
Zu einem Vortrag über die „Geschichte der Sandsteinindustrie“ hatte der Historische Verein Haßberge eingeladen. Reinhard Kulick aus Bodenheim bei Mainz, Wissenschaftler im Ruhestand, referierte ein weiteres Mal zu diesem Thema vor zahlreichen Zuhörern.
Steinreich ist das Maintal bei Eltmann, Ebelsbach, Sand und Zeil. Das ist nicht neu. Und es müsste sicher kein Professor aus Mainz kommen, um den hier lebenden Menschen davon zu berichten. Aber wenn sich ein promovierter Bauingenieur nach Ende seiner beruflichen Karriere aufmacht, den Steinen auf den Grund zu gehen und mit Hilfe ansässiger Historiker, Heimatpfleger und anderer Steinfachleute Fakten zusammenzutragen, dann stößt das offenbar auf großes Interesse.
Wie bereits vor drei Monaten in Breitbrunn (die Heimatzeitung hat berichtet) baute Kulick seinen Vortrag auf der Tatsache auf, dass Sandsteine für die regionale Entwicklung im Maintal rings um Eltmann schon sehr lange von großer Bedeutung waren. Und noch immer habe Sandstein als Werkstein eine Zukunft.
Die bereitgestellten Stühle im Veranstaltungsraum des „ritz“ reichten nicht aus, sodass der zweite Vereinsvorsitzende Thomas Schindler während seiner Begrüßung weitere Sitzgelegenheiten hereintragen ließ. Wie zuvor erläuterte Kulick die Sandsteinablagerung über Jahrmillionen und wie sich viel später daraus eine bedeutende Industrie entwickelte, widmete sich dieses Mal aber mehr der südlichen Mainseite, von wo aus die Entwicklung ursprünglich ausgegangen sei.
Der Steinbruch Hahn bei Eltmann spielte schon lange eine Rolle. Von hier wurden bereits vor Jahrhunderten Steine für den Bau des Doms nach Bamberg transportiert. Der Historiker Heinrich Weisel aus Zeil machte ergänzende Angaben, die sich auf Gespräche und Veröffentlichungen des mittlerweile verstorbenen Geologen Manfred Fürst bezogen. Fürst habe Untersuchungen in den historischen Steinbrüchen von Zeil angestellt. „Er war auch in Eltmann, unter anderem im Hahn-Steinbruch, um von dort Materialproben mitzunehmen“, gab Weisel „als Schmankerl für die Eltmanner“ bekannt und hob die Bedeutung der Eltmanner Sandsteine an diesem Abend zusätzlich hervor. „Der größte historische Bruch mit einer inzwischen fast ganz überwachsenen Abbauwand von über 300 Metern Länge findet sich südöstlich der Wallburg bei Eltmann“, fuhr Weisel fort.
Der dort gebrochene Werkstein sei erstmals an der Ostseite des im Jahr 1237 durch Bischof Ekbert geweihten, jetzigen Doms in Bamberg verbaut worden. Das Material sei als Baustein wie als Ornamentstein äußerst begehrt gewesen. Später sei das das Material wegen seiner Härte auch als Schleif- und Mahlstein verarbeitet und weltweit exportiert worden.
„Seit 1870 stieg die Nachfrage nach Produkten aus Sandstein“, ging es in Kulicks Vortrag weiter. Die Industrie habe Schleifsteine und Schleifwalzen für Holz-, Metall- und Glasschliff benötigt. „Unternehmen, Gemeinden und wohlhabende Bürger wollten ihre Verwaltungsgebäude, Kulturbauten und Villen mit hellem Sandstein schmücken“, erinnerte der Referent. „Die Region Haßberge/Steigerwald konnte diese Wünsche erfüllen, denn der weiße Sandstein aus dem Raum Eltmann und Ebelsbach sowie der grüne, der vornehmlich aus den Brüchen bei Sand und Zeil kam, besaß die geforderten materialtechnischen Eigenschaften und die gewünschten Färbungen.“ Begünstigt durch das verzweigte Eisenbahnnetz gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte die Sandsteinindustrie ihren mehrfach beschriebenen Boom.
1850 gründete Kaspar Ankenbrand in Eltmann das Familienunternehmen, das ab 1909 als Bayerische Schleifsteinwerke tätig war. 1865 folgte in Tretzendorf das Steinmetzgeschäft Conrad Vetter. „Beide Betriebe waren um 1900 die Lokalmatadore der hiesigen Steinindustrie“, sagte Kulick. Er zeigte Ankenbrand-Postkarten, die Bilder von Steinbrucharbeiten auf der Vorderseite und Angebotswerbung in mehreren Sprachen auf der Rückseite zeigten. Diese Karten seien in die ganze Welt gesandt worden und hätten so auch zum Wachsen der Eltmanner Steinindustrie beigetragen. Feinkörniger weißer Mainsandstein aus dem Steinbruch Hahn bei Eltmann war begehrt. An vielen Bauwerken im Bamberger und Coburger Raum sowie darüber hinaus ist das Material verbaut worden. Wegen seiner guten technischen Werte und seiner gleichmäßigen Struktur und Textur werde es bis heute insbesondere in der Denkmalpflege geschätzt.
Kulick nannte als Beispiele von historischen Bauten, bei denen Vetter-Steine verwendet wurden, Gebäude der ehemaligen Reichsbank in Würzburg und Danzig (heute Polen), das Armeemuseum in München sowie die Grunewaldkirche in Berlin. Er berichtete, dass das Unternehmen Vetter in einer Referenzliste von 1910 bis 1913 mehr als 450 Aufträge nannte. „Vetter hat in den Finanz- und Wirtschaftszentren gebaut“, konstatierte der Referent.
Und auf vielen seiner Baustellen habe er die Sandsteine aus dem Maintal bei Eltmann-Ebelsbach zum Einsatz gebracht. „Vetter war deutschlandweit tätig und gehörte zu den führenden Sandsteinunternehmen Deutschlands“, stellte Kulick fest. „Fast 2500 Personen haben in der hiesigen Steinindustrie gearbeitet, damit war es die größte Industrie dieser Zeit.“
Allein das Steinmetzgeschäft Vetter, der „Platzhirsch“, dessen Zentrale in Eltmann lag, habe im Jahr 1906 an die 1100 Mitarbeiter beschäftigt. Geschäftlichen Schwierigkeiten während der Weltkriege folgte eine starke Belebung nach 1945 mit wiederum prestigeträchtigen Bauwerken. „Das bekannteste ist wohl das Bundeskanzleramt in Berlin“, sagte Kulick. Es wurde mit Sandsteinplatten aus dem Steinbruch Hermannsberg bei Sand verkleidet, die das Unternehmen Vetter aus Eltmann bereit gestellt hatte. „Man muss aber gar nicht so weit gehen“, warf Kulick ein, „denn hier in der Dr.-Friedrich-Straße befindet sich ein schönes Gebäude aus dem heimischen Material, das den Kindergarten beherbergt und damit für die Stadt von öffentlicher Bedeutung ist.“
Die Frage, „Was ist geblieben?“, führte Kulick auf den Friedhof von Eltmann und dort zu den Grabstätten der Familien Ankenbrand und Vetter. Noch würden die großen Grabmale der ehemaligen Steinfürsten von ihrem einstigen Ruhm zeugen. Aber sie führten ein eher ungepflegtes Dasein, meinte er. „Kann eine Stadt wie Eltmann es sich leisten, diese Grabmale derart zu vernachlässigen?“, fragte der Referent.
Aus den Reihen der Zuhörer kam der Einwurf, dass die Diskrepanz zwischen Unternehmern und Arbeitern, die teils unter hohem Risiko geschafft hätten, wohl sehr groß gewesen sei. Eine Zuhörerin entgegnete, dass insbesondere Vetter „sozial eingestellt“ gewesen sei. Einig war man sich über die Tatsache, dass der Bekanntheitsgrad der Stadt Eltmann durch die Steinindustriellen nachhaltig befördert wurde. „Warum ist keine Straße, kein Platz, nicht mal ein Hinterhof nach Ankenbrand oder Vetter benannt?“ fragte der Wissenschaftler aus Mainz in die Eltmanner Zuhörerrunde.
Gerade Vetter habe „viele bedeutende Persönlichkeiten hergeholt.“ Beispielsweise habe Prinz Luitpold auf Vetters Veranlassung Eltmann besucht. Im Internet sind Einträge von Briefmarkensammlern zu finden, die eine „Ansichtskarten-Drucksache der Bayerischen Schleifsteinwerke Eltmann am Main vom 20.6.1912 mit einer Drei-Pfennig-Luitpold-Marke“ erwähnen. „Man sieht auf der Karte, dass es eine Knochenarbeit im Steinbruch war“, lautet ein Eintrag.
Die Vetter-Fahne wehte bis Juni 2012 am Betriebsgelände in Eltmann. Dann wurde die Produktion eingestellt, und bekanntermaßen erwarb das Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser Steinbrüche und Maschinen des aufgegebenen Unternehmens.
Kulick erhielt am Ende seines Vortags Beifall von den Zuhörern und von den Vertretern des Historischen Vereins Thomas Schindler und Klaus Kunkel ein Präsent als Dank. Vereinsmitglied Willi Lediger, der außerdem im Museumsverein mitarbeitet, zeigte Bildmaterial. Mehrere Personen wandten sich an Kulick, um persönliches Wissen über den Sandsteinabbau auszutauschen. Elmar Rippstein aus Sand, der an der Sander Geschichte sehr interessiert ist und im vergangenen Jahr beim „Dorfjubiläum 875 Jahre Sand“ eine Ausstellung organisierte, tauschte mit Weisel Informationen aus.


