"Das sind alles richtig gute Handwerker", erklärt Jochen Brüggemann, stv. Leiter der Berufsschule Haßfurt, zum diesjährigen Abschlussjahrgang der Schreiner. Schon zum zweiten Mal mündete die Bewertung der Gesellenstücke nicht in eine öffentliche Ausstellung an der Berufsschule. Vielmehr wurden die Kommoden, Schreibtische und Flurmöbel direkt nach Bekanntgabe wieder für den Abtransport verstaut. 15 Gesellenstücke wurden der Prüfungskommission am Samstag in der Aula der Fachakademie für Sozialpädagogik in Haßfurt vorgestellt.
Innere Werte der Werkstücke
Die Kommission, bestehend aus Handwerksmeistern der Schreiner-Innungen Schweinfurt und Haßberge - Friedel Mantel, Matthias Hauck, Horst Zitterbart und Stephan Klauer sowie Jochen Brüggemann - selbst gingen den vorgestellten Möbelstücken sprichwörtlich auf den Grund. Die Oberfläche ist zwar ein wesentliches Bewertungskriterium, ebenso aber auch die "inneren Werte", die Gängigkeit der beweglichen Teile, die Qualität der Verbindungen und nicht zuletzt die Maßgenauigkeit zwischen Musterzeichnung und fertigem Werkstück.
Rund 80 Stunden haben die Auszubildenden in ihrem letzten Lehrjahr in ihre Gesellenstücke investiert, vorher das passende Holz gesucht, über Lacke nachgedacht – und nicht zuletzt mit Schlossern Verbindung aufgenommen, denn viele der Stücke verbanden Holz und Metall. Auch Glas, Spiegel und LED-Effekte spielen heute eine Rolle bei einem handwerklich angefertigten Möbelstück.
Ein Hingucker - egal ob geöffnet oder geschlossen
Bei dem "Spirituosenschrank" von Silas Wahler beispielsweise, der mit diesem sehr dekorativen Stück den Preis "Die gute Form" unter der Gesellenstücken erwarb. Der junge Mann aus Dampfach absolvierte seine Ausbildung bei der Kröner Objekt GmbH. Aus Rüster-Furnier (Ulme) gestaltete er eine Einlegearbeit, die den Schrank in geschlossener Form zu einem Hingucker macht. Doch auch geöffnet ist er extrem dekorativ mit seinen Glas- und Spiegel-Elementen, der Beleuchtung und vielen praktischen Details.
Kommoden, Sideboards und Schreibtische
Die diesjährigen Prüflinge entschieden sich überwiegend für Kommoden, Sideboards und Schreibtische, doch das Design und die Materialauswahl ließen keine Eintönigkeit aufkommen. So hat sich Louis Kulla für Schrägen entschieden, die der Front seiner Kommode eine besondere Optik geben. Die Feinarbeit, die nötig war, in diese Schräge innen auch die Zwischenböden einzuarbeiten, ahnt nur der Fachmann. Louis Kulla gehört zu dem knappen Drittel der diesjährigen Prüflinge, die nicht den "klassischen" Ausbildungsweg über Schulabschluss und Berufsgrundschuljahr (BGJ) gegangen sind. Das BGJ entfällt für Abiturienten und für Azubis, die schon eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. So hatte Louis, obwohl in der Schreinerei von Opa und Vater aufgewachsen, erstmal eine Ausbildung zum KfZ-Mechatroniker gemacht. "Ich bin halt ein Autofreak", sagt der 24-Jährige mit einem Grinsen im Gesicht. "Und außerdem kann ich jetzt auch die Maschinen in der Schreinerei optimal warten und notfalls reparieren." Er steigt jetzt mit dem Gesellenbrief in die elterliche Schreinerei ein. Zwei, drei Jahre gibt er sich, bis er den Meister-Lehrgang anpackt.
Der Gesellenbrief ist nicht das Ende der Ausbildung
Auch für Jonathan Barthelmes ist der Gesellenbrief nicht der Abschluss. Nach dem Abitur plante er ein Studium, aber dann "habe ich diese Mega-Coole Ausbildungsstelle bekommen". Vorbelastet ist er durch seinen Vater, der zwar Zahntechniker aber begeisterter Hobby-Schreiner ist. "Andere haben ein Auslandsjahr oder ein Sabbatjahr gemacht, ich habe in zwei Jahren eine Ausbildung gemacht", ist der 20-Jährige mit seiner Entscheidung sehr zufrieden. Ein Jahr lang wird er noch bei seinem Ausbildungsbetrieb Memmel in Stadtlauringen bleiben, dann wird er wohl doch an die Uni gehen, "aber erst, wenn man wieder in Präsenz studieren kann". Holzbauingenieurwesen in Rosenheim soll es wohl werden.
Wohl alle neuen Schreiner-Gesellen werden von ihren Betrieben übernommen. "Und wenn nicht, habe ich drei Anfragen von Betrieben, die sie umgehend einstellen würden", sagt Jochen Brüggemann. Trotz Corona plant er für Herbst eine "ordentliche Freisprechungsfeier", bei der die Gesellenbriefe übergeben werden. Am Samstag gab es erstmal "nur" die Bescheinigungen, doch ab Montag haben 15 Schreinereien in den Landkreisen Haßberge und Schweinfurt einen neuen Gesellen. Einer wird wohl im Herbst noch dazu kommen: Er hat sich kurz vor Fertigstellung seines Gesellenstückes den Arm gebrochen, wird seine Arbeit im Sommer fertigstellen und darf sie im Herbst prüfen lassen, so Jochen Brüggemann.