
Am Samstag wird nach einer 34-jährigen Laufzeit das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld abgeschaltet. Unzählige Proteste und Demonstrationen begleiteten dieses besonders im Großraum Schweinfurt umstrittene Projekt.
Am 17. Juli 1974 kam der damalige Bayerische Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen, Max Streibl, nach Ottendorf, um dort eine Kastanie als „Baum für das Jahr 2000“ zu pflanzen. Doch dort angekommen, stellten sich im Dorf etwa 20 Jusos dem Minister in den Weg. Die Öffentlichkeit hatte vier Wochen zuvor erfahren, dass für das seit 1969 im Gespräch befindliche Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld, die atomrechtliche Genehmigung erteilt worden war.
Für den Schweinfurter SPD-Nachwuchs war es eine gute Gelegenheit, in Ottendorf mit einer Anzahl von Transparenten gegen dieses Projekt zu demonstrieren. Unter dem Motto „Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv“ machten die jungen Leute ihrem Unmut über das geplante Atomkraftwerk Luft. Die Aktion verlief jedoch ausgesprochen friedlich. Äußerte doch Streibl nach der Begegnung, dass er die Sorgen und das Engagement der jungen Leute verstehe und respektiere. Im Gespräch versicherte Streibl, die bayerische Staatsregierung werde weiter alles tun, dass dieses Land, wenn es sich im Zuge der Weiterentwicklung verändere, nicht sein Gesicht verliere.
Streibl war auf Bitten des damaligen Landtagsabgeordneten Albert Meyer zur erwähnten Baumpflanzung gekommen. Damit wollte man – wie Bürgermeister Waldemar Eck in seiner Begrüßung anmerkte – bewusst an die Pflanzung einer Eiche durch den Prinzregenten Luitpold im Jahr 1903 anknüpfen.
Max Streibl war von dem schönen Platz an der historischen Türkenlinde angetan. Zeuge er doch von der Liebe zur Heimat und vom Verwurzeltsein im fränkischen und bayerischen Boden. Die ihm entgegengehaltenen Plakate würden ihm jedoch zeigen, wie gerade in dieser Zeit manche Gegensätze aufeinanderprallen und in welchem Zwiespalt sich unsere Zeit befinde. Die damaligen Wortführer der Demonstrantengruppe waren die zwei heutigen Schweinfurter SPD-Stadträte Rechtsanwalt Peter Hofmann und Prof. Dr. Herbert Wiener.
Bereits 1972 hatte der Schweinfurter Stadtrat das Projekt einstimmig abgelehnt. Auch weitere große Demonstrationen und Unterschriftensammlungen konnten das AKW nicht verhindern, das 1981 in Betrieb ging. Nachdem die Stadt Schweinfurt den Klageweg aufgegeben hatte, erlahmte der Widerstand immer mehr. Erst der Super-Gau von Tschernobyl 1986 schreckte viele Bürger in unserer Region wieder auf. Es bildete sich eine „Bürgerinitiative gegen Atomanlagen“.
Auch wenn demnächst kein Dampf mehr aus den Kühltürmen des AKW entweicht, wird das Thema auch weiterhin aktuell bleiben. Denn nun geht es um die Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente. Betreiber E.ON verspricht, das Gelände bis zum Jahr 2030 wieder in eine grüne Wiese zu verwandeln. Der Rückbau soll 1,2 Milliarden Euro kosten.