Vergangenen Sommer hatte der Schlachthof der Stadt Coburg unrühmliches Interesse erregt: Von dort aus soll Ekelfleisch in den Handel gelangt sein. Hauptverantwortlicher für diesen Fleischskandal ist für die Staatsanwaltschaft die Firma Dellert-Fleisch aus Birkach, die am Coburger Schlachthof einen Zerlegebetrieb unterhalten hat. Knapp acht Monate nach Bekanntwerden der Vorwürfe ermittelt die Staatsanwaltschaft noch immer. Anklage hat sie noch nicht erhoben.
„Wir sind auch froh, wenn wir da durch sind“, gestand am Montag auf Nachfrage dieser Zeitung Leitender Oberstaatsanwalt Anton Lohneis in Coburg. Aber es werde wohl noch etwas dauern, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.
Seine vorsichtige Schätzung: Im März könnten Kripo und Lebensmittelüberwachung die umfangreichen Unterlagen so weit ausgewertet haben, dass entschieden werden kann, ob aus der Fleischverarbeitung und dem Fleischverkauf aus dem Schlachthof heraus Straftaten entstanden sind. Auf eine Aussage, ob er eine Anklage für wahrscheinlich hält, möchte sich Lohneis noch nicht einlassen. Er äußert sich indirekt: Der betriebene Arbeitsaufwand könne ein Indiz dafür sein, dass die Staatsanwaltschaft mit einer Anklage rechnet.
Abnehmer noch ungenannt
Die Ermittlungen, begründet der Leitende Oberstaatsanwalt deren Dauer, erstreckten sich nicht nur auf den längst geschlossenen Schlachthof, sondern auch auf die Abnehmer des dort zerlegten Fleisches, darunter wohl sogenanntes K3-Fleisch, das für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist. Es gehe darum, die komplette Handelskette des verdächtigen Fleisches auszudröseln: vom Zerlegebetrieb, über den Händler bis zu den Abnehmern. Unter Letztgenannten sollen sich Metzgereien und Gasthäuser aus der Region befunden haben, teilte die Staatsanwaltschaft bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Firma Dellert mit. Die Namen derer, die das mutmaßliche Ekelfleisch zu Billigpreisen – unwissentlich aber auch wissentlich, so die Staatsanwaltschaft – erhalten haben, wurden bislang noch nicht öffentlich genannt.
Das im Fadenkreuz der Ermittler stehende Unternehmen Dellert-Fleisch bleibt nach Auskunft von Horst Koller geschlossen. Der auf Lebensmittelrecht spezialisierte Rechtsanwalt vertritt Geschäftsführer Ludwig Dellert seit Bekanntwerden der heftigen Vorwürfe juristisch. Den 17 Mitarbeitern des Betriebs, der Räume am Coburger Schlachthof gemietet und dort rund 80 Prozent des Umsatzes ausgemacht hat, wurde gekündigt. Über seine berufliche Zukunft könne sein Mandant erst nach Abschluss der Ermittlungen entscheiden, meint Koller.
Er hofft in absehbarer Zeit auf einen Gesprächstermin mit der Staatsanwaltschaft, bei dem alle gegen Dellert erhobenen Vorwürfe auf den Tisch kommen. Solange diese nicht mit Fakten untermauert sind, sieht der Anwalt den Birkacher Unternehmer weiter als Opfer falscher Vorwürfe.
Auch wenn Koller sich zu Dellerts beruflicher Zukunft nicht konkret äußert, so viel scheint festzustehen: Einen Fleischzerlegebetrieb wird sein Mandant kaum mehr betreiben. Nicht nur, dass er diesen nach Schließung des Coburger Schlachthofs neu aufbauen müsste. Dellert könnte sich nach den gegen ihn erhobenen Vorwürfen in der Branche kaum unbeschadet behaupten– ganz gleich, ob er als Schuldiger aus dem Skandal herausgeht, oder nicht. Es zeichne sich eher ab, berichtet Koller, dass Dellert künftig als Fleischhändler tätig sein könnte. In diesem Bereich sei er gut vernetzt und informiert. Und: „Ludwig Dellert gilt unter seinen früheren Kunden weiter als gesuchter Fleischfachmann“, behauptet der Rechtsanwalt.
Schicksal der Mitarbeiter
Die Stadt Coburg hat keine Pläne, einen eigenen Schlachthof zu eröffnen, berichtet Michael Selzer, Pressesprecher der Stadt. Nach einer gescheiterten Initiative des Regionalmanagements seien keine weiteren „derartigen Forderungen an die Stadtverwaltung herangetragen worden“. Von den 40 Mitarbeitern des Schlachthofs sind laut Selzer 17 aus Diensten der Stadt Coburg ausgeschieden, beispielsweise über Altersteilzeit, Renteneintritt, Ablauf befristeter Arbeitsverträge oder eigene Kündigung.
Vier Mitarbeitern habe die Stadt gekündigt, bei Zweien seien Auflösungsverträge geschlossen worden. 17 Schlachthofmitarbeiter seien in anderen Abteilungen der Stadt Coburg oder Tochterunternehmen untergekommen, wie im Feuerwehrdepot, als Hausmeister oder im Grünflächenamt.
Und wie geht's mit dem Schlachthof selbst weiter? Hierzu sind bei der Stadt Coburg keine konkreten Aussagen erhältlich. Fest stehe laut deren Sprecher nur, dass bis auf das denkmalgeschützte ehemalige Verwaltungsgebäude die restlichen Gebäude abgerissen werden. Möglicherweise, so eine Debatte im Coburger Stadtrat, könnten auf dem Schlachthofareal sowie auf dem benachbarten Güterbahnhofgelände Anlagen für die Hochschule oder Entwicklungsinstitute entstehen. Im ehemaligen Verwaltungsbau könnte ein Jugend-/Kulturzentrum entstehen, so ein Vorschlag der Grünen im Stadtrat.