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Fatschenbrunn
Fatschenbrunn: Wie Franz Hümmer die Hutzel-Tradition vor dem Verschwinden bewahrte
Die Nachfrage nach den Dörrbirnen steigt wieder. Nun zeichnet das bayerische Landwirtschaftsministerium den Hutzelhof für seine innovative Streuobstnutzung aus.
Franz Hümmer hat den Hutzelhof von seinem Vater übernommen – und damit die Tradition.
Foto: Lorenz Thomas | Franz Hümmer hat den Hutzelhof von seinem Vater übernommen – und damit die Tradition.
Lorenz Thomas
 |  aktualisiert: 14.09.2022 02:40 Uhr

Auf dem Hof von Franz Hümmer in Fatschenbrunn ist derzeit Einiges los. Die Obsternte und damit verbunden die Herstellung sogenannter Hutzeln – das sind Dörrbirnen – sind wieder im vollen Gange. Zuletzt erreichte zudem eine gute Nachricht den Betrieb am Rande des Ortes. Der Hutzelhof erhält eine Auszeichnung vom bayerischen Landwirtschaftsministerium.

Franz Hümmers Betrieb gehört zu den drei Gewinnern des "Wettbewerbs für innovative Streuobstnutzung". Dieser zeichnet Projekte aus, die zeigen, "wie der Erhalt und die Förderung bayerischer Streuobstwiesen durch eine sinnvolle und nachhaltige Nutzung gelingen kann", heißt es in einer Pressemitteilung des Staatsministeriums. Die Gewinner setzten sich gegenüber 70 Mitbewerbern durch.

Die Hutzel–Herstellung dauert drei bis fünf Tage.
Foto: Lorenz Thomas | Die Hutzel–Herstellung dauert drei bis fünf Tage.

Die Anerkennung freut Franz Hümmer, gerade vor dem Hintergrund, dass die Hutzel–Tradition in Fatschenbrunn beinahe ausgestorben sei. Seit er den Hof von seinem Vater übernommen hat, investiert er viel Herzblut, um die Hutzeln wieder bekannt zu machen. "Mein Vater hat es gemacht, bis er nicht mehr konnte. Da ich bereits als Kind mitgeholfen habe, war es für mich selbstverständlich, den Hof zu übernehmen und weiterzuführen", sagt der Fatschenbrunner. 

"Unser traditionelles Handwerk war schon abgeschrieben", erzählt Hümmer. "Die Abnehmer versorgten sich mit Produkten aus dem Ausland. Die Hutzel–Bauern hier gaben nach und nach auf." Der Hof seines Vaters konnte sich durch Lieferungen an kleine Bäckereien aus der Umgebung halten.

"Unser traditionelles Handwerk war schon abgeschrieben. Die Abnehmer versorgten sich mit Produkten aus dem Ausland"
Franz Hümmer, Besitzer des Hutzelhofs

Mittlerweile erfreut sich das Trockenobst wieder größerer Beliebtheit. Und so finden sich genug Abnehmer der in Fatschenbrunn produzierten Hutzeln. Franz Hümmer vertreibt seine Dörrbirnen über den eigenen kleinen Hofladen und inzwischen auch über das Internet. Hierdurch erreicht er auch ein überregionales Publikum, erzählt er.

Totholz aus den umliegenden Wäldern für Herstellung  

Die Auszeichnung des bayerischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bezieht sich auch auf eine nachhaltige Nutzung von Streuobst und Streuobstwiesen. Was also macht Hutzeln so nachhaltig?

Zunächst sei hier die vollständige Verwertung der Birnen anzumerken, da das Obst während des Verarbeitungsvorgangs mit Stumpf und Stiel in eine Hutzel verwandelt wird, sagt Franz Hümmer. Bis auf den Stiel können nach der Herstellung alle Bestandteile der Birne verspeist werden. So werden die Kerne beispielsweise während der Trocknung weich und können ganz einfach mitgegessen werden.

Über 30 verschiedene Sorten Birnen wachsen rund um Fatschenbrunn.
Foto: Lorenz Thomas | Über 30 verschiedene Sorten Birnen wachsen rund um Fatschenbrunn.

Die Birnen sind nach dem Trocknungsvorgang gut konserviert und halten sich lange. "Hier wird kein Obst weggeworfen!", betont Hümmer. "Birnen, welche wir nicht zu Hutzel verarbeiten können, werden zu Birnenbrand gemacht". Das für die Herstellung benötige Holz kommt aus den umliegenden Wäldern Fatschenbrunns und ist Totholz. "Wir lassen dem Wald aber auch genug übrig", fügt der Rentner an.

Baumfeldkultur als Vorbild für nachhaltige Landwirtschaft

Die für die Produktion verwendeten Birnen entstammen über 30 verschiedenen Sorten und wachsen auf den Baumfeldern und Streuobstwiesen rund um Fatschenbrunn. "Die Baumfeldkultur ist ein Vorbild für nachhaltige Landwirtschaft", stellt Hümmer fest. Baumfelder bestehen aus zwei Etagen: Oben das Obst, darunter ist Platz, um Getreide, Kartoffeln oder Ähnliches anzubauen. So entsteht der Vorteil der zweifachen Nutzung von Anbaugebieten. Baumfelder waren früher weit verbreitet, wurden aber durch immer größer werdende landwirtschaftliche Maschinen unpraktisch und somit im Zuge der Flurbereinigung größtenteils abgeschafft. 

Eine Streuobstwiese am Rande von Fatschenbrunn: Birnbäume wurzeln tief, was sie gegen Trockenheit beständiger macht.
Foto: Lorenz Thomas | Eine Streuobstwiese am Rande von Fatschenbrunn: Birnbäume wurzeln tief, was sie gegen Trockenheit beständiger macht.

Die Dorfgemeinschaft in Fatschenbrunn beteiligt sich an der Hutzel–Tradition des Ortes. So darf Franz Hümmer auch die Birnbäume abernten, die nicht ihm gehören. Leute aus der Umgebung kommen ebenfalls und bringen ihm Birnen aus ihren privaten Gärten vorbei, für die sie keine Verwendung haben. Im Gegenzug bedankt sich Hümmer mit einem Anteil an Hutzeln.

Hutzeln weißen ein Wassergehalt zwischen 15 und 25  Prozent auf.
Foto: Lorenz Thomas | Hutzeln weißen ein Wassergehalt zwischen 15 und 25  Prozent auf.

Sorge vor dem Klimawandel

"Die Qualität der Birnen ist in diesem Jahr schlechter, wir hatten hier fast keinen Regen. Dadurch gehen die Obstbäume natürlich ein", berichtet der Hutzelhof–Besitzer. "Neu gepflanzte Bäume musste ich wöchentlich bewässern. Die älteren Bäume einmal im Monat:" Zwar würden Birnbäume tief wurzeln, was sie gegen Trockenheit beständiger macht. Dennoch mache er sich Sorgen, dass wegen des Klimawandels die Bäume und somit auch die Hutzel–Kultur in Fatschenbrunn ausstirbt.

Was sind Hutzeln und wie werden sie hergestellt?

Hutzeln sind Dörrbirnen, sie werden mit Stumpf und Stiel in einer Holzofendärre drei bis fünf Tage bei circa 60 Grad Celsius getrocknet. Hierbei kommen sie nie mit Feuer oder Rauch in Berührung, sondern werden nur durch die Hitze schonend getrocknet.  Zwischendurch muss Franz Hümmer bereits fertige Hutzeln aussortieren oder die Gittergestelle, auf denen die Birnen trocknen, in der Höhe verschieben, um die perfekte Konsistenz zu erreichen. Außerdem muss er darauf achten, dass die Temperatur in der Därre bei konstant bei 60 Grad bleibt. Zu hohe Temperaturen würden den Birnen schaden. Damit der Ofen nicht auskühlt, muss Hümmer alle fünf Stunden Holz nachlegen. So bleiben am Ende der Prozedur der natürliche Geschmack und 80 Prozent der Vitamine erhalten.
Am 3. Oktober 2022 öffnet der Hutzelhof–Hümmer in Fatschenbrunn seine Tore für das Hutzel–Fest. Besucherinnen und Besucher erhalten Führungen über den Hof und Einblicke in die Herstellung von Hutzeln. 
Quelle: Franz Hümmer
 
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