
Die neue Saison der Meisterkonzerte im Rügheimer Schüttbau wurde mit einem Violin-Sonatenabend mit Carolin Widmann und ihrem Klavierbegleiter Simon Lepper eröffnet. Damit wurde ein neues Kapitel dieser Konzertreihe aufgeschlagen, die seit dieser Spielzeit vom künstlerischen Leiter Friedemann Wezel verantwortet wird.
Kammermusik in ihrer gesamten Bandbreite in dem besonderen Konzertsaal zur Aufführung zu bringen, das ist Wezels Anliegen. Ihm hat Widman sofort zugesagt und so das Eröffnungskonzert ermöglicht. Mit ihrem besonderen Programm forderte die Geigerin von Weltrang die Besucher in Rügheim und riss sie gleichermaßen zu Begeisterungsstürmen hin. Nach mehr als zwei Stunden Musik von Bach bis Poulenc und von Debussy bis Schumann hatte sie einen Kosmos von Violinliteratur aufgerollt und damit eine ganz persönliche Geschichte komponiert.
Zeitliche Distanz kein Hindernis
Vor dem anspruchsvollen Konzert hatte sich Widmann die Zeit genommen und mit Christian Meyer über die Programmidee geplaudert. Die große zeitliche Distanz der vorgestellten Werke stellen für Widmann kein Hindernis dar, sie in einem Programm aufzuführen. Vielmehr sei es eine emotionale Verbindung zu den Kompositionen, die dann in der Gegenüberstellung assoziative Linien entstehen lassen und zu einem Ganzen führen. Da war zunächst Francis Poulencs Violinsonate op. 119, ein doppeltes Widmungswerk an den spanischen Dichter Federico Garcia Lorca und die Geigerin Ginette Neveu. In aufgewühlter Grundstimmung stürzte sich Widmann in den Kopfsatz, um sich im Verlauf in fließendem Dialog mit dem Klavierpart in gefälliger Verbundenheit aufzulösen und das presto tragico des dritten Satzes seufzend stehen zu lassen.
Simon Lepper ging diesen großen Bogen kongenial mit. In unsagbarer und berückender Klarheit setzte Widmann Bachs Solo-Partita d-Moll BWV 1004 daneben, fast möchte man sagen, sie setzte das Begonnene fort. Die Einzeltöne verschmolzen zu Harmonien, die Oberfläche des leicht nasalen Klangs der Violine wurde greifbar. Nach einem kurzen Innehalten deutete Widman die Chaconne als eine Art Summe aller Erfahrungen aus den vorausgegangenen Sätzen. Verspielt und schwungvoll, gesetzt und behutsam, leicht und gewichtig.
Wie einen wogenden Teppich schließlich breiteten Widmann und Lepper Debussys Sonate für Violine und Klavier in g-Moll in einem überaus ausgewogenen Zusammenklang aus; bald verträumt, bald flirrend, bald erdig. Eine freie Grundstimmung überwog.
Instrument aus dem Jahr 1782
Widmann erzählte mit glänzenden Augen über das Instrument, mit dem sie eine besondere Beziehung verbindet. Wie eine Gefährtin sei ihr diese G.B. Guadagnini-Violine aus dem Jahr 1782 ans Herz gewachsen, die sie seit nunmehr zehn Jahren spielt. Wie sehr Interpretin und Instrument zu einer Einheit verschmelzen, demonstrierte Widmann an diesem Abend. Aufgehoben wurde dabei die Vorstellung, das Instrument sei ein Gegenstand, der zum Hervorbringen von Tönen benutzt werde. Vielmehr waren der leicht geführte Bogen, die Saiten und der schimmernde Korpus der Violine sichtbares Zeichen der erklingenden Musik. Mit energischen Akkorden begann Widmann Robert Schumanns 2. Violinsonate d-Moll op. 121.Weit ausholend steigerten sich die beiden Kammermusikpartner wie in einen Rausch, brausten auf und fanden doch immer wieder zu einer verbindenden Gemeinsamkeit, wenn sie im dritten Satz eine anmutige Schlichtheit demonstrierten. Gerade ob der so unterschiedlichen Farben und Gesten der vier gespielten Werke geriet der Abend ungemein kurzweilig und fand mit Edward Elgars Liebesgruß „Salut d?amour“ einen sehnsuchtsvollen und ein wenig auch augenzwinkernden Abschluss.