zurück
Augsfeld
"Es ist das Beste, wenn das Tier in der Nähe seiner Herde stirbt": Rinderzüchter fordert weniger Hürden für den Weideschuss
Immer mehr Schlachthöfe schließen, Transportwege werden länger. Diesen Stress möchte Fabian Schwemmlein aus Knetzgau seinen Tieren gerne komplett ersparen.
Fabian Schwemmlein hält 30 Rinder in den Mainauen bei Augsfeld, Haßfurt. 
Foto: Lukas Reinhardt | Fabian Schwemmlein hält 30 Rinder in den Mainauen bei Augsfeld, Haßfurt. 
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 20:25 Uhr

Das Aus des Bamberger Schlachthofs hat Folgen für die gesamte Region. Besonders betroffen sind Tierhalter im Landkreis Haßberge. Aber nicht alle: Fabian Schwemmleins Rinder, 30 Stück an der Zahl, grasen die meiste Zeit des Jahres auf einer saftigen Weide in den Mainauen bei Augsfeld, Haßfurt.

Der 35-Jährige lebt in Hainert, Knetzgau, arbeitet als Projektleiter bei einem Industrieunternehmen in Schweinfurt und führt einen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb. Im Gespräch erzählt Schwemmlein, warum er seine Tiere nicht in den Bamberger Schlachthof bringt, wieso er den Kugelschuss auf der Weide als besten Weg für die Tötung seiner Rinder sieht und was ihn bislang an seiner Ausführung hindert.

Frage: Herr Schwemmlein, wie sehr trifft Sie die Schließung des Bamberger Schlachthofs als Rinderzüchter?

Fabian Schwemmlein: Ich als kleiner Betrieb bin von diesem Schritt nicht wirklich betroffen. Ich vermarkte das Fleisch meiner Rinder direkt und lasse sie bei einem kleinen Metzger in der Nähe schlachten. So kann ich sie auf ihrem letzten Weg begleiten. Mein Ziel ist es, den Tieren das Ableben möglichst erträglich und stressfrei zu gestalten. Die Schließung des Bamberger Schlachthofs bewirkt in meinen Augen das Gegenteil von all dem. Auf die Tiere aus der Region kommen künftig deutlich längere Transportwege zu. In Zeiten, in denen das Tierwohl eigentlich immer stärker im Vordergrund steht, finde ich das mehr als problematisch.

Aktuell befinden sich nur die Muttertiere mit ihren Kälbern auf der Weide.
Foto: Lukas Reinhardt | Aktuell befinden sich nur die Muttertiere mit ihren Kälbern auf der Weide.
Wie läuft eine Schlachtung bei Ihnen ab?

Schwemmlein: Ich lasse im Jahr sechs Rinder schlachten, drei im Frühjahr, drei im Herbst. Mal eins mehr, mal eins weniger. Ich lade sie auf meinen Transporter und bringe sie zu meinem Metzger nach Untertheres, das sind gut 15 Kilometer. Dort wird das Tier getötet, ausgenommen und in zwei Hälften zerlegt. Anschließend kommt ein Veterinär zur Fleischbeschau. Bis zu diesem Punkt bin ich dabei. Den Rest, also die Weiterverarbeitung, übernimmt der Metzger. Natürlich gibt es für den ersten Schritt noch bessere Wege. Ich zum Beispiel würde meinen Rindern gerne den Lebendtransport und den damit verbundenen Stress ersparen.

Das würde bedeuten, sie auf der Weide zu töten?

Schwemmlein: Genau, mit dem sogenannten Weideschuss. Aus meiner Sicht ist es das Beste, wenn das Tier in seiner gewohnten Umgebung und in der Nähe seiner Herde stirbt. Bei uns Menschen ist das nicht anders. Wenn es dem Ende entgegengeht, ist man lieber zu Hause bei seiner Familie als allein im Krankenhaus.

"Die Mehrkosten müssen am Ende die Verbraucher tragen."
Fabian Schwemmlein, 35, Rinderzüchter
Was hindert Sie am Weideschuss?

Schwemmlein: Die Bürokratie und die enormen Anforderungen. Meine Rinder stehen vom Frühjahr bis in den Winter in den Mainauen, auf 28 Hektar Land. Danach kommen sie zwischenzeitlich in den Stall, wo die Mutterkühe kalben. Für einen Weideschuss müssten sie ganzjährig auf der Weide leben, das ist die wohl größte Hürde. Eine weitere Folge der Bürokratie sind die Mehrkosten. Es braucht eine Person, die über alle nötigen Berechtigungen verfügt, um den Weideschuss auszuführen. Über den gesamten Zeitraum muss ein Tierarzt anwesend sein, das ist bei einer normalen Schlachtung nicht der Fall. Man muss einen Metzger mit EU-Zulassung finden, der diesen aufwendigen Prozess mitmacht. Auch die nötige Ausrüstung kostet Geld.

All das wirkt sich auf die Wirtschaftlichkeit aus.

Schwemmlein: Richtig. Und die Mehrkosten müssen am Ende die Verbraucher tragen. Wobei die vergangenen Jahre gezeigt haben, dass in Krisenzeiten zuallererst beim Essen gespart wird.

Die Rinder grasen die meiste Zeit des Jahres auf einer Fläche von 28 Hektar.
Foto: Lukas Reinhardt | Die Rinder grasen die meiste Zeit des Jahres auf einer Fläche von 28 Hektar.
Aber es muss doch klare Vorgaben für eine solche Prozedur geben?

Schwemmlein: Natürlich, aber die bürokratischen Hürden sind zu hoch. Meine Forderung lautet deshalb: Es muss einfacher werden, sich den Weideschuss genehmigen zu lassen. Dem Tierwohl zuliebe. Und weil Zuchtbetriebe immer weniger Möglichkeiten haben, um schlachten zu lassen.

Denken Sie denn, dass der Weideschuss die Schlachthöfe in Zukunft ersetzen kann?

Schwemmlein: Nein, durch den größeren Aufwand ist dieses Verfahren nichts für die industrielle Schlachtung. Aber für die kleineren Betriebe, wie ich einen im Nebenerwerb führe, kann es eine wichtige Alternative sein.

"Die Tiere, die wir am Ende schlachten, bekommen keinen Namen. Sonst wird die Bindung zu eng."
Fabian Schwemmlein, 35, Rinderzüchter
Im Landkreis Haßberge wird es laut einer Prognose des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Schweinfurt immer weniger Tierhalter geben. Warum haben Sie sich entschieden, einen eigenen Betrieb zu führen?

Schwemmlein: Meine Eltern haben sich den Familienbetrieb über Jahre aufgebaut, 2020 habe ich ihn übernommen. Wir haben nicht nur die Rinder, sondern auch eine Pferdezucht. Das, was wir im Nebenerwerb machen, machen andere in Vollzeit. Das geht nur, wenn man gemeinsam anpackt. Mir macht vor allem der Umgang mit den Tieren Spaß. Viele von ihnen tragen einen Namen. Nur die Tiere, die wir am Ende schlachten, bekommen keinen. Sonst wird die Bindung zu eng. Und tatsächlich würde es mir schwerfallen, meine Rinder zu selbst töten, wenn ich sie großziehe und sie mir ans Herz wachsen.

Im Laufe der Zeit entwickelt Schwemmlein eine Bindung zu den Tieren – sie selbst zu töten, würde ihm schwerfallen.  
Foto: Lukas Reinhardt | Im Laufe der Zeit entwickelt Schwemmlein eine Bindung zu den Tieren – sie selbst zu töten, würde ihm schwerfallen.  
Was braucht es, um junge Landwirte in dieser Branche zu halten?

Schwemmlein: Es bräuchte dringend eine bürokratische Entlastung, wo wir bei einem Thema wären, das viele Bauern derzeit umtreibt. Ich übe diesen Beruf aus, um in der Natur zu sein, um etwas zu erschaffen und um Lebensmittel zu erzeugen. Gefühlt verbringe ich inzwischen aber mehr Zeit im Büro als draußen bei den Tieren. Da frage ich mich schon, wozu ich das eigentlich mache. Ich habe schon einen Bürojob, ich will keinen zweiten.

Vielen Dank, Herr Schwemmlein, für das Gespräch.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Augsfeld
Lukas Reinhardt
Wirtschaft im Landkreis Haßberge
Industrieunternehmen
Instagram-Inhalte
Kühe und Rinder
Pferdezucht
Schlachthöfe
Tierhalterinnen und Tierhalter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top