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SCHWEINFURT
Geschichte des Fahrrads
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 06.06.2014 11:55 Uhr

Die Ausstellung „Radlust“ im Erdgeschoss der Stadtgalerie ist nicht klein, auf jeden Fall fein, und sie informiert bestens über die Geschichte des Fahrrads. Aufgebaut hat die vier großen und weitere kleine Stationen das Deutsche Fahrradmuseum (Bad Brückenau).

Als Start und Ziel eines Rundgangs empfiehlt sich der Haupteingang des Centers. Dort gibt es auch eine abgegrenzte Fläche, auf der Kinderräder auszuprobieren sind und Erwachsene nach dem Besteigen eines Hochrades oder Schlangen-Rades den Gleichgewichtssinn testen können – ab 13 Uhr. Wer sich durch die Ausstellung führen lassen will, der hat dazu täglich um 14 und um 16 Uhr Gelegenheit. Ansonsten sorgen allerhand Tafeln dafür, dass kaum eine Frage zur Geschichte des Fahrrades offen bleibt.

Am Anfang steht mit der Erfindung des badischen Staatsbeamten und Tüftlers Karl Drais eine Sensation. Die erste Ausfahrt von Drais mit seiner Laufmaschine, später auch „Draisine“ oder „Veloziped“ genannt, führte am 12. Juni 1817 von Mannheim zum etwa sieben Kilometer entfernten Schwetzinger Relaishaus im heutigen Mannheimer Stadtteil Rheinau. Drais brauchte für den Hin- und Rückweg nur eine knappe Stunde. Damit erreichte er auf der 22 Kilogramm wiegenden Laufmaschine eine durchschnittliche Geschwindigkeit von etwa 15 Stundenkilometern. Die Postkutsche brauchte für den gleichen Weg die vierfache Zeit.

Der folgende erste Fahrradboom sollte nicht lange anhalten. Weil die Benutzer der Laufmaschinen die am besten hergerichteten (Geh-)Wege benutzen, kollidierten sie immer wieder mit Fußgängern, was im Jahr 1820 ein Fahrverbot nach sich zog. Ein Nachbau des Laufrades von Karl Drais ist wie weitere fast 50 Exponate – zumeist Originale – auf der Ausstellung zu sehen.

Ab 1860 war das Tretkurbel-Rad auf dem Markt. Kurbelwerk und Pedale waren direkt mit der Vorderachse starr verbunden. Weil sich bergab die Pedale kräftig drehten, hatten manche Modelle in Höhe des Lenkers eine Vorrichtung, auf die der Fahrer die Beine außerhalb des Gefahrenbereiches legen konnte. Eine Bremse gab es nicht. Gestoppt wurde das Gefährt aus Stahlrahmen, Holzspeichen und Eisenbereifung durch das Drehen der Lenkstange. Der „Knochenschüttler“ hatte ein Gewicht von etwa 30 Kilogramm.

In Mode war damals das Radeln vor allem auf den Boulevards in Paris. So verwundert nicht, dass im Jahr 1869 von 129 französischen Velozipedfabrikanten 66 Sitz in Paris hatten. Die ausgestellten Modelle aus der Zeit um 1888 zeigen bereits eine Vollgummibereifung. Vom Kurbelwerk der Mittelpedale wurde die Kraft via (Block-)Kette auf die Achse des Hinterrades übertragen.

Das Hochrad aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bezeichnet die Ausstellung als den „elegantesten Irrtum der Fahrradgeschichte“. Das überdimensionierte Vorderrad kam in Mode, weil bislang ausschließlich die Größe der Räder die Geschwindigkeit bestimmt hatte. Mit der Verwendung von Stahlfelgen und Drahtspeichen gelang es, das Gewicht in Grenzen zu halten. Arbeiter und Angestellte konnten sich den Drahtesel nicht leisten. Diese hätten beim Kauf ein knappes Jahresgehalt investieren müssen. 1888 war das Jahr einer weiteren bahnbrechenden Erfindung: der Luftreifen von John Boyd Dunlop.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts war das Fahrrad ausgereift. Jetzt begannen die Verbesserungen im Detail. Für die Herren hatte sich der Diamant-Rahmen durchgesetzt, für die Frauen der Schwanenhals-Rahmen. Fichtel & Sachs baute seit 1903 diese Torpedo-Freilaufnabe, wenig später auch mit Nabenschaltung, eine Erfindung von Ernst Sachs nach achtjähriger Entwicklung. Sie war jahrzehntelang Standard an fast jedem Gebrauchsrad. Die Beliebtheit der kostengünstigen Torpedo-Freilaufnabe beim Kunden ging vor allem auf ihren jahrelang wartungsfreien Betrieb zurück. Die höchsten Produktionszahlen wurden zwischen 1960 und 1980 erreicht.

Ein Teil der Ausstellung ist der Motorisierung des Fahrrades gewidmet. Auch hier spielte Sachs eine wichtige Rolle. Zu sehen sind unter vielen Beispielen eine Saxonette Jahrgang 1938 und natürlich die Motoren aus Schweinfurt, aber auch eine echte Rarität: ein Tandem-Motorfahrrad. Das Ende der Ausstellung berichtet über den bislang vorletzten Fahrradboom der 1980- und 1990-er Jahre. Das E-Bike, das aktuell alle Verkaufsrekorde bricht, ist noch kein Fall für das Museum.

Radlust ist noch bis zum 21. Juni in der Stadtgalerie zu sehen. Betreut wird die Ausstellung Montag mit Freitag von 13 bis 19 Uhr und am Samstag von 12 bis 19 Uhr. Kostenfreie Führungen gibt es täglich um 14 und um 16 Uhr und auf Nachfrage.

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Auch zu sehen: Die Motorisierung des Fahrrads.
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