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HASSBERGKREIS
Galgenfrist für „Gyn“ und Hofheim
Wenn es nach dem Willen der Klinikleitung gegangen wäre, dann hätten die Haßberg-Kliniken schon im Sommer Strukturreformen umgesetzt. Nun hat der Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens allen Maßnahmen, insbesondere der Schließung der Haßfurter Geburtsabteilung und der Umwandlung des Krankenhauses Hofheim in ein MVZ, bis Jahresende einen Riegel vorgeschoben.
Foto: René Ruprecht | Wenn es nach dem Willen der Klinikleitung gegangen wäre, dann hätten die Haßberg-Kliniken schon im Sommer Strukturreformen umgesetzt.
Von unserem Redaktionsmitglied Martin Sage
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:16 Uhr

Der Verwaltungsrat der Haßberg-Kliniken hat in seiner Sitzung am Montagabend in nichtöffentlicher Sitzung nach eigenen Aussagen „noch keine konkreten Änderungen“ für die drei Krankenhäuser Haßfurt, Ebern und Hofheim beschlossen. Dies teilt das Kommunalunternehmen in einer Pressemitteilung am Dienstagmorgen mit.

Es sei festgelegt worden, dass „Gespräche mit den Beteiligten geführt, die Entwicklungen beobachtet und bis zum 31. Dezember Grundlagen ermittelt werden, auf deren Basis der Verwaltungsrat dann zeitnah seine Entscheidungen treffen wird“, heißt es in dem Papier der Haßberg-Kliniken.

Sich auf ein Gutachten der CMK Krankenhausberatung GmbH (Mannheim) stützend, hatte der Vorstand der Haßberg-Kliniken dem Verwaltungsrat Anfang Mai vorgeschlagen, die Geburtsabteilung in Haßfurt aufzulösen und das Krankenhaus Hofheim in ein Medizinisches Versorgungszentrum umzuwandeln – beide Maßnahmen sollten noch im Sommer umgesetzt werden. Doch angesichts des Drucks aus Öffentlichkeit und Lokalpolitik und im Falle der Gynäkologie in Haßfurt durch den Widerstand der betroffenen Hebammen, hat der Verwaltungsrat die große Klinikreform am Montag also erst einmal aufgeschoben. Eine Überraschung ist das nicht, weil die Forderung nach mehr Zeit für eine Entscheidungsfindung von allen Seiten laut wurde.

Hintergrund der einschneidenden Maßnahmen ist die wachsende Schuldenlast; das jährliche Defizit der Haßberg-Kliniken, das laut Verwaltungsleitung im Wesentlichen den Personalkosten geschuldet ist, betrug zuletzt knapp drei Millionen Euro. Die durch die „Gyn“ in Haßfurt jährlich auflaufenden roten Zahlen bezifferte Klinikchef Stephan Kolck kürzlich mit rund 600 000 Euro, den jährlichen Verlust durch Betrieb des Krankenhauses Hofheim auf rund 220 000 Euro.

Das Kommunalunternehmen habe sich seit seiner Gründung 2004 regelmäßig an die Anforderungen des Gesundheitsmarktes angepasst, bekräftigt Landrat Wilhelm Schneider, der Vorsitzender des Verwaltungsrates ist, in dem Schreiben an die Presse. Man habe die ambulanten Versorgungsstrukturen mit den medizinischen Versorgungszentren in Ebern und Haßfurt geschaffen, in denen medizinische Bereiche wie die Radiologie ausgelagert worden seien. Durch Kooperationen habe man insbesondere in Ebern das operative Leistungsspektrum ausgebaut. „Seit 2014 wurde in Haßfurt die Akutgeriatrie und in Ebern der paliativmedizinische Dienst aufgebaut, um die Haßberg-Kliniken für die steigende Nachfrage nach stationärer Versorgung durch betagte Patienten zukunftssicher aufzustellen“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. Sie verweist ferner auf die Etablierung des Alterstraumazentrums in Haßfurt, das als erstes Zentrum der Haßberg-Kliniken 2016 zertifiziert wurde. Schließlich wird die strategische Partnerschaft mit dem Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt und der Genossenschaft Klinik-Kompetenz-Bayern genannt.

Nun gelte es, diesen Weg weiter zu gehen, um eine zukunftsgerichtete medizinische Versorgung gewährleisten zu können und das zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten, hat Landrat Schneider laut Pressemitteilung nach der Sitzung erklärt. Für viele Landkreisbürger ist aber insbesondere die Geburtsabteilung in Haßfurt das Aushängeschild der Haßberg-Kliniken schlechthin – sie befürchten durch eine Schließung eine Abwärtsspirale für das gesamte Kommunalunternehmen.

Annette Storkan ist eine der zehn am Krankenhaus angestellten Hebammen. Sie hatte die Facebook-Gruppe „Helft den Haßfurter Hebammen“ ins Leben gerufen und damit eine Welle der Solidarität ausgelöst. Storkan sprach am Dienstag davon, dass sie und ihre Kolleginnen die Galgenfrist nutzen wollen, um weiter für den Erhalt der Geburtshilfe zu kämpfen. „Wir geben nicht auf und sind durchaus positiv gestimmt“, schließlich spüre man einen starken Rückenwind aus der Öffentlichkeit. Die Haßfurter Hebammen wollen nun Maßnahmen initiieren, um werdende Mütter früher und stärker an das Krankenhaus Haßfurt zu binden, etwa durch Vorträge oder spezielle Kurse während der Schwangerschaft. Beschlossen sei noch nichts, erklärte Annette Storkan. Sie räumte aber auch ein, dass es schwierig werde, dauerhaft an Geburtenzahlen von über 500 pro Jahr heranzukommen, was als eine Art Mindestgrenze für den Erhalt der „Gyn“ gesehen wird.

Interessant: Die Haßfurter Geburtshelferinnen scheinen die Hoffnung zu haben, dass sich ihre anerkannt intensive und familiäre Betreuung der Schwangeren und Gebärenden auch in Bamberg herumspricht, wo werdende Mütter keine Alternative zur großen Klinik hätten. Zumindest die Frauenärzte im Bamberger Raum schienen dem Haßfurter Modell gegenüber aufgeschlossen, berichtete Annette Storkan.

Was Hofheim anbelangt, so hatte erst am am Wochenende Dr. Alfred Hahn, Vorsitzender des Förderkreises zur Unterstützung des Hofheimer Krankenhauses (FUKS) in einem „Rundbrief zur aktuellen Situation“ herausgestellt, dass mit „einem MVZ als Abschiedsgeschenk für die zu verlierenden Belegbetten“ in Hofheim nichts gewonnen sei. Die geplanten stundenweisen Facharzt-Sprechstunden würden möglicherweise durch den bevorstehenden Renteneintritt der „MVZ-Ärzte“ aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sein.

Hahn verweist darauf, dass schon 2008 eine Ärztegemeinschaft in Hofheim die Arbeit habe aufnehmen wollen; dies sei ebenso am Veto des Kommunalunternehmens gescheitert wie später ein zweiter Versuch von Würzburger Medizinern. „Ein MVZ – wie jetzt nach den Wünschen des KU – wäre damals schon im Erdgeschoss des Krankenhauses Hofheim möglich gewesen, schreibt Dr. Hahn. Er erinnert den Landrat daran, dass Daseinsfürsorge nicht nur ein Wort ist. Wilhelm Schneider, der sich immer zu allen drei Standorten der Haßberg-Kliniken bekannt habe, werde sich dafür rechtfertigen müssen, wenn das Haus Hofheim zur Stabilisierung des Hauses Haßfurt dem Rotstift zum Opfer fallen sollte.

FUKS stehe jederzeit zur Mitarbeit bereit, wenn es um die Entwicklung eines zukunftsfähigen Konstrukts zur Erhaltung der Belegbetten für die Bevölkerung gehe.

 
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