26 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl und rund 20 Jahre nach dem Beginn seiner Hilfsleistungen für die Strahlenopfer, wird Erwin Koch aus Unfinden (Lkr. Haßberge) mit dem Würzburger Friedenspreis ausgezeichnet. Gerade erst hat er wieder einen Hilfstransport gepackt und auf den Weg in das ukrainische Tscherkassy geschickt. Dann hat er sich selbst auf den Weg in die etwa 2000 Kilometer entfernte Stadt im Zentrum der Ukraine gemacht. „Ich muss kontrollieren, dass alles korrekt abläuft“, sagte er. Erst einen Tag vor der Preisvergabe wird er wieder in Unterfranken sein.
Per Telefon wurde der 65-Jährige, der 2011 schon einmal nominiert war, über die mit 1500 Euro dotierte Auszeichnung informiert. „Ich habe mich sehr darüber gefreut“, meint Koch, betont aber auch: „Man macht nicht so was, damit man etwas bekommt, sondern um Leuten zu helfen.“ Mit „so was“ meint er sein Engagement, das 1991 begann und bis heute anhält.
Erwin Koch ist an Morbus Bechterew erkrankt und die von ihm mitbegründete Selbsthilfegruppe suchte Anfang der 90er eigentlich Kontakt zu Leidensgenossen in der Sowjetunion. Über seine Dolmetscherin erfuhr er, dass die durch Tschernobyl strahlengeschädigten Menschen, vor allem die Kinder, häufig unter Rheuma litten. Aus diesem Wissen heraus gründete Erwin Koch 1991 die „Hilfe für Tschernobyl-Kinder“, eine Organisation, der nun auch die 1500 Euro Preisgeld zugutekommen.
Schon zweimal war Koch in diesem Jahr in Tscherkassy bei der Bezirksorganisation der Invaliden Kinder von Tschernobyl. Aus der Ukraine kommt er mit Wunschlisten zurück, die er in Deutschland systematisch abarbeitet. Der letzte von ihm organisierte Transport brachte 120 Kubikmeter Ladung, darunter viele Waschmaschinen und Trockner in das osteuropäische Land. Koch sammelt allerdings nicht nur Hilfsgüter. Er vermittelte auch Patenschaften zwischen Deutschen und Geschädigten aus der Ukraine. Außerdem organisierte er mehrmals Erholungsaufenthalte für Kinder in Unterfranken. Er selbst hatte für einige Monate eine leukämiekranke Frau beherbergt, die im Februar 1995 in einem Krankenhaus in der Region starb.
Trotz der engen Bindung an die Menschen und das Land und die vielen Kontakte, die er im Lauf der Jahre aufgebaut hat, weiß Koch noch nicht, wie es mit den Hilfstransporten weitergeht. Der Stress sei kaum noch zu bewältigen. Seit Wiktor Janukowitsch an der Macht ist, sei alles schwieriger geworden, erklärt er. Bis ein Lastwagen durch den Zoll sei, würden, wenn alles gut laufe, vier bis acht Wochen vergehen. Koch berichtet von der Willkür der Behörden: „Wenn die kein Geld bekommen, tut sich überhaupt nichts“, sagt er. Und von sehr viele anderen Problemen, die an den Nerven zehren. Ins Detail gehen will er nicht, weil er Angst hat, dass ihm sonst bei seinem nächsten Besuch in der Ukraine etwas zustoßen könnte. „Die bekommen alles mit“.
Was zunächst überängstlich klingen mag, wird in dem Moment verständlich, wo Koch von den zwei Überfällen erzählt, die 1998 und 1999 auf ihn verübt worden waren. 1998 zerstachen Unbekannte die Reifen seines Transporters und stahlen Geld und wichtige Dokumente. Am 2. Juli 1999 wurde er in seinem Hotel überfallen und ausgeraubt. Solche Erlebnisse prägen sich ins Gedächtnis ein.
Trotz aller Bedenken brach er im Jahr darauf wieder in die Ukraine auf. Nicht zuletzt, weil ihn während seiner Reha zahlreiche Schreiben aus dem Land erreichten, indem sich Bürger für das, was passiert war, entschuldigten.
Außerdem gab es für Koch während seines jahrzehntelangen Engagements auch viele schöne Momente. Immer dann beispielsweise, wenn Treffen mit den Patenfamilien stattfanden und er mitbekam, wie sehr er diesen am Herzen lag und liegt: „Sie beten dafür, dass ich gesund bleibe, denn wenn ich nicht mehr bin, bekommen sie nichts mehr. Der Staat hilft nicht.“
Die öffentliche Verleihung des Würzburger Friedenspreises findet am Sonntag, 15. Juli, 11 Uhr, im Mainfranken Theater Würzburg statt.
Wolfgang Jung,
Redaktion Würzburg