Hilfswerke wie Misereor oder Missio schlagen Alarm: Die Folgen des Krieges in der Ukraine sind konkret auch in Afrika zu spüren, wie Projektpartner berichten. Russland und die Ukraine gehören zum Beispiel zu den größten Weizenlieferanten vieler afrikanischer Länder.
"Es handelt sich nicht nur um eine katastrophale Situation in Europa, sondern die Menschheit insgesamt wird angegriffen." Die weltweiten Auswirkungen dieses Krieges dürften nicht aus dem Blick geraten, sagt etwa Monsignore Wolfgang Huber, Präsident von Missio München. Wir fragten bei Erzbischof Ludwig Schick nach, der lange Zeit "Außenminister" der Deutschen Bischofskonferenz war und nach wie vor weltkirchlichen Themen eng verbunden ist.
Erzbischof Ludwig Schick: Ja, Afrika wird vom Krieg in der Ukraine erschüttert. Die meisten Staaten Afrikas sind für die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung von Importen aus Europa abhängig. Von den 800 Millionen Hungernden und Mangelernährten leben die meisten in Afrika. Aus der Ukraine und auch aus Russland erhalten sie vor allem Getreide. Das wird jetzt eingeschränkt und vielleicht ganz eingestellt.
Der Krieg tötet Menschen und zerstört Wohnraum und Infrastruktur in der Ukraine. Darüber hinaus vernichtet er Ackerflächen, Wiesen und Wald und verhindert Aussaat und Ernte. Und das oft für viele Jahre, weit über das eigentliche Kriegsgeschehen hinaus. Es ist eine Hungersnot in der Ukraine, in Russland und anderen europäischen Staaten zu befürchten. Auch der Hunger in Afrika wird zunehmen und es werden mehr Menschen an Hunger sterben. Das ist eine erschütternde und inakzeptable Folge des Krieges. Auch aus Afrika kommt der Ruf an Russland: Beendet die Aggression, stoppt den Krieg, weil dieser ungerechte und unmenschliche Krieg auch bei uns Todesopfer zur Folge haben wird.
Schick: Diese Situation macht auch darauf aufmerksam, dass viele Staaten Afrikas bezüglich der Lebensmittelproduktion von Europa abhängig sind. Das ist auch eine Folge der mangelnden oder falschen Entwicklungspolitik und eine Spätfolge des Kolonialismus.
Wir müssen derzeit darauf dringen, dass die vorhandenen Lebensmittel, vor allem die Getreidevorräte, gerecht weltweit verteilt werden und nicht die reichen Staaten Europas sich jetzt erneut absichern, Vorräte für sich horten und die armen Staaten Afrikas außen vor bleiben und die Menschen dort noch mehr hungern. Fernziel muss sein, dass Afrika sich entwickelt, vor allen Dingen hinsichtlich der Landwirtschaft und der Eigenständigkeit bezüglich ihrer Lebensmittelproduktion.
Schick: Wir werden dem Senegal mit allen unseren Möglichkeiten helfen, dass die Menschen dort ausreichend ernährt werden und die Entwicklung des Landes, wozu Thiès gehört, nicht gestoppt wird, sondern weitergeht. Ziel der Entwicklung und Entwicklungspolitik, auch der kirchlichen, muss sein, die Länder in allem selbstständig und selbstverantwortlich zu machen. Dazu gehören Nahrung und Kleidung, Landwirtschaft und Industrie, demokratische Strukturen, Gerechtigkeit, Frieden und Beachtung der Menschenrechte.
Schick: Meine Stiftung wird in der aktuellen Situation auch Geld geben für Lebensmittelkauf in Afrika. Der eigentliche Sinn der Stiftung besteht aber darin, die Eigenständigkeit in der Lebensmittelproduktion zu stärken durch Family Farming und kleinteilige Landwirtschaft. Mit anderen Worten: Die Stiftung wurde nicht gegründet, um Brot für die Hungernden zu kaufen, sondern um die Hungernden zu befähigen, ihr eigenes Brot zu backen. Das heißt, die Afrikaner zu befähigen, Land zu Ackerböden zu machen, diese zu bewässern, Getreide anzubauen und zu ernten, Öfen zu bauen, in denen das Brot gebacken werden kann, sowie Vorratsspeicher anzulegen, die die unterschiedlichen Ernten in den Jahren ausgleichen können.“ In dieser Hinsicht hat die Stiftung schon einige Landwirtschaftsschulen gegründet und mitgeholfen, dass hilfreiche Kenntnisse in Ackerbau und Viehzucht vermittelt werden, die diese Eigenständigkeit fördern.
Übrigens wurde auch Misereor gegründet, um den Hunger in der Welt zu überwinden. Diese Uraufgabe ist auch heute sehr wichtig.