
Am 28. Dezember stürzte der Airbus 320-200 der Air Asia auf dem Flug QZ8501 von Surabaya auf der indonesischen Insel Java in Richtung Singapur ab. Als Ursache des Unglücks werden die zum Unglückszeitpunkt vorherrschenden Wetterbedingungen nicht ausgeschlossen. 162 Insassen kamen ums Leben.
Mittlerweile wurden der Flugdatenschreiber und der Stimmenrecorder geborgen, von denen sich die Flugunfalluntersuchung Aufschluss über das Unglück erhofft. In Ebern wohnt Thomas Einwag, der als Kapitän unter anderem auf einem Airbus 320-200 fliegt, dem gleichen Flugzeugtyp, der von Air Asia abgestürzt ist. Er spricht über die aktuellen Ereignisse und gibt einen Einblick in den fliegerischen Alltag.
Meine fliegerische Laufbahn im Cockpit eines Verkehrsflugzeuges begann im Jahr 2003 als ich zum ersten Mal als Erster Offizier auf einer Boeing 737 abhob. Seit 2007 bin ich Kapitän, also verantwortlicher Luftfahrzeugführer. Angestellt bin ich bei einer großen deutschen Fluggesellschaft, die Kurz-, Mittel- und Langstrecken bedient und Linien-, Charter- sowie Frachtflüge anbietet. Seit meiner Kapitänsausbildung fliege ich auf Airbus A319, A320 und A321. Derzeit bin ich auf Flügen über eine Distanz bis rund 4000 Kilometer in Europa, Afrika und Asien eingesetzt.
Die Ausbildung und das ständige Training für Verkehrsflugzeugführer in Europa sind standardisiert durch die JAA (Joint Aviation Authority) in der JAR-FCL. Das ist die Abkürzung für Joint Aviation Requirements Flight Crew Licensing. Grundsätzlich wird das Verhalten in allen bekannten Gefahrenszenarien trainiert. Wir Verkehrsflugzeugführer sind verpflichtet, zweimal pro Jahr im Flugsimulator für je zwei Tage unsere Professionalität unter Beweis zu stellen. Dabei werden auch mehrere Fehler gleichzeitig serviert und mit denkbar schlechtesten Wetterverhältnissen garniert. Seit sieben Jahren bin ich Ausbilder für Airbus. „Type-Rating-Instructor“ heißt das in der Fliegersprache. Das bedeutet, dass ich fertig ausgebildete Verkehrsflugzeugführer aus der ganzen Welt in Theorie und Praxis unterrichte. Jährlich sind auch Theorieprüfungen zu absolvieren beispielsweise in allgemeinen Notverfahren, flugzeugspezifische Notverfahren, Flugzeugsysteme, Gefahrguttransport sowie praktisches Training in „Flight Safety“, wie Evakuierungen durchführen und Feuer an Bord löschen und „Security“, also Maßnahmen während verschiedener Bedrohungsstufen vom aggressiven Passagier bis zum Entführungsszenario durch Terroristen.
Bereits beim „Briefing“, eine Stunde vor dem Abflug, bespreche ich mit meinem Copiloten die vorherrschenden Wetterbedingungen am Abflug- sowie Zielflughafen, den Ausweichflughäfen und auf der Reiseflughöhe auf unserer geplanten Flugstrecke. Entdecke ich, dass mein Flug durch ein Gebiet mit starker Turbulenz geplant ist, so spreche ich mit dem Dispatcher und versuche entweder die Flughöhe in eine nicht turbulente Luftschicht zu legen oder einen etwas längeren Weg um dieses Gebiet herum zu wählen. Während des Fluges werden wir vor Wetterphänomenen durch Pireps gewarnt. Das sind mündlich von vorausfliegenden Piloten abgegebene Wetterbeobachtungen. Schließlich verfügen unsere Flugzeuge über ein Wetterradar, das die Niederschlagsintensität eines in beispielsweise 150 Kilometer vor unserer Flugzeugnase liegenden Wettersystems graphisch und farblich kodiert darstellt. Das sieht nach einer recht großen Distanz aus. Diese ist aber nach etwa zehn Minuten zurückgelegt.
Das kann bei hohem Verkehrsaufkommen schon passieren. Wir sind da oben ja nicht alleine, sondern fliegen mit einem Vertikalabstand von 1000 Fuß zu anderen Flugzeugen. Das entspricht zirka 300 Meter. Aber selbst die in diesem Fall angefragte Höhe von 34 000 Fuß ist meist nicht ausreichend, um ein Gewitter zu überfliegen. Jedoch muss bedacht werden, dass das Höhenwachstum einer Cumulonimbuswolke bis zu 5000 Fuß pro Minute betragen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tropopause, also die Obergrenze der Troposphäre, in der das Wettergeschehen auf der Erde stattfindet, am Äquator wesentlich höher ist als an den Erdpolen. So können in der Absturzgegend die Gewitter bis zu 50 000 Fuß hoch wachsen und die maximal mögliche Flughöhe von Verkehrsflugzeugen bei weitem übersteigen.
Natürlich kann es passieren, dass ein Funkgerät ausfällt. Es ist aber unwahrscheinlich, dass mehrere davon gleichzeitig ausfallen. Die landläufige Meinung, dass die Fluglotsen zuerst über alles informiert sein sollten, ist nicht korrekt. An erster Stelle steht für die Piloten das Prinzip „Safety First“, also Sicherheit zuerst. Airbus Industries hat in den „Golden Rules“ folgende Priorität festgelegt: „Fly, Navigate, Communicate“. Das bedeutet: Zuerst muss das Flugzeug sicher unter Kontrolle sein und geflogen werden, dann wird zu einem bestimmten Punkt hin oder auf einem Steuerkurs navigiert und als letztes erst wird kommuniziert. Das ist auch logisch, damit sich die Piloten in dieser Zeit dem Ausleiten dieser unnormalen Fluglage widmen können.
Wir Piloten fliegen grundsätzlich nicht in Gewitter ein. Sobald das Wetterradar rote Echos anzeigt, fragen wir bei der Flugsicherung gezielt nach Steuerkursen, die uns auf der windzugewandten Seite an dem Gewitter vorbeifliegen lassen. Wir planen in manchen Fällen schon etwa 100 Kilometer vor Erreichen der Wolke unser Ausweichmanöver.
Grundsätzlich wird auch das Ausweichen mit dem Autopiloten geflogen. Der folgt im Normalfall der grünen Linie aus dem Navigationssystem und fliegt die geplante Route über die Luftstraßen ab. Zum Umfliegen eines Gewitters geben wir dem Autopiloten einen magnetischen Steuerkurs vor, der unter Einbezug des Windes in einem Kurs über Grund resultiert, der unser sicheres Umfliegen gewährleistet. In ganz seltenen Fällen muss der Pilot „von Hand“ weiterfliegen.
Wind macht unserem Flugzeug zunächst einmal gar nichts aus. Er beeinflusst lediglich unsere Geschwindigkeit und folglich Flugdauer und Ankunftszeit. Windgeschwindigkeiten von über 200 Stundenkilometern ohne die geringste Turbulenz sind keine Seltenheit. Auswirkungen haben Änderungen in Windgeschwindigkeit oder -richtungen über eine kurze Distanz. Dann entsteht Turbulenz, die für die Fluggäste natürlich unangenehm ist. Bei Flug durch Turbulenzen werden die Flügel natürlich nach oben und unten gebogen. Das ist auch gut so, denn sie sind unsere Stoßdämpfer. Abbrechen werden sie nicht. Blitze machen dem Flugzeug kaum etwas aus. Unangenehm sind lediglich das grelle Licht, das Piloten blenden kann, und der ohne Verzögerung explosionsartig klingende Donner. Die Insassen im Inneren des Flugzeuges sind sicher, da die Außenhaut einen pharadäischen Käfig bildet. Die Ladungen fließen an der Außenhaut ab und werden über mehrere „Static Discharger“ wieder an die Umgebungsluft abgegeben. Eine weitere Gefahr in Gewitterwolken ist neben dem hohen Anteil an Wasser durch konvektive Aufwärtsbewegung der Luftmasse die Vereisung. Wassertropfen können in der freien Atmosphäre bei Temperaturen um minus 20 Grad noch flüssig sein und sofort zu einer kaum sichtbaren, aber sehr schweren Eisschicht gefrieren, sobald sie auf der Flugzeugoberfläche auftreffen. Neben der Gewichtserhöhung bewirken sie einen Widerstandszuwachs und eine Auftriebsreduktion. Obwohl die Verkehrsflugzeuge über beheizbare Flügelvorderkanten und Triebwerkseinlässe verfügen, wird sich kein Pilot diesem Risiko aussetzen.
Die Passagiere bekommen in der Regel gar nichts davon mit. Im Sommer umfliege ich oft zehn Gewitter oder mehr auf dem Flug nach Spanien. Die Kursänderungen sind so sanft, dass sie kaum wahrgenommen werden und so können die Wolkentürme links und rechts unseres Kurses ohne die geringste Turbulenz bestaunt werden. Sollte es dann doch wackeln, so müssen sich die Passagiere anschnallen.
Ja, definitiv. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen das Risiko pro eine Milliarde zurückgelegter Kilometer: beim Fliegen werden dabei 0,3 Menschen verletzt, beim Bahnfahren 2,7 und beim Autofahren 276. Das größte Risiko an meinem Beruf liegt also auf dem Weg zur Arbeit.