Österreich gegen Deutschland zwei zu eins. Was sich hier beinahe nach einem sportlichen Nachbarschaftsdrama anhört, muss wohl nüchtern besehen eher in den Bereich bedeutungslos eingereiht werden. Deutschland mitten in der Vorbereitung zur Mission Titelverteidigung in Russland, Österreich nicht qualifiziert und gegen die „Piefkes“ stets hochmotiviert. Während es für die Kickers aus der Alpenrepublik ausgerechnet gegen die übermächtig erscheinenden und noch dazu als amtierender Weltmeister angereisten Deutschen ums Prestige geht, wollte Bundestrainer Jogi Löw dieses Testspielchen dazu nutzen, letzte Erkenntnisse vor der Nominierung seines endgültigen WM-Kaders am Montagmittag zu gewinnen. Wenn der halbe Stamm fehlt und sechs Spieler ausgewechselt werden, kann man rein resultativ eben nicht das Optimale erwarten.
Im Mittelpunkt des Interesses stand vielmehr das Comeback von Welttorhüter Manuel Neuer, der mehrere Monate lang kein Tor mehr gehütet hatte. Nur wenn er fit ist, sagte Jogi Löw, darf Neuer mit zur WM – und zwar nur als Stammtorwart, nicht als Nummer drei oder Pausenclown. Um es vorwegzunehmen: Dem zurückgekehrten Kapitän war seine lange Abwesenheit nicht anzumerken, es war, als wäre er nie weggewesen. Neuer war da, wenn er gebraucht wurde, und hielt – von ein, zwei Wacklern abgesehen – in einigen Situationen sehr stark und erinnerte bereits an seine besten Zeiten. Die Gegentore konnte er nicht verhindern. Die übrigen Probanden erfüllten wohl nicht alle und nicht ganz die Erwartungen des Bundestrainers. Denn der präsentierte sich im anschließenden ZDF-Interview mit Katrin Müller-Hohenstein ziemlich angefressen.
Apropos Interview: Wahrscheinlich war KMH, wie sie auch kurz genannt wird, wohl vom Sender gezwungen worden, diese Schwachsinnsfrage an Jogi Löw zu richten. Der ohnehin stinksaure Bundestrainer sollte Stellung nehmen zu einem im Umfeld der Übertragung gesammelten Umfrageergebnis des ZDF, wonach rund 560 Zuschauer lieber Marc-André ter Stegen vom FC Barcelona als Torwart Nummer eins bei der WM sehen wollten und nur ca. 440 Manuel Neuer.
Bemerkenswert, wie sich der ohnehin fuchtige Coach in der Gewalt hatte. Es gelang ihm gerade noch, die Bedeutung dieser in Mode gekommenen Einbeziehung des Zuschauers für seine Entscheidung durchblicken zu lassen. Seine Entscheidung – genau das ist sie nämlich. Er ist der Bundestrainer. Er trägt die Verantwortung. Er hat den Überblick, die Erfahrung und die nötigen Informationen.
Bei allem Hype um Facebook und Twitter und das Internet während einer Fußballübertragung im Allgemeinen: so weit kommt es noch, dass für die Besetzung der Fußball-Nationalmannschaft ein Volksentscheid per Social Network durchgeführt wird...