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KLEINSTEINACH
Familie pflegt jüdischen Friedhof
Uta Albert und ihre Familie kümmern sich um den jüdischen Friedhof in Kleinsteinach. Dreimal im Jahr muss beispielsweise gemäht werden. Aber auch sonst gibt es allerhand zu tun.
Im Tahara-Haus: Hier wurden die Verstorbenen für die ewige Ruhe vorbereitet. Links im Bild der Waschtisch.FOTO: Beate Dahinten
| Im Tahara-Haus: Hier wurden die Verstorbenen für die ewige Ruhe vorbereitet. Links im Bild der Waschtisch.FOTO: Beate Dahinten
Von unserer Mitarbeiterin Beate Dahinten
 |  aktualisiert: 11.09.2014 09:59 Uhr

Einen jüdischen Friedhof zu pflegen, das heißt mehr als nur Gras mähen – in vielerlei Hinsicht. Um einen der größten im Landkreis Haßberge kümmert sich Uta Albert zusammen mit Ehemann Karl und Sohn Jürgen. Über 12 000 Quadratmeter umfasst der ehemalige Zentralfriedhof für den Haßfurter Bereich in Kleinsteinach.

Das Gerät neben dem schwarzen Grabstein hat gerade Pause. Es sieht ein bisschen aus wie ein Rasenmäher, dient aber zum Mulchen. In den unebenen und unterschiedlich breiten Reihen zwischen den Gräbern im neueren Teil leistet der Mulcher wertvolle Dienste, zumal er sich dank der großen Räder gut steuern lässt. Auf den freien Flächen kommt der familieneigene Traktor zum Einsatz. Mindestens dreimal jährlich wird hier oben gemäht respektive gemulcht. Einmal weniger weiter unten im älteren Teil des Friedhofs, wo mit der Zeit ganz von selbst ein kleiner Wald hochgewachsen ist. Dort ist die Motorsense gefragt.

Mit einer Sense, allerdings ohne Motor, haben die Vorvorgänger der Familie Albert seinerzeit den ganzen Friedhof gemäht. Eine Leistung, die Uta Albert großen Respekt abnötigt. Bei aller Erleichterung durch den technischen Fortschritt bedeutet es aber immer noch einiges an Arbeit, das große Areal zu pflegen. Vor zwölf Jahren haben sie und ihre beiden Männer diese Aufgabe von Hans Rieger übernommen – ohne zu wissen, was alles dranhängt. „Ein paar mal haben wir überlegt, wieder aufzuhören, aber wenn man's mal angefangen hat macht man's weiter“, erzählt Uta Albert. Sie selbst habe sich schon immer für das jüdische Leben am Ort, für die jüdische Kultur interessiert. „Wir haben in einem ehemaligen jüdischen Haus gewohnt. Meine Oma hat viel von früher erzählt, auch mein Vater und meine Tante.“

Den Friedhof für die nächste Generation zu erhalten ist ein Beweggrund für Uta Albert, die auch im örtlichen Arbeitskreis jüdische Geschichte aktiv ist. Es geht ihr weniger um das Leid, das die Nazis verursacht haben. Vielmehr möchte sie vermitteln, dass und wie Menschen jüdischen Glaubens hier gelebt haben. Davon erzählt sie, wenn Kinder und Jugendliche kommen. Schulklassen zum Beispiel aus dem Schullandheim in Reichmannshausen. Ein Beleg für die Integration: Auf dem Kriegerdenkmal in der Ortsmitte, das an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnert, stehen auch die Namen einiger jüdischer Mitbürger. „Da waren sie noch Deutsche – und dann war's vorbei“, sagt Uta Albert mit deutlichem Missfallen.

Inzwischen hat sich das Bewusstsein glücklicherweise wieder verändert. Die Spuren jüdischen Lebens sollen erhalten und für eine breite Öffentlichkeit erschlossen werden. In Kleinsteinach steht dabei unter anderem natürlich der jüdische Friedhof im Blickpunkt. Der Hebräischlehrer Detlef Müller aus Berlin ist dieser Tage wieder vor Ort, um die Inschriften auf den Grabsteinen zu entziffern und zu übersetzen. „Wenn man weiß, was dort steht, ist das sehr interessant“, sagt Uta Albert. Auf den Grabsteinen sei beschrieben, wie die Verstorbenen im Leben gewesen seien. Auch deshalb findet sie es schade, dass manche Steine schon sehr verwittert und nicht mehr zu retten sind. Wenn der Winter vorbei ist, berichtet sie, sei der Zahn der Zeit besonders deutlich zu erkennen. Andere Steine sind komplett versunken, unsichtbar unter Laub und Moos. Etwas Enttäuschung spricht aus ihren Worten, aber auch die Verbundenheit mit dem Friedhof und mit ihrer Aufgabe. „Man entdeckt immer was Neues“, sagt sie beim Gang durch die Reihen. Ein schönes Ornament, ein Blumenmuster, einen Vogel oder ein anderes Symbol. Eigentlich ist jeder Stein ein bisschen anders. Manche haben mal ein neues Fundament bekommen, bei anderen wurde die Inschrift nachgezogen.

Und es wird darauf geachtet, dass keine Grabsteine umfallen. Das gehört zu den Aufgaben von Uta Albert. Schräg stehende Exemplare unterzieht sie der „Rüttelprobe“. Sind sie locker, bekommen sie mit etwas Erde wieder festen Halt. Der Baumbestand im unteren Teil des Friedhofs wird ebenfalls immer wieder kontrolliert, vor allem nach einem Sturm. Einmal im Jahr schaut der örtliche Förster vorbei, auch um bei Bedarf etwas gegen Schädlinge zu unternehmen. Niedrige Zweige oder morsche Äste müssen beseitigt werden. So gesehen bedeuten die Bäume mehr Aufwand. Aber sie bieten auch Schutz vor der Witterung: Manche Grabsteine hier unten sind besser erhalten als andere im neueren Teil.

Das kleine weiße Gebäude in der südöstlichsten Ecke ist vom Haupteingang aus nicht zu sehen. Im Taharah-Haus wurden die Verstorbenen für die ewige Ruhe vorbereitet. An dem kleinen Tor daneben endet der Weg, den der Trauerzug vom Dorf herauf genommen hat. Über diesen „Begräbnisweg“ sollen nach dem neuen Konzept die Besucher zum Friedhof gelangen. Im Taharah-Haus sollen Schautafeln aufgestellt werden. Da kommen unruhige Zeiten zu auf die Hornissen, die sich in einem der Fenster eingenistet haben. Bislang wagt sich Uta Albert da noch nicht ran. Außerdem steht jetzt erst mal der Tag des offenen Denkmals an.

Erhalten oder verfallen lassen?

Gegen den Verfall von Grabsteinen auf jüdischen Friedhöfen wird nur in begrenztem Umfang etwas unternommen. Das hat zum einen finanzielle Gründe, zum anderen hängt es mit der jüdischen Friedhofskultur zusammen, wie David Kurz vom Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern erläutert.

Als Eigentümer der 112 geschlossenen jüdischen Friedhöfe im Freistaat versuche der Verband einen Mittelweg zu gehen zwischen den zwei Linien des jüdischen Gesetzes, zwischen „alles renovieren“ und „alles der Natur überlassen“, auch damit Grabsteine zu Dokumentationszwecken erhalten bleiben.

Versunkene Steine auszugraben und herauszuholen, sei aus religiösen Gründen problematisch: „Ich darf auf dem Friedhof nicht graben.“ Zudem sei es ein Stück Leben des Friedhofs, dass Steine versinken. Kurz verweist darauf, dass jüdische Friedhöfe für immer bestehen. Deshalb „können gewisse Dinge nicht so erhalten werden wie bei zeitlich begrenzten Friedhöfen“. Am Sonntag, 14. September, ist der jüdische Friedhof in Kleinsteinach von 11 bis 18 Uhr zugänglich. Um 14 Uhr gibt es eine Führung durch Israel Schwierz und Thomas Schindler mit Informationen zum Baudenkmal und zum Thema „Frauen im Judentum“ im Rahmen des „europäischen Tags der jüdischen Kultur“. BD

Verwitterte Grabsteine: Hier ist nichts mehr zu retten.FOTO: Beate Dahinten
| Verwitterte Grabsteine: Hier ist nichts mehr zu retten.FOTO: Beate Dahinten
 
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