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UNTERHOHENRIED
Frau Holle will keine Kissen schütteln
Auf eine „Weiße Weihnacht” müssen (von links) Hailey Noonan und Paulina Heumann sowie (von rechts) Marie Ehrhardt und Georgia Hull verzichten. Dennoch freuen sich die vier Mädchen riesig auf das Fest, dass sie erstmals in einem fremden Land verbringen. Vor allem die beiden Australierinnen, die über 16 000 Kilometer entfernt eine ganz neue Erfahrung machen.
Foto: Ralf Naumann | Auf eine „Weiße Weihnacht” müssen (von links) Hailey Noonan und Paulina Heumann sowie (von rechts) Marie Ehrhardt und Georgia Hull verzichten.
Von unserem Mitarbeiter Ralf Naumann
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:28 Uhr

„Merry Christmas?“ Normalerweise wünschen sich Heike und Marco Heumann sowie ihre Kinder Paulina und Simon, ebenso wie Ingrid, Ehemann Gerd und ihre Tochter Marie Ehrhardt, auf Deutsch „Fröhliche Weihnachten“. Am heutigen „Heiligen Abend“ aber ist der englische Gruß bei den beiden Familien in Unterhohenried durchaus angebracht. Schließlich leben derzeit zwei englischsprachige Gäste bei ihnen, deren Heimat über 16 000 Kilometer entfernt ist: Georgia Hull und Hailey Noonan kommen aus Australien.

Insgesamt zehn Wochen sind die beiden Freundinnen aufgrund eines Austauschprogrammes in Deutschland – und zwar zum Gegenbesuch. Im Februar, März und April bereits lernten Marie Ehrhardt und Paulina Heumann, die das Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt besuchen, „Down Under“ kennen. Seit Ende November nun wohnen die beiden 16-jährigen Australierinnen im Haßbergkreis und erlebten bislang nicht nur die Adventszeit. Sie feiern zum ersten Mal weitab von ihrem Heimatland auch Weihnachten. Ihre bisherigen Eindrücke und Erfahrungen sind dabei äußerst positiv. „Weihnachten in Deutschland ist schon ein sehr großer Unterschied zu Australien“, sagt beispielsweise Georgia. Es sei für sie aber „eine großartige Erfahrung. Und ich mag es genauso.“

Vor allem das Wetter und die Temperaturen sind für sie und Hailey „sehr gewöhnungsbedürftig. Es ist sehr kalt“, lachen die Teenager. In Australien dagegen ist gerade Sommer. „Normalerweise steigt das Thermometer über Weihnachten auf 35 Grad und mehr an“, erklären die beiden. Und es gibt weitere Unterschiede: Keine Weihnachtsmärkte sind in der Nähe, ebenso gibt es keinen Nikolaus. „Wir haben aber einen Adventskalender mit kleiner Schokolade“, sagt Hailey. Eine weitere Ähnlichkeit ist der Weihnachtsbaum. Den kaufen die Hulls immer am ersten Dezemberwochenende und dekorieren ihn gemeinsam. „Im Hintergrund läuft dabei Weihnachtsmusik“, erklärt Georgia. Am ersten Dezembertag legt auch ihr Vater Mark die ersten Weihnachts-CDs ein, die dann „so oft wie möglich“ gespielt werden. „Meine Mama Amanda backt währenddessen ein paar Plätzchen.“

Am 24. Dezember, der in Australien ganz einfach der Tag vor Weihnachten ist, wird auf den Tisch neben dem Baum traditionell ein Glas Milch und ein Keks für den Weihnachtsmann gestellt. „Wir legen außerdem unsere Säcke für die Geschenke in den Gang und stellen einen Eimer Wasser und Karotten für die Rentiere zum Essen dazu“, erklärt Georgia den weiteren Ablauf. „Wir machen das, weil meine zwei kleinen Geschwister noch an den Weihnachtsmann glauben“, grinst die 16-Jährige.

Am 25. Dezember, dem eigentlichen Weihnachtstag, stehen dann alle in ihrer Familie früh auf, „um unsere vollen Säcke mit Geschenken auszupacken.“ Die Milch und der Keks wurden derweil aufgegessen – von ihrem Vater. „Die Karotten und das Wasser ist natürlich auch verschwunden.“ Gleich nach dem Öffnen der Geschenke gibt es Frühstück. „Schinken auf Toast“, sagt Georgia und fügt hinzu: „Danach spielen wir mit unseren Geschenken, fahren zu meiner Oma oder bereiten das Mittagessen vor.“

Aufregend verläuft normalerweise der Tag auch bei Hailey. „Wenn wir aufwachen, stehen unter dem Weihnachtsbaum, der bereits Anfang Dezember aufgestellt wird, auch immer Geschenke“, erklärt sie. Diese werden schon in den Wochen vor dem Fest nach und nach daruntergestellt. Nach dem gegenseitigen Auspacken mit ihren Eltern und ihrem Bruder werde dann „viel gelacht, vor allem, wenn wir unser schreckliches „Frisch aus dem Bett-Foto‘ aufnehmen“. In den letzten Jahren hat Hailey Weihnachten auch öfter bei ihrer Tante gefeiert, die ganz in der Nähe wohnt.

Ein echtes Weihnachtsessen darf freilich nicht fehlen. Weder bei Georgia, noch bei Hailey. Oft ist der Tisch gut besucht, denn Großeltern, Cousins, Tanten, Onkel, auch Großtanten und Großonkel, kommen zusammen. „Wir haben einen großen Grill mit Schweinefleisch, mit Hühnchen, mit Hahn und vielen gebratenen Gemüsesorten“, läuft Georgia schon beim Reden das Wasser im Mund zusammen. Als Nachspeise gibt es „Pavlova“, ein australisches Dessert, sowie einen Weihnachtspudding mit Streuseln oder einfach ein leckeres Eis. Auf einen „Tagesordnungspunkt“ sind aber wohl viele Deutsche ganz neidisch: „Wir spielen tagsüber Cricket draußen in der Sonne. Wenn wir alle bei mir zu Hause sind, schwimmen wir natürlich auch im Pool.“ Den Tag bezeichnet sie als „wundervolle Zeit, in der alle aus der Familie nah beisammen sind und Liebe teilen und einfach glücklich sind“.

Ähnlich ist der Speiseplan der Noonans: Gebratener Truthahn, Ente und Schweinefleisch, Gemüse, ein Weihnachtspudding und – was nicht fehlen darf – die hausgemachte Nachspeise „Trifle“ ihrer Oma, eine Art „Tiramisu“ mit eingelegten Löffelbiskuits und viel Sahne. „Das ist mein absolutes Lieblingsessen“, schwärmt Hailey. Im Anschluss an das Festmahl ist Entspannung und Spaß angesagt. Es wird geredet und gespielt. „Wir haben einfach eine gute Zeit miteinander.“ Und während ihr Onkel mit ihrem Vater Chris normalerweise eine Partie Billard spielt, vergnügen sich die Kinder beim Tennis, beim Schwimmen oder beim Trampolinspringen. „Alles, was wir gemeinsam in der Sonne machen können“, lacht Hailey.

Ein besonderer Tag ist schließlich der 26. Dezember, der sogenannte „Boxing Day“. „Ich bin immer dort, wo Boxing-Day-Feierlichkeiten stattfinden“, betont die 16-Jährige. „Der wird in unserer Familie meistens bei uns gefeiert.“ Glanzlicht des Tages ist ein Cricket-Spiel im Fernsehen mit dem Namen „Boxing Day“-Test. „Mein Papa liebt Cricket“, sagt das Mädchen. Die ganze Familie, aber auch viele Freunde, kommen dann zu den Noonans, um gemeinsam zu feiern. „Boxing Day ist einer meiner Lieblingstage im Jahr. Ich habe meine liebsten Menschen um mich herum, kann die Dinge tun, die ich am liebsten mag. Und das alles bei meinem Lieblingswetter.“ Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen geht es nach dem Barbecue in den Pool oder in den Park zum Fußball spielen.

Auch wenn sich das Weihnachtsfest in diesem Jahr für die beiden jungen Australierinnen sehr von ihren bisherigen Erlebnissen unterscheidet, bezeichnen sie die gemachten Eindrücke in Deutschland als einprägend. „Natürlich“, räumt Hailey ein, „vermisse ich meine Familie. Aber ich bin auch wirklich begeistert, diese neuen Erfahrungen sammeln zu können. Weihnachten zu feiern mit Paulina und ihren Eltern in einer völlig anderen Art und Weise als üblich, ist einfach toll.“

Dass ihr größter Wunsch allerdings doch noch in Erfüllung geht, ist unwahrscheinlich: „Hoffentlich wird dies auch meine erste weiße Weihnacht“, will sie die Hoffnung nicht aufgeben und drückt Frau Holle feste beide Daumen, dass sie rechtzeitig vor der Bescherung doch noch mit ihrer Arbeit beginnt.

Weil Georgia und Halley erst Ende Januar wieder zurückfliegen, feiern sie derweil auch den Jahreswechsel in Unterhohenried. Und natürlich lernen sie während ihres Europaaufenthaltes nicht nur den Landkreis Haßberge, Bayern oder Deutschland besser kennen. Auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt, in Bamberg oder in Schweinfurt waren sie bereits. Nachdem Georgia mit ihrer Gastfamilie kurz vor dem Fest für einige Tage London erkundete, stehen auch die Bundeshauptstadt Berlin sowie Skifahren in Österreich auf dem abwechslungsreichen und vor allem kurzweiligen Austauschprogramm. Ob die beiden Gäste nach allen diesen Erlebnissen in Deutschland und Europa wirklich wieder nach Australien wollen?

 
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