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KÖNIGSBERG
Exklave Königsberg: Eine Insel aus acht Orten
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Gerold Snater
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:47 Uhr

Bayern oder Thüringen – welchem Land sollte man sich anschließen? Vor knapp 100 Jahren standen die Königsberger vor dieser schicksalsschweren Entscheidung. Von bayerischen Ländereien umschlossen, bildeten Stadt und Amt Königsberg damals eine Exklave des Doppel-Herzogtums Sachsen-Coburg mit Sachsen-Gotha. Mit Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 zerbrachen die Monarchien in Deutschland. Kaiser Wilhelm II. wurde abgesetzt, das Kaiserreich wurde zur Republik. Auch die kleinen Monarchien wurden unhaltbar.

Gerade die kleinen sächsisch-thüringischen Herzogtümer waren überdies, wegen der düsteren wirtschaftlichen Lage, kaum überlebensfähig. Bald, nachdem die sächsischen Monarchen durch Soldatenräte abgesetzt worden waren, standen diese Staaten vor der Selbstauflösung. Dies sollte auch weitreichende Folgen auf Königsberg haben, denn durch den bevorstehenden Anschluss an einen größeren Staat stand fest, dass die exponierte Stellung, die die Stadt über 500 Jahr lang einnahm, verloren gehen würde.

Im Jahr 1400 war das Amt Königsberg vom Hochstift Würzburg an den Landgrafen von Thüringen verkauft worden. Die Stadt wurde zur thüringischen Exklave, umringt von fremden Gebieten. Die sächsischen Besitzungen Erlsdorf – zeitweise Westheim, später auch Nassach – bildeten ebenso vom Mutterland abgesprengte Teile. Auch wenn Königsberg im Lauf der Geschichte oft zwischen den sächsischen Fürsten hin- und hergeschoben wurde, bildete sich bei den Königsbergern ein Selbstverständnis aus: Räumlich getrennt von der Landeshauptstadt, genoss man Freiheiten, die die umliegenden bayerischen Ländereien nicht hatten.

Dadurch, dass die sächsischen Fürsten den evangelischen Glauben propagierten, wurde Königsberg nicht nur politisch, sondern auch religiös zur Enklave – eingeschlossen von den katholischen Bistümern Würzburg und Bamberg. Die Spannungen zwischen Königsberg und den Nachbarn wuchsen und gipfelten in der fast vollständigen Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg.

Nach wiederholtem Durchzug französischer Truppen um 1800 und erneuter Besetzung, zögerte Königsberg Anfang des 19. Jahrhunderts sich ans bayerische Straßennetz anzuschließen. So baute Bayern zwischen Haßfurt und Hofheim die Riedstraße aus – an Königsberg vorbei. Als 1892 die Lokalbahn zwischen Haßfurt und Hofheim errichtet wurde, konnte man sich wenigstens diesmal einen Anschluss erkaufen.

Den letzten Herrscherwechsel unter den sächsischen Herzögen erfuhr Königsberg 1826 als das damals zu Sachsen-Hildburghausen gehörende Amt an Sachsen-Coburg und -Gotha fiel. Im Zug dieser Übergabe ereignete sich eine kurze, amüsante Episode, denn es wurde schlicht vergessen, das abgelegene Nassach einem Staat zuzuweisen. Erst im folgenden Jahr wurde das Dorf wieder dem Amt Königsberg unterstellt – bis dahin war Nassach für kurze Zeit faktisch staatenlos.

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, machte sich Königsberg einen Namen als Schmugglerparadies. Die relativ gute Lebensmittelsituation zog die Städter aus dem Umland ins ländliche Königsberg, um sich mit günstigen Lebensmitteln einzudecken. Ebenso blühte der Schleichhandel. Auf dem kaiserlichen Postamt war eine Kontrolle von Paketen nicht vorgesehen. Dort aufgegebene Pakete durften im benachbarten Bayern von Amts wegen nicht geöffnet werden. Die Postsendungen wurden immer größer und schwerer, so dass die täglich zu verschickenden Pakete mitunter ein Gesamtgewicht von einer Tonne annahmen bis sich die Stadtverwaltung doch zu Kontrollen genötigt sah.

Mit Kriegsende stand das Ende der exponierten Königsberger Stellung fest. Per Volksabstimmung wurde im Gebiet Sachsen-Coburgs die Frage gestellt, ob sich das in Auflösung befindliche Herzogtum mit weiteren sächsisch-thüringischen Herzogtümern zu einem thüringischen Land zusammenschließen solle. Ein „Nein“ würde als Zustimmung zu einem Anschluss an Bayern gewertet werden. Das Ergebnis war eindeutig: Fast 90 Prozent stimmten gegen Thüringen. Mit 301 : 22 Stimmen gegen Thüringen war das Ergebnis auch in Königsberg eindeutig.

In den Amtsdörfern war das Ergebnis ähnlich. Nur Erlsdorf und Kottenbrunn sprachen sich für Thüringen aus. Warum die Abstimmung derart deutlich ausfiel war bereits damals nicht ganz klar. Vielleicht barg die Neugründung Thüringens eine zu große Ungewissheit. Zudem mag man sich etwa vom industriell aufstrebenden Schweinfurter Wirtschaftsraum mehr versprochen haben als vom Thüringer Wald.

Nicht zuletzt schien es eine kulturelle Abstimmung gewesen zu sein. Die Bürger des Coburger Lands sahen sich ihren Wurzeln nach mehr als Franken, denn als Sachsen oder Thüringer. Augenzwinkernd wird erzählt, dass man in Königsberg vielleicht auch wegen des wohlschmeckenden Biers, welches im bayerischen Unfinden – gleich hinter der Staatsgrenze – gebraut wurde, von Bayern so angetan war.

Schon zuvor vom Coburger Mutterland zunehmend außen vor gelassen, stand für Königsberg fest, dass durch die zum 1. Juli 1920 vollzogene bayerische Eingliederung und die Beseitigung des Exklaven-Status' ein weiterer Bedeutungsverfall bevorstand. Unterstand man als kreisfreie Stadt vormals direkt dem Innenministerium von Sachsen-Coburg und -Gotha, so verlor Königsberg diesen Sonderstatus und wurde dem Landkreis Hofheim unterstellt.

Bereits im Jahr 1358 hatte Königsberg die selbstständige Gerichtsbarkeit zugesprochen erhalten; infolge des Staatsvertrags zwischen Coburg und Bayern wurde zum 1. April 1925 auch das Königsberger Amtsgericht aufgelöst. Ebenso ging die evangelische Superintendentur verloren – Königsberg wurde zur Pfarrei herabgestuft und dem Dekanat Rügheim zugewiesen.

Immerhin blieben die Rechte der Städtischen Sparkasse unberührt. Als eines der wichtigsten Geldinstitute der Region konnte diese ihr weitverzweigtes Geschäftsstellennetz weiter betreiben, was eine wichtige Voraussetzung dafür war, dass Königsberg noch heute im Zweckverband der Sparkasse Ostunterfranken eine tragende Rolle einnimmt.

Für das aufgelöste Amtsgericht wurde das Forstamt in Königsberg installiert. 1973 wurde es jedoch zu einer Zweigstelle herabgestuft, die schließlich auch noch verschwand.

Im Zuge der 1978 abgeschlossenen Gemeindegebietsreform fanden die ehemaligen Amtsdörfer wieder zusammen, so dass unter Zugewinn von Unfinden, Hofstetten, Bühl, Junkersdorf, Holzhausen und Römershofen im wesentlichen die ehemalige sächsische Enklave durch die heutigen Stadtgrenzen wiedergegeben wird. Was mit Königsberg, Hellingen, Altershausen, Köslau, Kottenbrunn, Dörflis, Nassach und Erlsdorf geschehen wäre, hätte das ehemalige Sachsen-Coburg für den Anschluss an Thüringen votiert, ist eine theoretische, aber angesichts der Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg interessante Frage. Immerhin hätte dadurch theoretisch die Möglichkeit bestanden, dass diese Ortschaften als Teile der DDR erneut zu Exklaven geworden wären.

Mit einem Ergebnis der Angliederung sind viele Königsberger heute noch besonders unzufrieden, nannte doch die Stadt ihren Namenszusatz „in Franken“ um zu „in Bayern“. Zwar hatte dies der Stadtrat selbst beschlossen, um postalische Verwechslungen auszuschließen, böse Zungen vermuten dahinter jedoch noch heute bayerischer Siegerjustiz.

Auch wenn die regionale Sonderrolle Königsbergs seit 90 Jahren Geschichte ist, so ist bis heute zumindest die stolze Erinnerung an diesen Status in Königsberg nicht verblasst.

 
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