bei Arztbesuchen, suche nach einem Kitaplatz oder gehe mit den Kindern auf den Spielplatz. Das Jugendamt beauftragt meinen Arbeitgeber und bezahlt alles. Zusätzliche Freizeitaktivitäten sind allerdings nicht durch meinen Arbeitgeber gedeckt, bei Besuchen – wie etwa in den Tiergarten – sind wir auf Spenden angewiesen.
Ein Großteil des sozialen Lebens findet innerhalb der Familie statt, Problemfamilien haben leider oft keinen oder nur einen sehr begrenzten Freundeskreis. Gerade wenn sich Eltern sehr viel mit mir unterhalten, habe ich das Gefühl, dass sie kaum jemanden zum Reden haben. Darüber hinaus können sie sich oftmals nicht viel leisten. Kino-Besuche, Vereinsmitgliedschaften oder mal Essen gehen sind für solche Familien kaum möglich.
Dass ich nicht immer allen helfen kann, ist das große Dilemma meines Berufs. Ich musste in der Anfangszeit erst einmal akzeptieren, nicht jeden Fall sofort lösen zu können. Manchmal habe ich ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn ich nach Hause komme. Es stellt eine immense mentale Belastung dar, mit den Problemen der Menschen konfrontiert zu werden. In diesem Beruf ist es daher unheimlich wichtig, Distanz zu den Betroffenen zu wahren. Ich muss ein gewisses Maß an Eigeninitiative von den Betroffenen einfordern – Hilfe zur Selbsthilfe.
Trotz aller Schwierigkeiten hatte ich nie das Bedürfnis, hinschmeißen zu wollen. Dieser Job ist anstrengend, aber unheimlich sinnstiftend. Ich kann von mir behaupten, dass ich den Leuten so gut wie möglich helfe. Die Kinder sind sehr unbefangen, die Arbeit mit ihnen macht mir viel Spaß. Ich hoffe, dass ich ihnen etwas mitgeben kann und freue mich über jedes Dankeschön. Als besondere Wertschätzung empfinde ich es, wenn mich Familien zum Essen einladen.
Gerade Behördengänge nehmen viel Zeit in Anspruch. Egal ob Jobcenter, Familienkasse (Kindergeld), ZBFS (Elterngeld) oder Jugendamt – die vielen Regeln, Auflagen und Formulare machen den Familien das Leben schwer. Ich habe das Gefühl, dass ich als Sozialpädagoge von Behörden besser behandelt werde als meine Klienten.
Den Überblick zu behalten, ist wirklich schwierig. Folgendes Problem tritt sehr oft auf: Ich lese einen Behördenbescheid und merke, dass er fehlerhaft ist. Es dauert unter Umständen sehr lange, bis ich einen Sachbearbeiter ans Telefon bekomme, der sich wirklich auskennt.
Bis der verbesserte Bescheid bei der Familie ankommt, dauert es in manchen Fällen ewig. In dieser Zeit kann sich viel ändern, nicht selten weist der neue Bescheid neue Fehler auf.
Zu meinen Klienten gehören auch viele Hartz4-Empfänger. Dass diese oftmals einen schlechten Ruf haben, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Die meisten wollen arbeiten, können oder dürfen es allerdings nicht. Grundsätzlich habe ich jedoch auch Verständnis dafür, dass manche nicht arbeiten wollen. Manche Jobangebote sind absolut erniedrigend, die Löhne oft niedrig.
Viele schimpfen über Hartz4-Empfänger, über Millionäre wird meiner Meinung nach viel zu wenig geredet. Hartz4 bedeutet Unfreiheit und soziale Ausgrenzung. Das sind keine freien Menschen. Sie müssen ihre Finanzen offenlegen, Bewerbungen schreiben, regelmäßig beim Jobcenter erscheinen sowie unter Umständen Weiterbildungen absolvieren. Wenn sie nicht kooperieren, kann ihre Sozialleistung gekürzt oder komplett gestrichen werden.
Berufsentscheidung: Zunächst habe ich eine Ausbildung als Hotelkaufmann absolviert und daraufhin in der Systemgastronomie gearbeitet. Die Arbeit hat mir überhaupt keinen Spaß gemacht, zudem war die Bezahlung schlecht. Ich wollte einen besseren Lohn und einen sinnvolleren Beruf ausüben, bei dem ich Menschen helfen kann.
Studium: Ich habe sieben Semester lang Pädagogik und Soziologie (Bachelor) an einer Universität studiert. Das Studium war gut machbar, aber sehr theoretisch. Mehr Praxis wäre wünschenswert gewesen. Viele meiner Freunde haben lange nach einer passenden Stelle gesucht, letztendlich findet aber jeder irgendwann einen Job. Ich habe 25 Bewerbungen geschrieben und vier Zusagen erhalten.
Tipps: Pflichtpraktika reichen nicht aus, während des Studiums sollten Studenten zusätzliche Erfahrungen sammeln. Wer sich an Behördengängen und viel Schriftverkehr stört, ist hier falsch. Zudem muss man sich klar sein, dass man mit geistig schwachen Menschen zu tun hat und das sehr anstrengend sein kann. Große Erfolgsmomente kommen eher selten vor, der Alltag besteht aus vielen kleinen Fortschritten. Heute kann es gut laufen, morgen kann es ganz anders sein. Wer viele direkte Erfolgserlebnisse braucht, sollte lieber einen anderen Beruf ergreifen. Außerdem sollten junge Menschen bereits vor dem Studium darüber nachdenken, in welche Richtung sie gehen wollen. Manchmal ist es besser, soziale Arbeit statt Pädagogik zu studieren.
Wöchentliche Arbeitszeit: Ich arbeite 40 Stunden in der Woche in Vertrauensarbeitszeit. Davon verbringe ich 24,5 Stunden direkt mit den Familien, der Rest ist für Fahrzeiten und Bürokratie vorgesehen. Ab und zu leiste ich Überstunden, daher mache ich manchmal freitags früher Schluss.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Idee, dass jeder Mensch einen gewissen Betrag ohne Voraussetzungen erhält, finde ich super. Es sollte ein Recht geben, nicht arbeiten zu müssen. Die Menschen hätten dadurch weniger finanzielle Sorgen und die Chance, jederzeit in ihrem Leben etwas zu verändern. Ich kenne viele Menschen, die unzufrieden sind, aber aufgrund finanzieller Verpflichtungen kein Risiko eingehen wollen und können.
Ich persönlich würde vielleicht nur noch 30 Stunden arbeiten und öfter in den Urlaub fliegen. Manchmal träume ich davon, eine eigene Kneipe aufzumachen oder eine Tiertafel zu gründen. Wenn ich nicht mehr arbeiten müsste, würde ich mir auch einen zweiten Hund zulegen.
Neben einem Grundeinkommen wäre aber auch ein besseres Bildungssystem nötig, das mehr Chancengleichheit gewährleistet. Kinder aus armen Familien bleiben leider oft arm.
Meine Einnahmen
Bruttoeinkommen: Ich verdiene 3560 Euro im Monat. Viele meiner Studienfreunde verdienen weniger. Zusätzlich erhalte ich ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatsgehalts.
Nettoeinkommen: Ohne Weihnachtsgeld komme ich netto auf etwa 2210 Euro im Monat.
Meine Ausgaben
Wohnkosten: Ich teile mir die Miete mit meiner Freundin, bei insgesamt 80 Quadratmetern zahle ich 400 Euro warm.
Lebensmittel: Für Lebensmittel kommen etwa 150 Euro monatlich zusammen.
Handy und Internet: Auf meinen Handyvertrag entfallen circa 30 Euro im Monat.
Mobilität: Meine Sprit-Kosten belaufen sich auf 30 Euro im Monat, das Auto gehört allerdings meiner Freundin. Bisher habe ich nichts dazugezahlt.
Versicherungen: Ich besitze eine Haftpflichtversicherung, die mich fünf Euro im Monat kostet. Für meine Auslandsversicherung fallen 20 Euro im Jahr an. Hinzu kommt die Tierhaftpflicht- und Krankenversicherung für meinen Hund, für die ich 20 Euro monatlich zahle.
Kleidung und Körperpflege: Dafür gebe ich etwa 50 Euro im Monat aus.
Freizeit: Ich gehe für etwa 80 Euro im Monat essen. Da ich regelmäßig Fußballspiele besuche, fallen hierfür 300 Euro mit Verpflegung an. Für circa 120 Euro gehe ich abends mal was trinken oder ins Kino. Etwa 700 Euro fallen für den Urlaub an.
So viel bleibt am Ende übrig: Am Ende des Monats bleiben mir 965 Euro.
„Was würdest Du tun?“
In unserer kleinen Serie befragt Felix Schwarz Menschen aus der Region, für welches Geld und unter welchen Umständen sie arbeiten und was sie tun würden, wenn sie nicht auf diese Art des Broterwerbs angewiesen wären.
Die Befragten bleiben auf Wunsch anonym, der Redaktion liegen aber die Namen und Adressen vor. In Teil eins der Serie kam eine Augenoptikerin zu Wort, in Teil zwei hat sich unser Reporter mit einer Ergotherapeutin unterhalten. Dieser folgten die Leiterin eines Kindergartens und ein Zerspanungsmechaniker, ein Polizist, ein Verwaltungsbeamter und ein Mechatroniker. Im achten Teil hat sich Felix Schwarz mit einem Sozialpädagogen getroffen.