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KREIS HASSBERGE
Frisch aus dem Wald – schwarz auf den Tisch
Auch Herrenpilz genannt: Meist sind es Steinpilze, wenn Gaststätten heimische Pilze anbieten. Wo diese herkommen, ist eine andere Frage.
Foto: Thinkstock | Auch Herrenpilz genannt: Meist sind es Steinpilze, wenn Gaststätten heimische Pilze anbieten. Wo diese herkommen, ist eine andere Frage.
Von unseren Redaktionsmitgliedern Roland Pleier und Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 16.09.2012 12:04 Uhr

„Frische Steinpilze aus dem Steigerwald, serviert mit einem hausgemachten Semmelknödel.“ So preist seit Tagen ein Gastronom aus der Region eines seiner Tagesgerichte an. Steinpilze – verlockend zu dieser Jahreszeit, etwa so wie Spargel im Juni. Aber, wie wohl in vielen vergleichbaren Fällen, ist dieses Angebot nicht ganz koscher, obwohl die freundliche Bedienung auf Nachfrage mehrfach versichert, die Pilze seien direkt aus dem Steigerwald. Von einem Sammler in der Gaststätte vorbeigebracht.

Zum einen war im August in der Region nicht viel los mit Pilzen. Das Wetter war viel zu trocken. Auch die paar Regengüsse vor wenigen Tagen haben Anfang September oben im Steigerwald nicht wirklich zu einer Verbesserung geführt. Ein ausgedehnter Spaziergang am vergangenen Wochenende durch ein seit Jahren bestens bewährtes Pilzgebiet hat bewiesen, dass sich derzeit am Boden einfach nichts regt. Nicht einmal Giftpilze sind zu sehen. Höchstens an Baumstümpfen wachsen ungenießbare Pilzchen. „Im Moment ist kein sehr üppiges Pilzwachstum“, bestätigte auch der bekannte Experte Lothar Krieglsteiner, der jüngst eine Pilzausstellung in Falkenstein organisiert hatte und an diesem Wochenende in Ebern bei den „2. Eberner Pilztagen“ wieder mit dabei ist.

Nur ein Mann mit Sammelschein

Doch wollen wir jetzt nicht ausschließen, dass es tatsächlich einen Experten im Steigerwald gibt, der in einer seiner geheimen Ecken Steinpilze gefunden hat und sie in dem Gasthaus abgegeben hat. In diesem Fall aber hat er die gefragte Spezialität mit hoher Wahrscheinlichkeit schwarz an den Gastronomen verkauft. Denn in der gesamten Region Main-Rhön zwischen Steigerwald und Rhön gibt es aktuell nur einen einzigen Mann, der sich bei einem der Landratsämter einen Sammelschein geholt hat und damit die Erlaubnis hat, über den Eigenverbrauch hinaus Pilze zu sammeln und zu verkaufen. Und in ganz Unterfranken seien solche Scheine in den vergangenen drei Jahren lediglich an drei Sammler vergeben worden, ist bei der Regierung von Unterfranken zu erfahren.

Im Frankenland gebe es witterungsbedingt bislang „nur ein paar Pfifferlinge und ein paar Steinpilze, die vom Sammler direkt vermarktet werden“, sagt ein Mann, der sich in der Branche bestens auskennt: Rainer Hegemann, einer der beiden Geschäftsführer der Obst & Gemüse Fruchthandelscompany Mönch GmbH & Co. KG in Großenbrach. Hegemann hat 14 Jahre lang mit Pfifferlingen gehandelt, ein Jahr war er sogar in Litauen tätig. Er kennt also die Vertriebswege – auch die weniger legalen, die bisweilen über Weißrussland führen. Denn eines ist klar: Das Geschäft mit wild wachsenden, also nicht gezüchteten Pilzen, ist leicht zu verschleiern.

Wer will schon kontrollieren, ob ein Steinpilz tatsächlich im Steigerwald gewachsen ist? Wer könnte schon beweisen, dass die Pfifferlinge nicht in einem Naturschutzgebiet abgeschnitten wurden – was nach den Buchstaben des Gesetzes selbst mit Sammelschein verboten ist? Dass kein Sammler einen Nachweis braucht, der ihn als Pilzkenner qualifiziert, wird schon seit Jahrzehnten thematisiert – ohne jegliche Folgen.

Hegemann jedenfalls bezieht die Steinpilze und überwiegend Pfifferlinge, die er an die Gastronomie weiterverkauft, ausschließlich von Großhändlern, wie er sagt. „Wir importieren sehr viel aus Polen und beziehen sie vom Großmarkt in München.“

Es sei jedoch gang und gäbe, dass Hobby-Sammler (ohne Sammelschein) ihre Beute direkt an Gastronomen verkaufen, lässt er durchblicken – „auch wenn's rechtlich nicht ganz einwandfrei ist“.

Für ihn, den Zwischenhändler, hat die Saison bereits im Juni begonnen. Pro Woche schlägt er rund 500 Kilogramm Pilze um. Tiefgefrorene oder getrocknete Pilze sind in den Augen des Obsthändlers nicht frisch. Und Steinpilze, so sagt Hegemann, sind maximal drei Tage lang frisch – dann werden sie seifig. Die kompakteren Pfifferlinge halten immerhin doppelt so lange durch.

Der große Renner, der sie lange Zeit waren, seien Pilze für den Zwischenhändler aber nicht mehr. Der Einzelhandel habe dieses Geschäft versaut und locke die Kunden mit „400-Gramm-Körble für 2,99 Euro“ in den Laden. Reichtümer also kann selbst ein gewiefter Sammler kaum anhäufen. Zumal die Saison in der Regel ja kurz ist und die guten Flecke schnell abgegrast sind.

Lange müssen die Hobbysammler, die nur für den eigenen Kochtopf sammeln, auf den Beginn der Pilzsaison nicht mehr warten, weiß der Experte Rainer Hegemann aus Erfahrung: „Der Mond ist 'rum, der zieht sie jetzt raus.“

Bei den Eberner Pilztagen ist an diesem Samstag, 15. September, um 16 Uhr eine Pilzführung mit Lothar Krieglsteiner geplant. Treffpunkt ist am Eberner Freibad. Am Sonntag, 16. September, wird in der Rathaushalle von 11 bis 17 Uhr eine Frischpilz-Ausstellung gezeigt.

 
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