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KREIS HAßBERGE
Für Ausgebrannte gibt es noch Hoffnung
Dr. Christina Berndt referierte in der Haßfurter Stadthalle über Resilienz.
Foto: Werner Mock | Dr. Christina Berndt referierte in der Haßfurter Stadthalle über Resilienz.
Werner Mock
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:38 Uhr

Einen hochkarätigen Referenten und eine ebensolche Referentin hatten die „Gesundheitsregion plus Landkreis Haßberge“ und die Vhs Landkreis Haßberge dieser Tage zu Gast. Die Veranstaltungen standen unter dem Motto „Das Geheimnis des gesunden Alterns.“

Eröffnet wurde der Abend von Henning Scherf (wir berichteten). Anschließend informierte die renommierte Wissenschaftsjournalistin Dr. Christina Berndt über Resilienz. Das Wort unserer Zeit steht für die geheimnisvolle Kraft, aus einer deprimierenden Situation wieder ins volle Leben zurückzukehren.

Berndt stellte die Frage in den Raum: „Warum durchstehen manche Menschen Schicksalsschläge und Krisen, während andere verzweifeln, krank werden oder daran zerbrechen?“

Als anrührendes Beispiel nannte sie Christina Vogel, die Bahnradfahrerin, die seit ihrem schweren, unverschuldeten Unfall im letzten Jahr an den Rollstuhl gefesselt sei. Den Unfall verdränge sie nicht. Sie hadere nicht mit ihrem Schicksal, nehme es als etwas Positives an und strukturiere ihr Leben neu. Wer dies im Fernsehen gesehen hat, könne erahnen, was „Resilienz“ bedeutet.

Im Dunkel noch etwas Helles erkennen, das rettet die Seele! Hier liegt die unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeit zur Resilienz. Psychische Widerstandskraft lässt einen Menschen Krisen als Chancen begreifen. Sie ist geprägt von einer positiven Lebenseinstellung, die Gelassenheit und Selbstsicherheit bewirkt.

Menschen mit besonders widerstandsfähiger Psyche gibt es auch in der Geschichte, man denke nur an Viktor Frankl, dessen Familie im Konzentrationslager starb und der Versöhnung als Ausweg aus den Katastrophen des Weltkrieges sah, oder an Nelson Mandela, der 27 Jahre in Haft verbrachte und aufgrund seiner Friedensliebe für viele zum moralischen Vorbild wurde.

Christina Berndt berichtete von der Entwicklungspsychologin Emmy Werner, die auf der hawaiianischen Insel Kauai vierzig Jahre lang exakt 698 Mädchen und Jungen des Geburtsjahrganges 1955 beobachtet und befragt hatte. Armut und Alkoholismus waren Alltag auf der Insel. Ein Drittel dieser Kinder wuchs unter besonders problematischen Bedingungen auf und war in frühester Kindheit traumatischen Erlebnissen wie gewalttätigen, alkoholsüchtigen, psychisch kranken Eltern ausgesetzt. Vor allem diese Kinder interessierten Werner. Zwei Drittel der Letztgenannten wurden wie erwartet kriminell, wiesen Verhaltens- und Lernprobleme auf. Doch Werner interessierte sich vor allem für die Kinder, die es trotz ihrer schlechten Sozialprognose schafften, ehrliche, selbstbewusste, beziehungsfähige Erwachsene zu werden. Dies war die Geburtsstunde der positiven Psychologie. Wie schafften es diese Kinder, so lebenstüchtig zu werden? Berndt verstand es vorzüglich, das Publikum zu fesseln, indem sie die Zuhörer zum Erarbeiten der Lösungen animierte. So war schnell klar, dass die menschliche Beziehung im Umfeld dieser Kinder die wichtigste Rolle spielte. Ob Pfarrer, Nachbar, Großmutter, irgendjemand war für diese Kinder da und zeigte ihnen den Weg.

Deshalb, so Berndt: „Bauen Sie soziale Kontakte auf und achten Sie auf ihre Beziehungen, dann pflegen Sie ihre Seele!“ Nicht nur die Umwelt und die Gene scheinen Einfluss auf die Resilienz zu haben, sondern in einem komplexen Wechselspiel auch die Persönlichkeit, eine positive Lebenseinstellung und der Humor.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Selbstwirksamkeit: Das Wissen, dass ich etwas auslösen kann, dass man auf mich hört. So sind Menschen, die als Baby die Erfahrung machten, dass ihr Rufen und Lächeln mit positiver Zuwendung belohnt wurden, später selbstbewusster und haben mehr Gelassenheit, da sie schon in frühester Kindheit die Erfahrung machten, nicht hilflos zu sein. So sollten alle Familienmitglieder gehört werden. Ebenso zum Beispiel Menschen in Heimen, die ihr Mitspracherecht bei der Essensplanung geltend machen können.

Laut Berndt lässt sich psychische Widerstandskraft auch im Erwachsenenalter trainieren. Das verblüffende daran sei, dass wenig resiliente Menschen besonders wandlungsfähig seien. Andererseits warnt Berndt, dass aber derjenige, der sehr widerstandsfähig ist, diese Kraft verlieren kann. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Dazu gehört ein soziales Umfeld, das nicht nur die Familie umfasst, sondern auch Freunde, Handlungsspielraum und die Fähigkeit, Situationen anzunehmen und zu akzeptieren.

Eine Krise darf nicht als unlösbares Problem wahrgenommen werden. Christina Berndt erwähnte hier als Beispiel eine Familie, die nach dem tragischen Tod ihres Kindes sich bewusst von allem Negativen abschottete, nur noch auf das Positive konzentrierte und es so schaffte, neuen Mut zu finden.

Die Akzeptanz, dass Veränderungen zum Leben gehören, lenkt den Blick vom Unabänderlichen auf das, was änderbar ist. Irgendwann lassen sich realistische Ziele entdecken, die sich mit entschlossenem Handeln erreichen lassen, dies stärkt das angeschlagene Selbstbewusstsein.

In den Augen von Berndt gibt es Löwenzahnmenschen, die robust sind und noch auf dem Schrottplatz des Lebens gedeihen, und es gibt Orchideenmenschen, diese blühen nicht so leicht, brauchen mehr Pflege, sind sensibel und empfindsamer, treiben aber die viel schöneren Blüten. Sensibel zu sein, ist nichts Schlechtes, wenn man in einer guten Umgebung aufwächst.

Einen Ratschlag gab Christina Bernd zum Ende ihrer Ausführungen: „Stecken Sie sich fünf Bohnen in die linke Tasche und wechseln Sie immer eine in die rechte, wenn etwas Gutes passiert. Achten Sie mehr auf das Gute. Freuen sie sich über ein Ihnen bestimmtes Lächeln, über Kleinigkeiten, jagen Sie dem Guten nach und erwarten Sie nur das Beste!“

 
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