„Kinder sollten viel mehr spielen, als viele Kinder es heutzutage tun. Denn wenn man genügend spielt, solange man klein ist, dann trägt man Schätze mit sich herum, aus denen man später sein ganzes Leben lang schöpfen kann.“ Diesen Ausspruch der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren hat sich das Team des Ermershäuser Kindergartens auf die Fahnen geschrieben.
Wie vieles andere unterliegt die Arbeit mit Kindern dem Wandel der Zeit. Es gibt neue pädagogische Erkenntnisse und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich. Konzepte zu Inhalten und Angeboten in Kindergärten werden dementsprechend weiterentwickelt. So sieht der Bayerische Bildungs- und Entwicklungsplan heutzutage nicht nur das freie Spiel als Haupttätigkeit der Kinder, sondern gibt auch vor, dass sie am Bildungsprozess beteiligt werden. „Situationsorientierter Ansatz“ heißt das in der Fachsprache.
Die Leiterin des Ermershäuser Kindergartens, Silvia Herzig, und die vier Mitarbeiterinnen wollen Freiraum schaffen für das freie Spiel. Denn: „Die Kinder lernen im Spiel am meisten.“ Das heißt aber nicht, dass sich die Betreuerinnen so lange zurücklehnen können. Vielmehr begleiten und fördern sie das Spielen aktiv. „Unsere Aufgabe ist es, zu beobachten, was die Kinder zum Spielen brauchen, und entsprechende Möglichkeiten, entsprechendes Material zur Verfügung zu stellen“, sagt Silvia Herzig.
Die Kinder sollen Freiraum haben, das gilt auch beim Malen und Basteln. Silvia Herzig erzählt von einem „Aha-Erlebnis“ vergangene Woche in der Krippe: Die Zweijährigen sollten mithilfe von Schablonen und Wachsmalkreiden einen Hasen auf einer Wiese malen – und verwendeten dafür andere Farben als Braun und Grün.
Natürlich hätten die Betreuerinnen den Kindern nur braune und grüne Stifte hinlegen können, aber das wäre ein Widerspruch zum Konzept gewesen. Mit Material umzugehen, Material zu begreifen: Das soll den Kindern ermöglicht werden. Und da nimmt es ihnen auch keiner übel, wenn sie beim Marmorieren von Ostereiern die Eier mit der Hand im Kartondeckel mit der Farbe hin und herrollen, anstatt den Kartondeckel zu schwenken.
In der Kindergartengruppe gebe es „etwas andere Voraussetzungen“, sagt Herzig mit Blick auf bestimmte Dinge, die die Jungen und Mädchen lernen sollen, zum Beispiel einer Linie entlang auszuschneiden. Aber auch in diesem Alter „brauchen die Kinder erst mal den Platz zum Experimentieren“.
Bei der inhaltlichen Arbeit stehen die Bedürfnisse und das Erleben der Kinder ebenfalls im Mittelpunkt. Wie Silvia Herzig erläutert, gab es früher einen Wochenplan, der eins nach dem anderen umgesetzt wurde. Heute werden vor allem die Themen aufgegriffen, die die Kinder beschäftigen.
Wenn in der Familie eines der Kinder ein Geschwisterchen unterwegs ist, zum Beispiel. Gemeinsam mit den Jungen und Mädchen überlegen die Betreuerinnen, wo sie etwas darüber erfahren könnten.
Die Kinder können also den „Bildungsprozess aktiv mitgestalten“, bringt es Silvia Herzig auf den Punkt. Auf diese Weise angeeignetes Wissen „merken sich die Kinder besser, weil es sie interessiert“.
Hinter dem Konzept steht die Erkenntnis: „Das Kind kann sich nur aus sich selbst heraus entwickeln“, sagt Silvia Herzig und zitiert Maria Montessoris Devise: „Hilf' mir, es selbst zu tun.“ Quasi eine Bestätigung für diesen Weg, den auch der Ermershäuser Kindergarten schon vor Längerem eingeschlagen hat, kommt aus dem Jugendamt: „Die Umsetzung des situationsorientierten Ansatzes in Kindertageseinrichtungen spricht für eine qualitativ gute Arbeit“, so Katharina Tschischka von der Kindergartenaufsicht.
Anno 1927 war die Einrichtung in Ermershausen ins Leben gerufen worden, getragen vom eigens gegründeten Kleinkinderschul- und Diakonieverein. Als „kleiner Landkindergarten“, so Silvia Herzig, wird heute „alles in einem“ angeboten. Dazu gehören neben der Kindergartengruppe mit 21 Jungen und Mädchen (ab April) der 2012 eröffnete Krippenbereich mit derzeit fünf Kindern und die Betreuung für aktuell acht Schulkinder.
Der Übergang von der Krippen- in die Kindergartengruppe wird flexibel gehandhabt, und auch schon bei der Eingewöhnung in die Krippe wird darauf geachtet, was die Kinder brauchen. Der Tagesablauf wird dem Entwicklungsniveau der Kinder angepasst, das heißt unter anderem möglichst wenig Personalwechsel.
Es gibt verschiedene Angebote, wie zum Beispiel das „Würzburger Sprachprogramm“ und die „Zahlenstunde“ für Vorschulkinder, aber auch Flötenunterricht, Kochen und Backen, den monatlichen Kindergartengottesdienst sowie individuelle pädagogische Förderung. Die Elternarbeit spielt eine wichtige Rolle und es besteht eine enge Zusammenarbeit mit der Grundschule in Maroldsweisach, um den Jungen und Mädchen den Wechsel dorthin zu erleichtern, wenn es so weit ist.
Was macht Heimat aus? Dieser Frage gehen wir im Live-Blog auf unserer Homepage im Internet unter dem Motto „Heimat hat Zukunft“ nach. Wir haben in den vergangenen Tagen unter anderem die Geschichte und die Infrastruktur von Ermershausen unter die Lupe genommen. Eng verbunden mit dem Begriff Heimat, sind aber auch die Vereine. Sie stehen am Mittwoch im Fokus unserer Berichte.