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HOFHEIM/MANAU
Erinnerungen aus Stein: rund um die Bettenburg
Mit der Anlage des Landschaftsgarten Bettenburg und der Gründung einer Tafelrunde trug Schlossherr Christian Dietrich zur Wiederbelebung des Mittelalters bei.
Der Landschaftsgarten Bettenburg: Dank der Mittelaltereuphorie von Christian Dietrich Truchsess von Wetzhausen gab es eine Tafelrunde in den Haßbergen.
Foto: Fotos (3): Anna Baum | Der Landschaftsgarten Bettenburg: Dank der Mittelaltereuphorie von Christian Dietrich Truchsess von Wetzhausen gab es eine Tafelrunde in den Haßbergen.
Anna Baum
Anna Baum
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:33 Uhr

Drei Kilometer nordöstlich von Hofheim erheben sich die Dächer des Schlosses Bettenburg zwischen den Baumwipfeln des Bettenburger Walds. Die Burg überblickt aus 326 Metern Höhe das Nassachtal. Einst zog an der Burg ein bedeutender Verkehrsweg, der Rennweg, vorbei. Gegenüber der Bettenburg gestaltete ein Mittelalterfreund namens Christian Dietrich ab 1790 einen Geschichtspark als Kulisse für seine Tafelrunde.

Dem mystischen, vom Glauben geprägten Mittelalter folgte die nüchterne Zeit der Aufklärung. Diese extrem spröde, rationale Welt weckte eine Vergangenheitssehnsucht, in der man das Mittelalter als spannende Zufluchtswelt bewusst verklärte und neu inszenierte. Ende des 18. Jahrhunderts hatte der Historismus auch die Haßberge und somit auch den damaligen Schlossherren Christan Dietrich, Truchseß von Wetzhausen, erreichte. Er gründete eine Tafelrunde, um das Mittelalter wiederzubeleben. Dieser gehörte neben Jean-Paul, Gustav Schwab, Friedrich Schelling, Ludwig Spohr und Heinrich Voss auch der junge, später regional berühmte Dichter Friedrich Rückert an.

Fotoserie

Bedeutungsvoller Wein

Die äußere Erscheinung des Hauptgebäudes mit seinen gestuften Giebeln und dem von einer Welschen Haube gekrönten Treppenturm lässt kein hohes Alter vermuten, scheint vielmehr auf ein Bauwerk der Spätgotik oder der Renaissance zu verweisen. Und doch reicht auch der Baubeginn der Bettenburg in die Jahre kurz nach 1200 zurück, als rundum etliche Burgen entstanden – darunter Altenstein, Lichtenstein, Raueneck und Königsberg.

Die Ersterwähnung fiel gemeinsam mit der Burg Königsberg ins Jahr 1249, als das Hochstift Bamberg als Dank für Waffenhilfe die „castra Kunegesperch et Bettenburch“ an die Grafen von Henneberg verpfändete.

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Ab 1343 hielten die Truchsessen von Wetzhausen die Burg als Hennebergisches Lehen. Die 1525 durch die Bauern zerstörte Burg wurde zehn Jahre später aus Reparationszahlungen neu errichtet, wie ein Baudatum am Gebäude zeigt. Im Jahr 1627 wurde sie im Stil der Renaissance überformt.

Entlang des Maintals zwischen Würzburg und Schweinfurt wurde schon im Mittelalter Wein angebaut, wobei das milde Klima eine wichtigen Rolle spielte. Wein war ein Hauptgetränk der ländlichen Bevölkerung. Es gab gute teure Weine für die finanziell besser gestellten Käufer und billige, stark gewürzte Weine für den Großteil der Bevölkerung. Deren übermäßiger Genuss verursachte Kopfschmerzen.

Die extrem spröde, rationale Zeit der Aufklärung weckte in vielen Menschen Vergangenheitssehnsucht: „Könnt ihr im Panzerhemd nach Ritterart/Die alte deutsche Kraft nicht mehr beweisen? –/Doch heil war in der Zeit von Eisen/Ein altes Deutsches Herz bewahrt.“
Foto: Anna Baum | Die extrem spröde, rationale Zeit der Aufklärung weckte in vielen Menschen Vergangenheitssehnsucht: „Könnt ihr im Panzerhemd nach Ritterart/Die alte deutsche Kraft nicht mehr beweisen?

Geriet die Weinernte wie im Jahr 1426 zu gut, sank der Weinpreis auf einen Niedrigstpreis. Vernichteten Kälte und Unwetter dagegen die Weinstöcke, wie es 1435 der Fall war, kostete das Fässchen Wein ein kleines Vermögen. In beiden Fällen litt die einheimische Bevölkerung Not.

Schwärmerei für das Mittelalter

Schlossherr Christian Dietrich Truchseß von Wetzhausen, der von 1755 bis 1826 lebte, widmete sein Leben nach einer kurzen Militärlaufbahn ab 1787 dem Obstanbau und der Pflege der kulturellen Hinterlassenschaften. Damals erreichte die Mittelaltereuphorie die Haßberge und fand in Christian Dietrich einen begeisterten Gefolgsmann.

Im Turm ist eine aufrechtstehende Brillenscharte vermauert. Die Inspiration dazu kam von der alten Bettenburg.
Foto: Anna Baum | Im Turm ist eine aufrechtstehende Brillenscharte vermauert. Die Inspiration dazu kam von der alten Bettenburg.

Seine Schwärmerei für das verklärte Mittelalter veranlasste ihn, zuerst um 1790 einen Geschichtspark mit mehreren Ritterdenkmalen, wie Götz von Berlichingen, Franz von Sickingen und Ulrich von Hutten, einen Minnesängerplatz und eine künstliche Burgruine anzulegen.

Da die viel zu junge Bettenburg – von der Burg des frühen 13. Jahrhunderts ist obertägig nichts mehr zu sehen – keinesfalls dem damals gängigen Bild einer alten Ritterburg entsprach, dienten Park und Burgruine als stimulierende und inspirierende Kulisse für neuritterliche Prosa und Lebensart.

Der Minnesängerplatz stellt ein romantisches Plätzchen im Landschaftsgarten dar und ist häufig Schauplatz von kulturellen Veranstaltungen: wie hier im vergangenen August beim Konzert „Klänge unterm Blätterdach“ mit Gudrun Brückner und Nico Winandy.
Foto: Klopf | Der Minnesängerplatz stellt ein romantisches Plätzchen im Landschaftsgarten dar und ist häufig Schauplatz von kulturellen Veranstaltungen: wie hier im vergangenen August beim Konzert „Klänge unterm ...

Die erst um 1790 geschaffene Burgruine der „Altenburg“ ist deshalb von Interesse, weil sie Bauelemente des Schlossbaues sowohl formal aufgreift als auch direkt wiederverwendet. Ihr herrlich bossiertes Rundbogentor dürfte tatsächlich das abgebrochene Vorburgtor des Schlosses sein, während die brillenförmige Schießscharte identische Bauelemente am Hauptgebäude des Schlosses kopiert. Diese Brillenscharten sind dort eine burgenkundliche Besonderheit der Zeit um 1535.

Das Schlossgebäude heute ist unzugänglich und ein privates Seminarzentrum. Eine direkte Außenbesichtigung ist nicht möglich.

Der Landschaftspark hingegen ist frei zugänglich, und die Wege sind beschildert. Von der Straße von Hofheim kommend nach Ueschersdorf fährt man circa drei Kilometer, dann befindet sich links eine ausgeschilderte Zufahrt zum Landschaftspark. Parkmöglichkeiten sind gegeben. Der Fußweg zur künstlichen Burgruine beträgt ungefähr 500 Meter und ist gut begehbar. Nur eine leichte Steigung befindet sich auf dem ausgeschilderten Weg.
 

Führung durch den Landschaftsgarten am 24. September

Hans Reuscher bietet am Samstag, 24. September, eine Führung durch den Landschaftsgarten im Bettenburger Wald an. Treff ist um 15 Uhr am Parkplatz des Landschaftsgartens. Es wird ein kleiner Unkostenbeitrag erhoben. Der namhafteste Burgherr, Freiherr Christian Truchseß von Wetzhausen ließ 1789 im nahen Bettenburger Wald einen englischen Landschaftsgarten anlegen. Es sollte mit Denkmälern die vergangene Ritterzeit verherrlicht werden. Folgende Denkmäler sind heute noch zu sehen: Das Minnesänger-Denkmal, die Altenburg, die Säule der Geschwisterliebe, ein Denkmal mit den Reliefs von Götz von Berlichingen und Franz von Sickingen, ein Ulrich von Hutten-Denkmal, die Totenkapelle und das etwas abgelegene Dichterhäuschen.

Serie: Die Haßberge und ihre Burgen

Die Haßberge stecken voller Geschichte: Tief im Wald verborgen oder gut sichtbar auf einem Berg thronend – im gesamten Gebiet stößt man auf Burgen, Schlösser oder Überreste von einst prächtigen Bauten. Im Städtedreieck Coburg, Bamberg und Schweinfurt hat der Zweckverband Deutscher Burgenwinkel daraus ein Netzwerk gespannt. Mit der Serie „Die Haßberge und ihre Burgen“ können Sie auf mittelalterliche Entdeckungstour gehen. Ehemalige Burgherren und aktuelle Schlossbewohner gewähren Einblick in ihr Leben in einer anderen Zeit.
Der Minnesängerplatz stellt ein romantisches Plätzchen im Landschaftsgarten da und ist nicht selten Schauplatz von kulturellen Veranstaltungen.
Foto: Paulina Heumann | Der Minnesängerplatz stellt ein romantisches Plätzchen im Landschaftsgarten da und ist nicht selten Schauplatz von kulturellen Veranstaltungen.
 
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