Anfang des Kriegsjahres 1915 appellierte eine Haßfurter Zeitung an die Leser, unbedingt Kriegsbrot zu essen. Immer häufiger wurden dem Mehl Kartoffeln beigemengt. Deutschland glich zu diesem Zeitpunkt einer belagerten Festung. Den Hausfrauen wurden sogar Kriegskochbücher verkauft, damit sie lernten, ihre Familien mit geringen Mitteln durchzubringen. Fastnachtsveranstaltungen waren während des Krieges untersagt und der bislang übliche Leichentrunk beziehungsweise Leichenschmaus verboten.
Gegen Ende des Krieges drängten sich wie in Zeil schon um 3 Uhr morgens viele Leute stundenlang vor den Läden, um am Schluss doch nichts Essbares zu erhalten. Viele erhielten nicht einmal ihre wöchentliche Ration von 35 Gramm Butter.
Französische Kriegsgefangene mussten häufig die fehlenden Männer in den gewerblichen und landwirtschaftlichen Betrieben ersetzen. Obwohl die meisten fast keine Ahnung von landwirtschaftlichen Arbeiten hatten, zeigten die Kriegsgefangenen doch den besten Arbeitswillen. In Zeil war die Überwachung der Gefangenen zeitweise sehr lax. Der vom Lager Hammelburg beauftrage Wachhabende Schonath berichtete im Jahr 1916 von einem Kontrollgang, bei dem er zwei Franzosen krank und unbeaufsichtigt in der Unterkunft vorfand. Vier weitere Gefangene waren in der Hauptstraße in einem kleinen Nebengebäude des Ökonomen Heinrich Schauer (heute Martin und Christa Schlegelmilch) untergebracht. Weitere vier Franzosen hatten ihr Quartier im sogenannten Flaschhäusla, einem kleinen Gefängnis im östlichen Teil des Zeiler Rathauses, just dort, wo sich heute der Ratssaal befindet. Wie sich später Liesl Brehm erinnerte, reichten gefangene Franzosen Schulkindern beim Vorbeigehen öfters Zwieback durch ein kleines Fenster, denn zu dieser Zeit hatte sich die Schule im Rathaus befunden.
Vogelscheuchen mit Frauenkleidung
Anfang des Jahres 1917 beschwerte sich das Lager Hammelburg bei der Stadt Zeil, dass den bei den Landwirten beschäftigten Kriegsgefangenen zum Nachteil der deutschen Bevölkerung Eier, Milch, Butter, überhaupt Fleisch, Wurst und so weiter in größeren Mengen verabfolgt werden. Dennoch berichtete die heimische Presse immer wieder von Fluchtversuchen französischer Gefangener. Daraufhin erging eine Anordnung, nur noch weibliche Kleidungsstücke für Vogelscheuchen zu verwenden. Wie sich herausgestellt hatte, haben immer wieder flüchtige Kriegsgefangene ihre Uniformen mit zivilen deutschen Kleidungsstücken der auf den Feldern aufgestellten Strohpuppen vertauscht.
Im Jahr 1916 wies der Würzburger Bischof auf die sittlichen Gefahren hin, die sich durch die Verwendung von französischen Gefangenen ergaben. Im Jahr darauf wurde eine Tagelöhnerin in Friesenhausen wegen fortgesetzten Verkehrs mit Kriegsgefangenen zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen des gleichen Vergehens musste eine Bauerntochter für drei Monate ins Gefängnis.
Eine ledige, 20 Jahre alte Dienstmagd in Pfarrweisach war wegen eines Liebesverhältnisses mit einem Franzosen, das nicht ohne Folgen blieb, vom Schöffengericht Ebern zu fünf Monaten Gefängnis verdonnert worden. Auf ihre Berufung hin setzte das Landgericht Bamberg die Strafe auf zwei Monate herab, wobei es die Verführungskunst des schmucken Franzosen als Minderungsgrund ansah. Der Verteidiger hatte dem Gericht etliche schriftliche Liebeserklärungen sowie das Konterfei des Franzosen vorgelegt. Eine 37-jährige verheiratete Bauersfrau aus Zeil hatte sich im Jahr 1917 auf intimen Verkehr mit ihrem französischen Knecht eingelassen. Sie wurde schwanger und musste vier Monate ins Gefängnis. Doch die Franzosen spendeten nicht nur Leben, sie retteten auch Menschenleben. Im dritten Kriegsjahr bewahrte ein Gefangener in Dippach das zweijährige Kind des Brauereibesitzers Wisneth, das in einen mit Wasser gefüllten Brunnentrog gefallen war, vor dem Ertrinken.
Bereits in den ersten Kriegstagen machte die blutige Schlacht von Lagarde Geschichte. Dabei waren vor allem Bamberger Ulanen eingesetzt. Es war eines der letzten Gefechte der Kriegsgeschichte, bei dem Lanzen zum Einsatz kamen. Allein auf deutscher Seite verloren laut den Aufzeichnungen an einem Tag 16 Offiziere, 219 Ulanen und 304 Pferde ihr Leben.
Der spätere Bürgermeister von Ziegelanger, Johann Bader, berichtete im Jahr 1956 in einer Heimatzeitung als Teilnehmer an dieser Schlacht, wie sich dieser denkwürdige Kampf abgespielt hat. Die reitenden Ulanen machten von ihrer Lanze Gebrauch. Wer Widerstand leistete, wurde niedergestochen. Franzosen, die sich beim Durchreiten der Ulanen tot gestellt und ihnen aus Sicht der Deutschen hinterlistig nachgeschossen hatten, wurden von gestürzten Ulanen und solchen, deren Pferd erschossen worden war, mit dem Karabiner „erledigt“.
Der spätere Malerobermeister Josef Müller aus Ebern verlor bei diesem „Todesritt“ sein Pferd unter dem Hintern. Die sehr verlustreiche Schlacht überlebte auch der aus Buch stammende Josef Dietz. Letzterer wurde versprengt und verdiente sich dabei das Eiserne Kreuz. Er hatte bei einem gefallenen französischen Brigade-General einen zwei Tage alten Armeebefehl gefunden, aus dem sich der Gefechtsplan der Franzosen in Lothringen ersehen ließ.
Gelähmte Kriegsbegeisterung
Der Schwebheimer Gustav Müller musste sich im Kampfgewühl mit der Lanze in der Hand nach einem herumlaufenden Ersatzpferd umschauen. Als ihn später einmal sein Enkel fragte, ob er Franzosen getötet habe, antwortete er nur: „Über so was spricht man nicht!“ Er stellte aber auch fest: „Begeistert bin ich in den Krieg gezogen, als Pazifist kehrte ich zurück.“
Bei den anfangs recht zahlreichen Eroberungen trugen bis ins kleinste Dorf die Kirchenglocken die Freudenbotschaft ins Land, „mahnend zum Dank gegen den Höchsten, der unsere Waffen so reich gesegnet hat“, wie es damals in einer Heimatzeitung geschrieben stand. Die Eltmanner feuerten von der Wallburg Böllerschüsse über ihre reich beflaggte Stadt ab. Später verpflichtete sich der Stadtrat, für gefallene Krieger der Stadt die Kosten für die letzten Ehrensalven aus dem Stadtsäckel zu bezahlen.
Nach jeder siegreichen Schlacht erhielten die Schulkinder einen Tag schulfrei, damit sie dieses nationale Ereignis im Gedächtnis behielten. Im März 1916 berichtete eine Heimatzeitung, ein Mädchen habe seine Mutter gebeten, dem Papi an der Front zu schreiben, dass er während der Osterferien keinen Krieg machen solle – da wäre auch ohne Siege schulfrei.
So manche Glocken, die einst von den Siegen kündeten, mussten dann im dritten Kriegsjahr „für das Vaterland geopfert werden“, wie es hieß. In Zeil läuteten am Abend zuvor zum Abschied noch einmal eine Stunde lang die Glocken der Bergkapelle. Sogar harte Männer wischten sich Tränen aus den Augen. In Breitbrunn versteckten mutige Dorfburschen die Glocke vor dem Abtransport auf einem Acker, um sie nach dem Krieg wieder auszugraben. Heute stehen hier Häuser und die Glockenstraße soll daran erinnern.
Goldene Orden für tapfere Taten
Die Zeitungen berichteten fast über jede Beförderung und Ordensverleihung. Bemerkenswert ist, wie brutal damals die Heldentaten der heimatlichen Frontkämpfer beschrieben wurden. Ein paar Dutzend Soldaten aus unserer Heimat brachten es zu hoch dekorierten Helden. Sie wurden mit goldenen Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet, womit oft auch eine kleine monatliche Leibrente auf Lebenszeit verbunden war.
Groß berichtet wurde von der Heldentat des Johann Leisentritt aus Zeil, der schon mit 13 Jahren seine Laufbahn als Kadett begonnen hatte. Mit den Worten „Es ist meine Pflicht, kann es gehen, wie es mag!“ war der wackere Gefreite unter heftigstem Feuer zu seinem schwer verletzten Kommandeur gerobbt. Obwohl er selbst einige Schüsse in den Tornister erhielt, brachte er ihn in der Dämmerung in Sicherheit. Leisentritt gehörte später dem angesehenen Bayerischen Leibregiment an, diente im Zweiten Weltkrieg als Hauptmann und anschließend 30 Jahre in der Zeiler Stadtverwaltung.
Bei der Ehrung des Steinsfelders Georg Ries waren alle abkömmlichen Offiziere und Mannschaften vertreten, zudem der Regiments-Kommandeur, der Brigade-Kommandeur und der kommandierende General. Stolz schrieb er an seine Eltern: „Der General hat mir die Auszeichnung selbst angehängt und dann an die Versammelten eine Ansprache gehalten. Sämtliche Generäle gratulierten mir.“