kör/wj) Flurnamen sind häufig schon in vorchristlicher Zeit entstanden und erinnern daher auch an alte Kultstätten der vorchristlichen Naturreligion. Dazu hielt der Sprachwissenschaftler Dr. Joachim Andraschke auf Einladung des Historischen Vereins Landkreis Haßberge und des BIZ einen Vortrag über den Zusammenhang alter Flurnamen mit der germanischen und skandinavischen Mythologie.
Bei seinen Arbeiten in den Archiven fielen Andraschke viele Primäranzeiger für derartige Sakralplätze auf, das heißt, er entdeckte Grundwörter, die auf solche alten Kultplätze hinweisen. Dabei handelt es sich um Worte wie „Harch“ „Alah“, „Stal“, „Erin“ für Heiligtum, Tempel, „tiuri“ für Opferplatz oder verschiedene Worte für Einfriedung wie „Fried“, „Litze“, „Hagin“, „Kamar“, etc. oder zum Beuispiel das althochdeutsche Wort „wih“ für einen heiligen Ort. Dieses Wort steckt in „Weihnachten“ und „Kirchweih“. Fündig wurde er bei Eltmann, wo 1575 „ein Acker am Weyhebronnen“ genannt wird. Einen eingefriedeten Kultbereich kann man sich in germanischer Zeit als einen mit Holzpalisaden umgebenen Raum mit einem Opfertümpel oder einem Holzidol in der Mitte eines solchen Areals vorstellen.
Natürlich muss nicht alles, was mit dem Wort „Fried“ gebildet ist, auch automatisch kultisch sein, aber es kann auf einen solchen Platz hinweisen, vor allem wenn dieser Flurname wie bei Westheim bereits 1511 im Zusammenhang mit „ecker[n] am Friedloch“ genannt wird, denn das Wort „lach/loch“ kann auf einen See (englisch „Lake“) hinweisen. Das wäre dann ein Hinweis auf einen eingefriedeten Tümpel, einen einfachen Opferplatz, wie oben beschrieben. Genauso wie in Neuhausen-Dankenfeld, wo 1547 ein „Wisgrundt der Fridlein ganandt“, 1568 „der Friedles grundt“ und 1626 die „Friedleins Leiden“ genannt werden. Hier ist sich Joachim Andraschke einigermaßen sicher, dass diese Flurbezeichnung mit einem eingefriedeten Kultplatz zusammenhängt, denn bei Dankenfeld gibt es auch einen „Leutenberg“ der auf die Matronengottheit „Liutana“ hinweisen kann, einer germanischen Fruchtbarkeitsgöttin.
Das germanische Wort „Kam(ar)“, das auf einen Ort an einem Holzpflock, möglicherweise ein Holzidol, hinweist, ist vor allem für Haßfurt spannend, denn der Flurname „in der Kamern“ liegt zwischen Haßfurt und Mariaburghausen und wird bereits 1319 im ältesten Lehenbuch des Bischofs von Würzburg genannt. Dort wird von einem „Zehnt, genannt in der Kamern in der Nähe von Haßfurt“ berichtet, der 1346 wieder als „Zehnt genannt in der Kammer unterhalb des Klosters Mariaburghausen am Main“ erwähnt wird. Die Kammer kann mit einem imaginären Übergang über den Fluss ins Totenreich zu tun haben. Bei den Germanen herrschte die Vorstellung, dass der Fährmann die Seelen über den mystischen Fluss ins Totenreich geleitet. Bei Hirschaid (= Hirsch-Heide) beispielsweise konnte man an der alten Regnitz einen derartigen Übergang mit einer kompletten Hirschbestattung nachweisen. Der Hirsch ist in der Vorstellungswelt der Germanen auch der Totenbegleiter. Dort befand sich auch ein Pflock, an dem man separat ein Geweih angebracht hatte, der diesen Übergang ins Totenreich für jeden sichtbar markiert hatte. Der Friedhof lag auf der anderen Bachseite.
Warum gibt es bei uns keine Wotansberge oder Donarquellen? Diese Götternamen waren für die Germanen sogenannte Tabunamen, die man sich scheute, auszusprechen, um nicht den jeweiligen Gott durch die Anrufung zu beleidigen oder zu provozieren. Sie erfanden Beinamen für diese Götter, wie zum Beispiel All-Vater für Odin. In Skandinavien hat Odin (es ist dies die altnordische Namenform für Wotan) 156 Beinamen, die in der Edda überliefert sind. In unserem Kontinentalgermanischen Raum waren bisher aber nur eine Handvoll Beinamen Wotans bekannt.
Adraschke konnte mit Hilfe seines Quellenmaterials inzwischen 48 Beinamen bestimmen. Man muss also nicht nach „Wotan“ in den Flurnamen suchen, sondern nach den Beinamen, die die Menschen diesem Gott gaben.
Die skandinavischen Götternamen waren wohl mit den Burgundern in unsere Gegend gekommen. Solche Beinamen waren „Gaut“, „Adrat“, „Alhraban“, „Alrat“, der im Allersberg („Alratesberg“) bei Roßstadt stecken könnte. Auch „Arn“ (=Adler) findet sich im Ortsnamen „Arnstein“.
Oder „Hwatjan“, ein Beiname Wotans, der nicht nur in dem bekannten „Watzmann“ steckt, sondern auch bereits 1359 im Landkreis Forchheim als „Watzmannsberg“ in Erscheinung tritt. Weitere Beinamen sind „Gundloch“, „Gundhold“, „Nachtrabe“, „Stranghold“ und „Leidenmann“, der wiederum bei Zell am Ebersberg vorkommt, wo 1348 ein „vinea Leidenmansperg“, also ein Weinberg am Leidenmannsberg genannt wird.
Und dann gibt es noch die Flurnamen, die ganz allgemein das Wort „ans“ für „Asen“, die germanische Bezeichnung für Götter, beinhalten, wie zum Beispiel die Wüstung „Aschwinge“ zwischen Knetzgau, Zeil und Sand, die bereits 1399 „dye Anspige genant“ wird.
Der Wüstungsname „Ansbiege“ setzt sich zusammen aus „ansis“=„Gott“ und „biogo“= „Biegung“, was darauf schließen lässt, dass an dieser Stelle – einer Flussbiegung des Mains – sich möglicherweise ein Kultplatz befunden hat.
Einen ähnlichen Platz kann es bei Augsfeld gegeben haben, wo 1523 „an dem schopfen Anspach“ erwähnt wird.