zurück
COBURG/BIRKACH
Ekelfleisch: Auch Metzger wurden betrogen
Der Chef eines Fleischzerlegebetriebs soll sogenanntes "Ekelfleisch" vertrieben haben - jetzt wird es wohl bald zur Anklage kommen.
Igitt: Ekelfleisch(huGO-ID: 11846215) ARCHIV: Ein Symbolbild zeigt die Herstellung von Doenerspiessen. Eine Firma aus dem schwaebischen Wertingen hat 20 Tonnen fuer den Verzehr ungeeignetes Fleisch in den Umlauf gebracht. Die Ware sei im Juli an einen Doener-Produzenten ausgeliefert und moeglicherweise bereits verkauft worden, teilte am Dienstag (28.08.07) die Staatsanwaltschaft Memmingen mit. Weitere 11,4 Tonnen genussuntaugliches Rind- und Putenfleisch seien am Freitag (24.08.07) sichergestellt worden, bevor sie verkauft worden seien. (zu ddp-Text) Foto: Johannes Eisele/ddp FOTO Johannes Eisele
| Igitt: Ekelfleisch(huGO-ID: 11846215) ARCHIV: Ein Symbolbild zeigt die Herstellung von Doenerspiessen. Eine Firma aus dem schwaebischen Wertingen hat 20 Tonnen fuer den Verzehr ungeeignetes Fleisch in den Umlauf ...
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:28 Uhr

In den zurückliegenden Monaten ist es ruhig geworden um den Ekelfleischskandal am Coburger Schlachthof und dessen juristische Folgen. Aus Sicht der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Coburg kommt der Firma Dellert-Fleisch aus Birkach die Hauptrolle in der unrühmlichen Geschichte zu.

Nach jetzigem Stand der weit fortgeschrittenen Ermittlungen sieht Leitender Oberstaatsanwalt Anton Lohneis vier Hauptverantwortliche für den Fleischskandal, darunter den Geschäftsführer von Dellert-Fleisch. Festzustehen scheint, dass die Metzgereien, die minderwertiges Fleisch aus dem Schlachthof erhielten, davon nichts wussten und damit – ebenso wie ihre Kunden – zu den Betrogenen zählen.

Anfangs bestand der Verdacht, Metzgereien und Gastronomiebetriebe aus der Region könnten ebenfalls in Straftaten verwickelt sein, indem sie bewusst Fleisch einkauften, das für den menschlichen Verzehr ungeeignet ist, sogenanntes K3-Fleisch („Ekelfleisch“).

Dieser Verdacht scheint jetzt ausgeräumt zu sein, bestätigt auf Nachfrage unserer Redaktion der Leitende Oberstaatsanwalt in Coburg. Er möchte dem endgültigen Ergebnis der Ermittlungen allerdings nicht vorgreifen.

Mit deren Abschluss rechnet Lohneis für Ende Oktober, Anfang November. Dann werde es zur Anklage kommen. Der Umfang der Anklage ist laut Lohneis heute noch nicht abzusehen. Sollte die Anklage zu einer Hauptverhandlung vor Gericht führen, dürfte der Prozess frühestens Anfang kommenden Jahres beginnen.

Schlachthof dichtgemacht

Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft gelten derzeit vier Männer als Hauptbeschuldigte. Sie sollen in betrügerischer Absicht K3-Fleisch falsch deklariert als hochwertiges Fleisch verkauft haben. Neben dem Geschäftsführer von Dellert-Fleisch zählen zu diesem Kreis der Verdächtigen zwei ehemalige Mitarbeiter der Stadt Coburg, der der Schlachthof gehört, sowie der Inhaber einer Kuttelei aus dem Landkreis Haßberge.

Die Stadt Coburg hatte den Schlachthof kurze Zeit nach Bekanntwerden des Fleischskandals und dem Beginn der Ermittlungen im Juni 2013 geschlossen. Das Gelände und die Gebäude darauf werden seitdem nicht genutzt. Wann über die Zukunft des ehemaligen Schlachthof-Areals entschieden wird, ist nach Auskunft von Michael Selzer, Pressesprecher der Stadt Coburg, noch nicht geklärt. Bisher hieß es, dass die ehemaligen Schlachthof-Gebäude – bis auf das denkmalgeschützte Verwaltungsgebäude – abgerissen werden, um dort Platz für Neubauten zu schaffen. Hierzu soll auch das Gelände des benachbarten alten Güterbahnhofs einbezogen werden. Ob dort, wie es bereits im Gespräch war, Ausgliederungen der Fachhochschule unterkommen können, ist laut Selzer zwar denkbar, aber ebenso offen.

Im Mittelpunkt der im Sommer vergangenen Jahres aufgekommenen Vorwürfe rund um den Coburger Schlachthof stand von Beginn an die Firma Dellert-Fleisch, die als mit Abstand größter Mieter im Coburger Schlachthof etwa 80 Prozent des dortigen Umsatzes ausgemacht hat.

Jobs weg

17 Dellert-Mitarbeiter hatten ihren Job verloren, als ihre Firma den Betrieb einstellte. Die 40 Schlachthof-Mitarbeiter, die bei der Stadt Coburg beschäftigt waren, fanden größtenteils eine Stelle in anderen städtischen Betrieben oder schieden aus Diensten der Stadt aus. Vier Mitarbeitern kündigte die Stadt, mit Zweien schloss sie Aufhebungsverträge.

Dass auch 15 Monate nach Bekanntwerden des Coburger Ekelfleischskandals noch immer keine Anklage vorliegt, begründet die Staatsanwaltschaft mit dem Umfang der Ermittlungen. Bereits im Februar dieses Jahres hat Leitender Oberstaatsanwalt Lohneis gegenüber unserer Redaktion erläutert, die Ermittler würden nicht nur die Machenschaften im Schlachthof genau unter die Lupe nehmen, sondern auch die komplette Handelskette des verdächtigen Fleisches aufdröseln: vom Zerlegebetrieb, über den Händler bis zu den Abnehmern.

Aus den jüngsten Aussagen der Staatsanwaltschaft ist abzuleiten, dass das K3-Fleisch ahnungslosen regionalen Metzgereien und Gastronomiebetrieben als hochwertiges Fleisch verkauft wurde – zu regulären Preisen. Damit dürften am Fleischskandal in erster Linie die vier Verdächtigen profitiert haben, gegen die die Staatsanwaltschaft in wenigen Wochen wahrscheinlich Anklage erheben wird.

Dies dürfte jedoch das mulmige Gefühl, das manche Fleischesser in der Region nach dem Aufdecken des Coburger Fleischskandals beschlichen hat, nur bedingt vertreiben.

Um seine Gesundheit braucht sich – anders als um den guten Appetit – jedoch niemand Sorgen machen: Zu keinem Zeitpunkt bestand der Verdacht, aus dem Coburger Schlachthof könnte gesundheitsgefährdendes Gammelfleisch in Umlauf gebracht worden sein; hierzu haben laut Staatsanwaltschaft die bisherigen Ermittlungen keinen Anhaltspunkt ergeben. Doch auch K3-Fleisch ist schon eklig genug.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Birkach
Michael Mößlein
Ekelfleisch
Metzgereien und Schlachtereien
Oberstaatsanwälte
Schlachthöfe
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Veraltete Benutzerkennung
    ...und einmal mehr wird deutlich, wozu Menschen aus reiner Profitgier fähig sind - erbärmlich!!!
    Man muss sich leider immer öfter die Frage stellen: "Ist der Mensch tatsächlich das intelligenteste Lebewesen auf diesem Planet"?

    Oldie55
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Veraltete Benutzerkennung
    des Ekelfleisches nicht sein, wenn noch nicht einmal gelernte Metzger den Unterschied auf Anhieb bemerken.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten