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Zeil
Eintauchen in eine schreckliche Epoche Zeils
Ursula (rechts) erzählt ihrer Schwester Barbara, einer Nonne, dass der Vater als Hexer angeklagt ist. Barbara kann nicht glauben, dass das Handeln kirchlicher Würdenträger nicht gottgegeben sein könnte.
Foto: Sabine Weinbeer | Ursula (rechts) erzählt ihrer Schwester Barbara, einer Nonne, dass der Vater als Hexer angeklagt ist. Barbara kann nicht glauben, dass das Handeln kirchlicher Würdenträger nicht gottgegeben sein könnte.
Sabine Weinbeer
 |  aktualisiert: 11.04.2025 02:43 Uhr

Auf 250 Seiten schildert Harald Parigger in seinem Roman "Die Hexe von Zeil" das Leiden einer jungen Frau zur Zeit der Hexenverbrennungen. In dieser dunklen Zeit erlangte Zeil am Main traurige Bekanntheit und die Geschichte wurde mit dem Dokumentationszentrum detailliert aufgearbeitet. Mit der "Wanderlesung" zum Roman haben fünf Frauen dieser Aufarbeitung nun noch eine weitere Spielart hinzugefügt, die am Wochenende in zwei Aufführungen knapp 80 Menschen in den Bann zog.

Monika Schraut, Theologin, Musikschullehrerin und Germanistin, hat mit Martina Angebrand, Christa Doelker, Petra Hohenberger und Ute Wolf ein Team um sich geschart, das es schafft, mit einfachen Mitteln, aber viel Ausdruck in der szenischen Darstellung, mit Musiksequenzen und Lese-Passagen eine eindrucksvolle Dichte zu schaffen, die das Publikum in ihren Bann zieht. Dreimal wird der Spielort gewechselt, die Frauen und Männer unterhalten sich und direkt am nächsten Platz werden sie wieder vom Martyrium von Ursula Lamprecht umfasst.

In der Anna-Kapelle beginnt die 'Wanderlesung' mit Musik in den ersten Szenen (von links): Ute Wolf, Yvonne Halfter, Monika Schraut und Christa Doelker.
Foto: Sabine Weinbeer | In der Anna-Kapelle beginnt die "Wanderlesung" mit Musik in den ersten Szenen (von links): Ute Wolf, Yvonne Halfter, Monika Schraut und Christa Doelker.

Das Schicksal des Bamberger Bürgermeisters Johannes Junius ist durch Originalbelege in Zeil dokumentiert. Seine Tochter Veronika war für Harald Parigger die Vorlage für Ursula, die Hauptperson des Romans und der Wanderlesung, gelesen von Martina Angebrand.

Nachdem ihr Vater als Hexer angeklagt ist, die Mutter bereits als Hexe geköpft und dann verbrannt wurde, gerät auch Ursula in die gnadenlose Maschinerie der Hexenverfolgung. In der Anna-Kapelle, im Hexenturm in fast völliger Dunkelheit, im Dokumentationszentrum und im Zeiler Rathaussaal tauchen die Teilnehmer ein in eine Zeit der grausamen Entartung von Kirche und Gesellschaft.

Atmosphäre der Betroffenheit geschaffen

In zeitaufwändiger Detailarbeit ist es Monika Schraut als Regisseurin gelungen, den gesamten Handlungsbogen des Romans und seine beklemmende, bedrohliche Stimmung in eine zweieinhalbstündige Aufführung zu transportieren. Dabei wird auf jede Effekthascherei und auch die grausamsten Stellen des Romans verzichtet. Es braucht keine detaillierte Schilderung der Folter, Christa Doelker, Petra Hohenberger und Monika Schraut lesen die Erzählteile und weitere Rollen mit solcher Eindringlichkeit, dass das Ambiente von Originalschauplätzen, gedämpftes Licht und die Klänge von Querflöten und Saxophon genügen, um eine Atmosphäre der Betroffenheit zu schaffen – besonders auf den Stufen des Hexenturms wie früher im "Angstloch" im Dunkeln zu sitzen, lässt Zuhörerinnen und Zuhörer erschauern. Applaus brandet erst auf, als die Lesung abgeschlossen, die Flucht gelungen und der Silberstreif der Hoffnung in einer Sonate für drei Flöten von James Hook fühlbar wird.

Der Applaus gilt auch der Mitteilung, dass die Eintrittsgelder dafür gespendet werden, an der Mittelschule Zeil/Sand Selbstbehauptungskurse für Mädchen zu finanzieren. Denn die fünf Frauen wollen mit ihrem Projekt das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken, indem sie auf die infamen Mechanismen der Hexenverfolgung hinweisen, die auch heute noch immer wieder greifen, wenn es um Vorverurteilung, Diffamierung und die Suche nach wehrlosen Sündenböcken geht.

Weitere Aufführungen sollen folgen.

Zwei Frauen in schwarz, zeitgenössische Kopfbedeckungen, die Präsentation mittelalterlicher Folterinstrumente an den Stellwänden, im Hintergrund ein Schreiberpult mit Original-Mitschriften von Verhören – wenige Mittel aber eindringliche Darstellung schaffen eine ganz besondere Stimmung.
Foto: Sabine Weinbeer | Zwei Frauen in schwarz, zeitgenössische Kopfbedeckungen, die Präsentation mittelalterlicher Folterinstrumente an den Stellwänden, im Hintergrund ein Schreiberpult mit Original-Mitschriften von Verhören – wenige ...
 
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