
Das ostfränkische Reich von Kaiser Heinrich II. reichte von der Nordsee bis nach Italien. Geprägt vom christlichen Glauben und dem Selbstverständnis, seine Macht sei von Gott gegeben, förderte er besonders Kirchen und Klöster. Der kinderlose Kaiser wollte durch seine kostbaren Stiftungen den Abglanz des Himmels erstrahlen zu lassen, sein Seelenheil und sein Andenken sichern. "Durch seine Frömmigkeit hat Kaiser Heinrich II. viel investiert in ein flächendeckendes Netz", sagt der Heidelberger Mittelalterhistoriker Professor Bernd Schneidmüller, von 1994 bis 2003 Lehrstuhlinhaber der Universität Bamberg und deren Gründungsdirektor des Zentrums für Mittelalterstudien.
Für Schneidmüller ist der Tod des Kaisers am 13. Juli 1024 während einer Reise durch das Reich in der Kaiserpfalz Grone bei Göttingen "ein historisches und reichsweites Ereignis". Es sei trauernd wahrgenommen worden. Besonders in Bamberg, dessen Bistum Heinrich 1007 gegründet hatte und in dessen Dom er mit seiner Gemahlin Kaiserin Kunigunde bestattet liegt. Der Professor macht in Bamberg eine "kultische Variante der einsetzenden starken Verehrung des Kaiserpaars" aus: "Es ist einzigartig in der Kaisergeschichte, dass das Paar 1146 (Heinrich) und 1200 (Kunigunde) heiliggesprochen wurde", so Schneidmüller.
Geschichten vom Leben und Sterben
Zur Erinnerung an diese herausragenden Persönlichkeiten mit Strahlkraft in die Gegenwart wird es am 1000. Todestag von Heinrich II. im Kulturschloss Wernsdorf eine Gedenkveranstaltung geben. Ja, sogar eine echte Uraufführung, für die die im Schloss ansässige Familie Spindler mit ihrer Capella Antiqua Bambergensis mit Jule Bauer sowie Professor Schneidmüller verantwortlich zeichnen. Unter dem Titel "Ein Kaiser stirbt. Heinrich II. 13. Juli 1024" präsentieren sie musikalisch-literarische Geschichten vom Leben und Sterben des Kaisers: Zum ersten Mal erklingt die im 11. Jahrhundert entstandene Totenklage auf Kaiser Heinrich.
Diese Premiere wurde durch die Recherchen von Schneidmüller möglich. Er erforschte in der Bibliothek der Universität Cambridge eine außergewöhnliche Handschrift: die "Carmina Cantabrigiensia", die "Cambridger Lieder". Sie sind eine Sammlung von lateinischen Dichtungen verschiedener Verfasser aus dem 10. und 11. Jahrhundert. Sie entstanden in Deutschland, Frankreich und Italien. Die Liedersammlung trägt ihren Titel nach dem Aufbewahrungsort dieser einzigartigen Handschrift, die in einem Sammelband der Universitätsbibliothek Cambridge (Cod. Gg 5.35 der UB Cambridge) eingebunden wurde. Sie wurde wohl im Kloster St. Augustin in Canterbury im 11. Jahrhundert aus einer kontinentalen Vorlage abgeschrieben.
Die um 1050 in der Region Rheinfranken zusammengestellte Sammlung enthält Panegyrik und Klagelieder, politische Gedichte, komische Erzählungen und religiöse Gedichte sowie Frühlings- und Liebesgedichte. Ein besonderer Höhepunkt ist das Gedicht De Heinrico (Heinrichslied), das halb in lateinischer und halb in deutscher Sprache verfasst ist. Diese Cambridge Lieder sind die wichtigste Anthologie von Liedern aus der Zeit vor der Carmina Burana und die einzige größere erhaltene Sammlung lateinischer lyrischer Gedichte aus der Zeit zwischen Karl dem Großen und den Jahren um 1060.
Lateinische Totenklage auf den Herrscher
In diesem Buch entdeckte Schneidmüller eine lateinische Totenklage auf Heinrich II., die nach dessen Tod im Sommer 1024 aufgezeichnet wurde. Der Seniorprofessor der Universität Heidelberg übersetzte das Lied ins Deutsche, "um es zum 1000. Todestag zugänglich zu machen", erzählt er. Dank seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Capella Antiqua Bambergensis wird nun die Idee einer Gedenkstunde mit Premiere Wirklichkeit.
Die Capella unterlegt die Totenklage mit originaler Musik: "Das Musikstück, das ideal vom Rhythmus und Strophenmaß unter die von Professor Schneidmüller gefundene Totenklage passt, stammt aus dem 10. Jahrhundert", erklärt Thomas Spindler. Es sei als Klage für die in einer Schlacht gefallenen Krieger komponiert worden. Da nur sehr wenige weltliche Musikstücke aus dem 10. Jahrhundert überliefert seien, "ist es weit mehr als nur ein glücklicher Zufall, dass dieses Klagelied so ideal mit der Totenklage Kaiser Heinrich II. musikalisch verschmelzen kann", freut sich Spindler. Die Capella Antiqua folge hierdurch einer jahrhundertealten Tradition, wichtige Texte mit bekannten Melodien der damaligen Zeit zu verbinden.
So wird Historiker Schneidmüller Literarisches in der Veranstaltung beisteuern, unter anderem auch Texte einer Totenmesse aus dem 11. Jahrhundert für Kaiser Heinrich II., die der Klerus an seinem Bamberger Grab jeweils am 13. Juli nutzte. Diese Klagemesse ist als Handschrift überliefert, die in der Staatsbibliothek Bamberg verwahrt wird.
Die Gedenkstunde für Kaiser Heinrich II. beginnt im Schloss Wernsdorf, Zur Schleifmühle 4, am Samstag, 13. Juli, um 18 Uhr, und am Sonntag, 14. Juli, um 16 Uhr. Informationen und Karten unter: Telefon 09505-8060606, www.capella-antiqua.de/konzert/heinrich-2024.