
Ob dieser handelsübliche original Hamburger die Ausstellungsdauer übersteht? Kristin Knebel lächelt verschmitzt, als sie dieses sicher bald anrüchige Exponat in die Vitrine stellt. Die Direktorin der Museen der Stadt Bamberg ist sich sicher, dass die künftigen Besucherinnen und Besucher dieser Ausstellung in der Sammlung Ludwig im Alten Rathaus fasziniert sein werden von einer Geschichte der größten privaten Porzellansammlung Europas, die "Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein" vom 28. April bis 26. November 2023 komplett neu erzählt. Nämlich unter der Frage, wie "echt" unser Essen damals und heute war und ist. Wie nachhaltig und kulturell geprägt unsere Ernährung ist. Und zwar im Zeitalter von "gefaktem" Essen, in dem Erdbeergeschmack durch Schimmelpilzkulturen entsteht, Superfood aus der Tube kommt, und die Bio-Kartoffel mit großem CO2-Fußabdruck aus Ägypten importiert wird.

War es früher besser? Zumindest nicht auf den Tafeln der europäischen Fürstenhöfe des 18. Jahrhunderts, die sich mit "Fake Food" als reine Augenlust und ästhetische Luxusspielerei übertrumpften. Aus dem rund 600 Objekte umfassenden Konvolut der Sammlung Ludwig Bamberg haben die Kuratorinnen 50 sogenannte "Schaugerichte" ausgewählt, die überwiegend bisher im Museumsdepot lagerten und jetzt erstmals öffentlich gezeigt werden. Diese naturgetreuen Imitationen von Speisen sind Hauptwerke des europäischen Porzellans, vor allem aus Meißen, sowie Fayencen aus Straßburg. Während exotische Oliven, appetitlich angerichtete Salatherzen oder Spargel aus Porzellan täuschend echt zum Anbeißen verlocken, erfreuen dekorative Terrinen in Gestalt von Truthahn oder Enten das Auge. Die Besitzer dieser Kostbarkeiten konnten das Schöne mit dem Nützlichen Verbinden und Schnepfenragout oder Taubenpastete darin servieren.
Verblüffend echt wirken auch die Fischterrinen, die in der Ausstellung auf den Themenkomplex "Speisetabus in den Religionen" verweist. Den Katholiken war zum Beispiel an Freitagen, im Advent und in der Fastenzeit vor Ostern Fleisch von Säugetieren und Vögeln verboten. Das von der Kirche angeordnete Fasten führte zu allerhand Spitzfindigkeiten und Ausnahmeregelungen. Zunächst wichen ganz Findige auf Fische aus. Später gingen sie noch weiter: Alles, was im Wasser lebte, zählte zu den erlaubten Fischen – sogar Schildkröten! Entsprechende Terrinen mit kunstvollen Schnecken als Knauf am Deckel künden davon.
Mit modernster Technik ins Barock-Zeitalter
Modernste Kommunikationstechnik katapultiert den Ausstellungsbesucher in die Gegenwart: Videos, Hörstationen, Installationen sowie eine Social-Media-Plattform ermöglichen Interaktion und Weiterdenken. Im Zentrum steht eine aufwändige Virtual Reality-Anwendung: Mit VR-Brille werden die Gäste an eine mit Fürstenberger Porzellan und Silberbesteck prachtvoll dekorierte Festtafel versetzt, wie sie im Barock-Zeitalter üblich war. Ohne VR-Brille entpuppt sich der Esstisch als zeitgenössisch: Besucher können im Teller Videos sehen und Bilder des eigenen Gerichts nicht mehr nur mit dem Gegenüber, sondern über das Smartphone auch mit einer großen Community teilen.
Und es darf in diesem Museum sogar genascht werden! "Allein von Aussehen und Farbe einer Speise schließen wir auf einen bestimmten Geschmack: Süßes oder Saures?", erläutert Museumsdirektorin Kristin Knebel diese knallbunte Station, in der "Jelly Beans", die kleinen bohnenförmigen Süßigkeiten aus Gelee und Zucker, ausgefallene Geschmacksrichtungen vorgeben. Dann schmeckt Rosa nicht etwa süß und Gelb nicht sauer: typisch gefaked also.

Sogar an die jüngsten Museumsfans ist in der Sammlung Ludwig Bamberg gedacht: Während sich die Eltern bequem auf dem Sofa einen Videofilm anschauen, können Kinder in Bilderbüchern zum Thema Essen stöbern. Oder spielerisch lernen, in welcher Jahreszeit regionales Obst und Gemüse reif sind.
Natur auf dem Tisch spiegelt sich im 18. Jahrhundert in der Dekoration der Speisetafel wider. Das Lebensgefühl der aristokratischen Gesellschaften wollte der Natur, den Gärten näher sein, um sich von der steifen Hofetikette zu erholen. Der Festsaal war als ländliche Idylle mit Brunnen und Wasserspielen gestaltet, auf den gedeckten Tisch holte man (Porzellan-)Tiere und Blumen. Die damalige Vorliebe für die Natur verschmilzt mit dem heutigen Umweltbewusstsein. Auch das bringt die Ausstellung "Essen zwischen Schein und Sein" eindrucksvoll in ihrer Präsentation von Überraschungseffekten zum Ausdruck.
Die Ausstellung "Fake Food. Essen zwischen Schein und Sein" ist bis 26. November in der Sammlung Ludwig Bamberg, Altes Rathaus, Obere Brücke 1, in Bamberg zu sehen. Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10 bis 18 Uhr.