Farbige Maskerade und lebhafte Umzüge kennzeichnen seit Jahrhunderten den Karneval. Schon 1890 wurde in Hofheim eine bedeutende Faschingsveranstaltung durchgeführt und so fanden es Bürger fast zwanzig Jahre später an der Zeit, in einer karnevalistischen Sitzung einen Verein "Humor" zu gründen. Dieser plante die Durchführung eines großen Maskenzuges wie es Hofheim bis dahin noch nicht gesehen hatte.
Dank dem unermüdlichen Schaffen des Komitees gingen die Vorarbeiten gut voran und im ganzen Haßgau und darüber hinaus war der bevorstehende Maskenzug Tagesgespräch. In ganz Hofheim und Umgebung fanden sich Plakate, die auf das kommende karnevalistische Spektakel hinwiesen, um möglichst viele Besucher anzulocken. Zum Maskenzug wurden höflichst vom "Carnevalverein Humor, Hofheim" eingeladen: Alle Onkel und Tanten, Vetter und Basen und Bäsli, Kinder und Kindskinder, Todavetter, Schwiegerväter und Schwiegermütter, sämtliche Haßgauner und die ganze Freundschaft von Hofheim und Umgebung.
Die Erwartungen wurden übertroffen
Bedeutend mehr Besucher als man erhofft hatte, waren am Faschingsdienstag, vor 113 Jahren in der Innenstadt von Hofheim unterwegs und alle Erwartungen wurden übertroffen und gingen in Erfüllung. Der "Bote vom Haßgau" berichtete, dass sich eine ungeheure Anzahl von Fremden eingefunden hat, wie sie Hofheim lange nicht mehr gesehen hatte. Von allen Richtungen strömten die Menschen in die Innenstadt. Schon in den Vormittagsstunden bewegten sich abwechselnd verschiedene Maskeraden durch die Straßen der Stadt.
Von Richtung Lendershausen vernahm man Kanonendonner und lebhaftes Gewehrfeuer. Hunderte Menschen postierten sich auf der Lendershäuser Straße, um die Gefechte sowie die Gefangennahme der dort lagernden Hereros anzusehen. Nach mehr als einstündigem Gefecht wurden die Hereros gefangen genommen und von den Truppen des Prinzen Karneval auf den Marktplatz gebracht. Um 11.30 Uhr fand Parademusik zu Ehren des Prinzen und der Prinzessin Karneval statt.
Der Maskenzug begann
Kurz nach 14 Uhr setzte sich auf der Goßmannsdorfer Straße der arrangierte Maskenzug in Bewegung. Eröffnet wurde dieser von fünf Herolden, diesen folgten in einem Prachtsalonwagen ihre närrischen Hoheiten Prinz und Prinzessin Karneval mit Hofstaat, eskortiert von der Leibgarde, Clowns, in einer vornehmen Kutsche die Hofdamen.
Es folgten kostümiert mit Anspielungen auf die Ereignisse der damaligen Zeit: in einem Einspänner die Gräfin von Pluto, die Musikkapelle, der 1. Hofheimer Viktualienmarkt (arrangiert vom Turnverein Hofheim), eine Schar lustiger Tiroler (verkörpert durch den Athletenklub Hofheim), die Hofheimer Waschanstalt (arrangiert vom Turnverein Hofheim), ein Zigeunerwagen, Räuber, die Hofheimer Marktbärbel, die bei den vormittägigen Gefechten gefangen genommenen Hereros, Häuptling Maherero und Stab, Gruppen verschiedener Vereine, Befürworter und Gegner der Hofheimer Wasserleitung, dahinter eine deutschamerikanische Schar junger Leute und zum Abschluss des farbenprächtigen Zuges in einem "Auto", bespannt von ein paar Kühen das närrische Komitee.
Der Zug bewegte sich durch alle Straßen der Stadt und nahm dann auf dem Marktplatz Aufstellung. Laut historischen Aufzeichnungen entbot, von einem hohen Podest herab, seine närrische Hoheit, der Gebieter des Reiches, den Willkommensgruß und die Versicherung närrischer Huld in einer von feiner Satire gewürzten Thronrede.
Beim Kronenwirt ging es weiter
Bei "Herrn Günther" im Kronensaal wurden hierauf die Festlichkeiten mit einem großen asiatisch-afrikanisch-amerikanisch-australischen Ball fortgeführt. In den Pausen gab es Sauerkraut und Bratwürste. Als Höhepunkt des Abends erfolgte die Prämierung der schönsten Masken mit einer Flasche Sekt, wobei der Hottentottenführer Morenga und ihre närrische Hoheit Prinzessin Karneval die ersten Plätze einnahmen. So fand in Hofheim, vor nunmehr 113 Jahren, dieser ereignisreiche Tag einen humoristischen und gemütlichen Abschluss.
Seit Jahrhunderten wurden und werden in Maskenumzügen politische oder religiöse Zusammenhänge bildhaft dargestellt. Die Narren waren einst die Kritiker der Gesellschaft. Masken und Verkleidungen standen dabei in Bezug zu politischen, religiösen oder alltäglichen Situationen und agierten als Ventil der Stimmungslage.
Weltpolitik wurde beim Maskenzug aufgegriffen
Als der Maskenzug in Hofheim 1908 stattfand und der Herero-Aufstand dargestellt wurde, der vier Jahre zuvor blutig endete, war das Wilhelminische Deutschland gekennzeichnet durch den Drang nach politischem und wirtschaftlichem Einfluss in der Welt.
Die Hereros, die schwer unter der Willkür einzelner weißer Siedler zu leiden hatten, baten den Gouverneur Theodor Leutwein, kein Land mehr an Kolonisten zu verkaufen und ein Hereroreservat zu errichten. Das geschah nicht. So kam es im Oktober 1903 im Süden der Kolonie zu einem Aufstand der Bondelzwart-Hottentotten, die Warmbad belagerten. Am 12. Januar 1904 in Okahandja erhoben sich die Hereros unter Führung des Häuptlings Samuel Maherero. Der Aufstand erfasste innerhalb weniger Tage das gesamte Hererogebiet und endete auf grausame Weise mit dem Untergang des Stammes.
Politische Themen aus Hofheim beim Maskenzug
Zur Darstellung der damals aktuell örtlichen Situation hatte der Turnverein einen Weg gefunden, indem er im Umzug, ein Marktgeschehen darstellte. Ursache war, dass auf dem Hofheimer Marktplatz der 1. Viktualienmarkt stattgefunden hatte, der sich außerordentlich gut bewährte und deshalb der Wunsch bestand, dass weitere Viktualienmärkte folgen.
Ebenso brennend war die Frage nach einer Wasserleitung in Hofheim. Es gab Fürsprecher für die weitere Nutzung der acht öffentlichen Brunnen im Stadtkern und Befürworter für den Bau einer Wasserleitung.