Das Projektil, das Janina tödlich traf, war kein Querschläger. Es war ein direkter Schuss, den jemand an Neujahr 2016 gegen 1 Uhr in Unterschleichach (Lkr. Haßberge) auf die Elfjährige abgefeuert hat. Zu diesem Ergebnis kommt ein Ballistik-Experte, der am Mittwoch als Gutachter im Mordprozess vor dem Landgericht in Bamberg aussagte. Und noch eine Erkenntnis brachte der zweite Verhandlungstag, an dem vor allem Fachleute das Wort hatten: Das Mädchen hatte keine realistische Überlebenschance.
Zu dieser Erkenntnis gelangte der Würzburger Rechtsmediziner Michael Bohnert, der den Leichnam des Kindes noch am Todestag untersucht hat. Das Opfer habe den Schuss nicht bewusst wahrnehmen können und sei plötzlich kollabiert. Das Mädchen habe das Bewusstsein nie mehr erlangt, sagte der Mediziner vor dem Schwurgericht. Sein Gehirn sei so schwer verletzt gewesen, dass der Tod zwangsläufig eintreten musste. „Das war mit ärztlichen Mitteln nicht zu beherrschen“, stellte Bohnert fest. Rettungskräfte und Ärzte, die um Janinas Leben gekämpft hatten, waren machtlos.
Projektil steckte im Felsenbein
Das Projektil war laut Zeugenaussage eines Arztes des Leopoldina-Krankenhauses in Schweinfurt, in dem Janina noch in der Nacht notoperiert worden war, sehr tief in den Kopf vorgedrungen. Beinahe hätte es den Schädel durchschlagen. Auf den Aufnahmen eines Computertomografen entdeckten die Ärzte einen weißen Flecken im Felsenbein, einem Knochen unterhalb des rechten Ohrs. Darin erkannten sie einen ersten Hinweis auf eine Schussverletzung. Das Bleiprojektil blieb in dem Knochen stecken, nachdem es in der linken unteren Hälfte des Hinterkopfs die Schädeldecke durchschlagen hatte. Auch nach der Operation musste das Kind laut des Arztes reanimiert werden. Um 7.12 Uhr stellten die Mediziner den Tod fest.
Der mittlerweile 54-jährige Angeklagte, der am Dienstag im Gerichtssaal kein Wort sagte, behauptet, nicht gezielt auf Menschen, sondern in einen Wald geschossen zu haben. Im Widerspruch hierzu steht die Aussage von Beat Kneubuehl. Der Schweizer Ballistik-Experte hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft das Geschoss untersucht, das in Janinas Kopf steckte. Aus seiner Sicht steht zweifelsfrei fest, dass ein direkter, gezielter Schuss das Mädchen traf. Er beruft sich dabei maßgeblich auf zwei Umstände: Bei einem Querschläger wäre das Einschussloch in der Schädeldecke ausgefranst – was hier nicht der Fall ist. Und das mehrfach deformierte Geschoss weißt ein Muster auf, das für den Fachmann einen Aufprall auf einen weiteren Gegenstand ausschließt. Wäre es vor dem Kopf anderswo abgeprallt, wäre die Flugbahn anders verlaufen. „Das ist nicht mein erster solcher Fall“, antwortete der Gutachter auf die Frage des Vorsitzenden Richters Manfred Schmidt, wie sicher er mit seinem Ergebnis ist.
Ob eine Verfärbung auf der Kapuze von Janinas Jacke von dem Projektil stammt, das diese tödlich getroffen hat, oder ob eventuell von einem weiteren Geschoss, das den Stoff gestreift hat, konnte der Ballistiker nicht sicher sagen.
Hülsen steckten sicher im Revolver
Auf dem Projektil aus Janinas Kopf stellte Dieter Stiefel, Waffeningenieur des Landeskriminalamts (LKA) in München, kein organisches Material fest, das nicht von der Toten, sondern beispielsweise von einer Baumrinde stammt – was ein Hinweis auf einen Abpraller wäre. Dass das Projektil aus dem Revolver des Angeklagten abgefeuert wurde, ist für ihn nicht zweifelsfrei zu beweisen. Die in einem Aschekasten im Haus des Angeklagten gefundenen fünf Patronenhülsen steckten laut Stiefel jedoch eindeutig in der sichergestellten und nach der Schussabgabe frisch geölten Kleinkaliberwaffe des 54-Jährigen. Um mit dem Revolver bei durchgezogenem Hahn zielsicher zu schießen, muss ein Schütze regelmäßig üben, meinte der LKA-Experte. Sollte der Angeklagte, wie er angibt, mit der Schusshand zittern, dürfte dies die Treffgenauigkeit mindern.
Am Mittwochnachmittag besahen die Prozessbeteiligten nach Einbruch der Dunkelheit den Tatort in Unterschleichach, um Aufschluss über einen möglichen Standort des Schützen sowie des Opfers zu gewinnen.