Sollen die Kinder an bayerischen Gymnasien ihr Abitur weiterhin nach acht Jahren machen? Oder liegt die Zukunft im neunjährigen Gymnasium, das die CSU unter Ministerpräsident Edmund Stoiber vor zehn Jahren abgeschafft hat? G 8 oder G 9 – das ist die Frage, die seit vielen Jahren Lehrer, Bildungspolitiker, Eltern und Schüler im Freistaat Bayern beschäftigt. Am Donnerstag fällt der Startschuss für ein Volksbegehren der Freien Wähler mit dem Titel „Ja zur Wahlfreiheit zwischen G 9 und G 8 in Bayern“. Bis Mittwoch, 16. Juli, haben die Wahlberechtigten im Freistaat die Möglichkeit, durch ihre Unterschrift das Volksbegehren zu unterstützen.
Weniger Lernstress für die Kinder und mehr Zeit für die Persönlichkeitsentwicklung, Erholung und außerschulische Hobbys führen die Freien Wähler als Vorteile des G 9 ins Feld und fordern deshalb eine grundsätzliche Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Geht es nach den Freien Wählern, sollen acht- und neunjährige Gymnasien künftig parallel betrieben werden.
Freilich sind die Freien Wähler nicht die Einzigen, die eine Reform des Gymnasialmodells anstreben. Die SPD forderte erst am Dienstag in einem Gesetzentwurf den Umstieg zurück auf das neunjährige Gymnasium inklusive der Möglichkeit, dieses auch in acht Jahren zu absolvieren. Die Grünen stellen sich derweil ein System vor, in dem Schüler in der Oberstufe selbst entscheiden, ob sie das Abitur in zwei oder drei Jahren machen. Bereits eingeführt hat Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) zu Beginn des gerade ablaufenden Schuljahres das sogenannte Flexibilisierungsjahr. Im Unterschied zu den Plänen der Grünen haben die Schüler da die Möglichkeit, ein zusätzliches Jahr in der Mittelstufe zuzubringen anstatt in der Oberstufe. Die Praxis hat jedoch nach Aussagen des Deutschen Philologenverbands und des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands gezeigt, dass nur sehr wenige bayerische Gymnasiasten in diesem Schuljahr Lust auf diese Art des freiwilligen „Sitzenbleibens“ hatten.
Etwa 68 000 Eintragungsberechtigte haben im Landkreis Haßberge in den nächsten 14 Tagen die Möglichkeit, das Volksbegehren der Freien Wähler zu unterstützen. „Bei den Gemeinden liegen die Eintragungslisten ab Donnerstag, 3. Juli, aus, die Mindesteintragungszeiten sind gesetzlich geregelt“, weiß Michael Schor, Wahlsachbearbeiter am Landratsamt in Haßfurt. Montags bis freitags von 8.00 bis 12.00 Uhr sowie von Montag bis Donnerstag von 13.00 bis 16.00 Uhr liegen die Listen garantiert aus. An einem Wochentag muss die Gemeinde zudem durchgehend von 13.00 bis 20.00 Uhr geöffnet haben. Außerdem müssen die Bürger während der nächsten 14 Tage einmal an einem Wochenende, also samstags oder auch sonntags, für zwei Stunden die Möglichkeit bekommen, ihren Namen in die ausliegenden Listen einzutragen.
Bei Gemeinden, die einer Verwaltungsgemeinschaften angehören, liegen die Listen in der VG-Dienststelle aus. Zusätzlich können Bürgermeister aber nach Bekanntmachung zusätzlich eigene Öffnungszeiten in den Rathäusern ausgeben oder in Bürgermeistersprechstunden die Möglichkeit bieten, sich in die Unterstützerlisten einzutragen. Eine Briefwahl ist nicht möglich.
„Letzter Tag ist in jedem Fall Mittwoch, 16. Juli“, ergänzt Michael Schor. Bis mindestens 16.00 Uhr müssen die Listen an diesem Tag für die Allgemeinheit ausliegen. Unterschreiben dürfen übrigens auch alle Minderjährigen, die spätestens am letzten Tag der Volksbegehrens ihren 18. Geburtstag feiern.
Zehn Prozent der etwa 9,5 Millionen Wahlberechtigten in Bayern müssen unterschreiben, damit sich die Staatsregierung mit dem Thema befassen muss. Lenkt die Regierung nach dem erfolgreichen Volksbegehren nicht ein, folgt der Volksentscheid, bei dem alle Stimmberechtigten über den Gesetzentwurf mit „Ja“ oder „Nein“ abstimmen können.
In Bayern fanden seit dem Jahr 1946 insgesamt 19 Volksbegehren und 19 Volksentscheide statt. In jüngerer Zeit besonders viel Zustimmung erhielt das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz Ende 2009. Damals trugen sich bayernweit fast 1,3 Millionen Menschen (13,9 Prozent der Wahlberechtigten) in die Listen ein. Michael Schor liest aus seinen Akten auch für den Heimatlandkreis 13,67 Prozent Beteiligung ab.
Und auch das G 9 war bereits einmal Thema eines Volksbegehrens: Im Jahr 2005, also kurz nach Abschaffung des neunjährigen Gymnasiums in Bayern, hatte sich eine Initiative von Eltern und Lehrern aus Kitzingen dafür stark gemacht, zum G 9 zurückzukehren. Allerdings trugen sich nur knapp 222 000 Bürger in die ausgelegten Listen ein, was etwa 2,4 Prozent der Wahlberechtigten entsprach. Im Landkreis Haßberge lag der Anteil der Befürworter zwar mit 5,41 Prozent deutlich höher, doch die Zehn-Prozent-Hürde nahm das Volksbegehren damals nur im Landkreis Schweinfurt.