Erzbischof Ludwig Schick hält die Debatte über das Beichtgeheimnis in Frankreich und Deutschland für eine Phantomdiskussion. Die Zahl der Beichten habe dramatisch abgenommen, weshalb es höchst unwahrscheinlich sei, dass ein Sexualstraftäter zur Beichte gehe, sagte Schick im Interview mit dieser Redaktion.
Gleichzeitig betonte der frühere Professor für Kirchenrecht, dass das Beichtgeheimnis unangetastet bleiben müsse, "weil die Beichte für die Werteorientierung, das Wertebewusstsein und das Werteleben aus der christlichen Botschaft Bedeutung hat".
Nachdem in Frankreich vor kurzem das Ausmaß des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche bekannt wurde, fordern Kritiker dort eine Änderung des Beichtgeheimnisses. Demgegenüber betonte Erzbischof Schick, dass das Beichtgeheimnis von staatlicher Seite nicht aufgehoben oder eingeschränkt werden könne.
Grundrecht jedes Menschen
Das Beicht- oder Seelsorgegeheimnis, das auch für andere anerkannte Religionsgemeinschaften gelte, sei in Deutschland ein Teil des Grundrechts auf Religionsfreiheit und im Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland im Paragrafen 139 (2) ausdrücklich garantiert: "Jeder Mensch hat das Grundrecht, seinen Glauben frei zu praktizieren", erklärte Schick. Dazu gehöre auch, sich einem Priester oder einem kirchlichen Amtsträger anzuvertrauen mit der Garantie, dass das Gesagte nicht weitergetragen werde. Ein Priester, der das Beichtgeheimnis verletze, werde nach dem Kirchenrecht (Canon 1388) mit der Strafe der Exkommunikation belegt.
Zwar stehe das Kirchenrecht "nicht über dem staatlichen Recht, aber die Menschenrechte, wie auch die staatlichen und kirchlichen Vereinbarungen und Gesetze garantieren das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen", so Schick. Der Staat könne die Beichte nicht regeln, weil er damit eben in dieses Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eingreifen würde, "was ihm nicht zusteht", so der Erzbischof.
Gerechtigkeit für die Opfer
Den Vorwurf, die Kirche stelle mit der Unverletzlichkeit der priesterlichen Schweigepflicht den Täterschutz über den der Opfer, wies der Erzbischof zurück. "Den Opfern muss Gerechtigkeit zuteilwerden, Täter gehören bestraft!", das sei die kirchliche Überzeugung. Durch die Beichte könnte ein Täter gegebenenfalls bewegt werden, sich zu stellen.
In diesem Fall diene die Beichte dem Opfer. "Der Beichtende kann den Beichtvater auch von der Schweigepflicht entbinden, so dass dieser dann von sich aus handeln kann", ergänzte Schick. Durch die Beichte könne "der Grundwasserspiegel der Moral und Ethik in der Gesellschaft insgesamt gemehrt und somit auch sexualisierte Gewalt verhindert werden".