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Haßfurt
Glosse: Wie erkläre ich meinem Kind, was Krieg ist?
Wenn Kinder vom Krieg in der Ukraine mitbekommen, befinden sich viele Eltern und Großeltern in Erklärungsnöten. Wie weit darf man den Nachwuchs mit der Wahrheit belasten?
Eine Frau und ihr Kind schauen auf einen abfahrenden Zug, als sie am Bahnhof von Kiew in der Ukraine zu fliehen versuchen.
Foto: Emilio Morenatti, dpa | Eine Frau und ihr Kind schauen auf einen abfahrenden Zug, als sie am Bahnhof von Kiew in der Ukraine zu fliehen versuchen.
Wolfgang Sandler
 |  aktualisiert: 10.03.2022 02:22 Uhr

Rosl, Du siehst gar net gut aus."

"Ach, Lubber" - mein Lieblingsnachbar meint es oft nicht so, er ist halt sehr direkt -, "Dein Charme ist wieder umwerfend."

"Nää, ich meen net vo der Attraktivität, da kammer net klagn. Du wirkst mehr so bedrückt."

"Das ist doch aber auch kein Wunder angesichts der Entwicklung in der Welt. Ich hätte es nicht mehr für möglich gehalten, dass in unserer Zeit mitten in Europa ein Land ein anderes überfällt. Einfach so. Nur weil es einem offensichtlich Geisteskranken an der Spitze gefällt. Wenn ich in den Nachrichten höre: ,Putin möchte die ganze Ukraine.' Unvorstellbar. Es geht nicht in meinen Kopf. Da sind Städte wie München, Nürnberg, Bamberg - und auf einmal schlagen dort Bomben und Raketen ein, sterben unschuldige Menschen, nur weil sie ukrainische Staatsbürger sind. Ich kapiere es nicht. Und man kann nichts dagegen tun, weil es sonst noch viel schlimmer würde. Diese Hilflosigkeit macht alles noch unbegreiflicher."

"Genau so isses. Jetzt bist Du aber scho erwachsen..."

"...schon eine ganze Zeit..."

"...und kannst einigermaßn damit umgehn. Aber stell Dir amal vor, wie die Kinner allerweil leiden. Erscht die Pandemie. Zwää Jahr komplett abnormal, zwää Jahr, in denna die Klenn immer wieder ihre Kumpl ausn Kinnergardn net säh ham dürfn. Ihr Eltern ham vo derhämm ärbert müss, sie ham Oppa und Omma net besuch dürf. Des geht doch net spurlos an so an Kindla vorbei. Und kaum wern die Coronavorschriftn aweng gelockert, bricht in Europa der Krieg aus. Du kannst des ja net verheimlich. Fernsehn, Radio, Zeitunga sin voll davo. Und alle Leut redn drüber."

"Ich habe mir auch schon mal Gedanken gemacht, wie das für Kinder sein muss."

"Die Tag kummt die klee Marie, wääßt scho, unner Enkerla, mit nachdenklichm Gsichtla zu mir. Sie hat vorna auf der Zeitung a Bild gsänn vo an ausgebrennten Auto in der Ukraine. Und wollt wiss, was da passiert is."

"Und? Wie erklärst Du einem Kind, was Krieg ist?"

"Ich wääß es net. Eigentlich kannst des net erklär. Die Klenn kriegn ja mit, dass da was net stimmt. Ich denk halt dran, wie's mir ganga wär als Kind. Ich hätt auf gar kenn Fall abgspeist wer wolln, dass ich zu klee für sowas wär. Ich hab mer halt gedacht, ich dörf nix beschönigen. Ich muss erklärn, dass es böse Menschen ghit. In dem Fall den Putin. Wo sich an kee Regeln halten."

"Regeln wie im Kindergarten, wo man andere Kinder nicht verhauen oder ihnen nichts wegnehmen darf?"

"Zum Beispiel. Eigentlich kannst ihnen nix vormachen. Des eenzich, was Du machen kannst, ist ihna wengstens a Gfühl vo Sicherheit zu ghäm. Kee eigene Angst zeichn, die Eltern müssen ihr Fels in der Brandung sein."

"Und wenn sie fragen, ob der Krieg auch zu uns kommen kann?"

"Anlügen bringt nichts. Ruhig zugeben, dass des möglich ist. Aber gleichzeitig drauf hinweisn, dass es ganz ganz arch unwahrscheinlich is."

"Ach, Lubber, alles schön und gut. Aber was soll eine Mutter ihrem Kind erklären, wenn sie mit ihm im U-Bahntunnel von Kiew sitzt, während oben die Bomben fallen?"

 
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