Mit einer Drahtbürste säubert Gerhard Pfeiffer den großen Grenzstein. Was als Kosmetik fürs Foto gedacht ist, verhilft dem Feldgeschworenen und seinem Kollegen Helmut Dressel zu einer spannenden Entdeckung: Auf der thüringischen Seite wird eine zusätzliche schwarze Ziffer erkennbar, aus der vermeintlichen Nummer 731 die Jahreszahl 1731.
Wenn dem so ist, wäre das hier der mit Abstand älteste noch vorhandene Grenzstein der Gemarkung Ermershausen.
Ort des Geschehens: Die Waldabteilung „Geisschlag“ nordöstlich von Ermershausen. Weder der dichte Baumbestand diesseits noch die fast idyllisch anmutende Lichtung vor uns lassen auch nur ahnen, dass hier einmal der Todesstreifen verlief, der Deutschland vier Jahrzehnte lang unbarmherzig teilte.
Gerhard Pfeiffer und Helmut Dressel haben in jungen Jahren miterlebt, wie die Grenzanlagen errichtet wurden, mit Zehn-Meter-Streifen und Minenfeld. Und auch den Umbau später in den 1970er Jahren, als die Minen kontrolliert gesprengt wurden. Gerhard Pfeiffer erzählt, dass der Blick von hier aus früher bis zur Veste Heldburg reichte.
Dann war da noch die Neuvermessungsaktion Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre, die zumindest die Geometer aus Ost und West noch einmal vereinte. Gerhard Pfeiffer berichtet, dass die DDR'ler Werkzeug und Radeberger Pilsener mitbrachten und dafür „Würscht“ und andere Erzeugnisse der ortsansässigen Metzgerei bekamen. Aber auch zwischen den „Vopos“ und den Grenzschützern gab es bisweilen noch Kontakt, wenn sie auf Streife waren.
Mit der Wiedervereinigung setzte eine rege Abbautätigkeit ein, um es mal so auszudrücken. Und in den gut 25 Jahren seither eroberte die Natur den Grenzstreifen zurück. Entsprechend viel Arbeit gab es – nicht nur dort – für den kleinen Trupp, der in den vergangenen Wochen die Strecke für die erste Etappe der Gemarkungswanderung vorbereitete.
Traktor und Mulchgerät halfen da nicht immer weiter. Die beiden Feldgeschworenen Gerhard Pfeiffer und Helmut Dressel berichten von einem Stück Dickicht, „da haben wir uns selbst nicht ausgekannt und haben erst mal den Markstein suchen müssen“.
Pfeiffers Sohn Günter, seines Zeichens Bürgermeister der Gemeinde Ermershausen, hatte die Gemarkungswanderung angeregt. „Wo sind überhaupt die Grenzen?“ lautet die eine Frage, die dadurch beantwortet werden soll. „Von den Jüngeren hier weiß es jetzt keiner mehr“, sagt Günter Pfeiffer.
Die Gemeinde lädt zusammen mit dem Haßbergverein und der Jugendfeuerwehr zu der Gemarkungswanderung ein. Am Samstag, 26. September, steht die erste von vier Etappen an. Ursprünglich war geplant, die insgesamt 18 Kilometer in drei Abschnitten unter die Füße zu nehmen.
Am Samstag um 8.30 Uhr
Aber das wäre „recht sportlich“, wie der Bürgermeister beim Ablaufen der ersten Etappe festgestellt hat. Geht es doch „über Berg und Tal“, und zumindest teilweise auf unbefestigtem Waldboden – weshalb übrigens festes Schuhwerk empfohlen wird. Interessant verspricht die Wanderung nicht nur wegen des ehemaligen Grenzstreifens zu werden.
Denn landschaftlich gibt es ebenfalls viel zu entdecken: regelrechte Schluchten mit Bachlauf beispielsweise und Felsen, die an die Fränkische Schweiz erinnern.
In dieser Hinsicht war Günter Pfeiffer, der den Ermershäuser Wald gut kennt, selbst überrascht bei seinem Probelauf: „Von dieser Seite aus habe ich den Wald noch nicht gesehen“, schildert er seinen Eindruck.
Nicht zuletzt bekommen die Teilnehmer der Wanderung anhand der verschiedenen Bestände einen Einblick in die Waldwirtschaft. Dazu wird Förster Wolfgang Meiners mit von der Partie sein.
Treffpunkt für die erste Etappe ist am Samstag, 26. September, um 8.30 Uhr am Rathausplatz. Für die Verpflegung unterwegs sorgt die Jugendfeuerwehr. Am Ende der etwa 6,5 Kilometer langen Route wird ein Bustransfer zum Feuerwehrhaus angeboten, wo ab 12 Uhr ein Imbiss auf die Wanderer wartet.