Er hatte hunderte Schaulustige an den Breitbrunner Steinbruch gelockt, in den sozialen Netzwerken war wild über seine Bedeutung spekuliert worden und dann – Ende vergangener Woche – war er plötzlich verschwunden: Der überlebensgroße, in Stein gemeißelte Kopf des Hollywood-Schauspielers Donald Sutherland. Am Mittwoch folgte die Auflösung in Form einer Pressemeldung des Filmverleihs Studiocanal (wir berichteten).
Wie von den Filmfans vermutet, hing das Werk mit dem Kinostart des Films „Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2“ zusammen. Der Streifen ist seit einer Woche in den deutschen Kinos zu sehen und bildet den Abschluss einer vierteiligen Romanverfilmung. Donald Sutherland spielt darin den bösen Präsidenten Coriolanus Snow, den Jennifer Lawrence in ihrer Rolle als Rebellin Katniss Everdeen stürzen will.
Fünf Wochen lang arbeitete das Bildhauerduo Steff Bauer und Sören Ernst unter strenger Geheimhaltung mit Felsfräsen, Winkelschleifern, Hammer und Meißel an der Sandsteinplastik, ehe diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit gesprengt wurde. Seit Mittwoch können Fans der „Tribute von Panem“ über Twitter mit einem Klick dazu beitragen, ein von der Sprengung gedrehtes Video freizuschalten. Dafür müssen unter twitter.com/Studiocanal_de genügend Klicks zusammenkommen.
„Für mich geht ein Traum in Erfüllung, einmal direkt in den Steinbruch zu hauen...“, hatte Steff Bauer am 7. Oktober unserer Mitarbeiterin in einer privaten Mail mitgeteilt. Allerdings hätte sie es sich im Sommer und ohne Zeitdruck gewünscht.
Ein Filmteam aus Babelsberg, beauftragt von Hollywood, hatte beim Bamberger Natursteinwerk von Martin Graser und Hermann Graser jun. angefragt, ob es möglich wäre, einen Kopf direkt in die Felswand eines Steinbruchs zu hauen. Daraufhin rief Martin Graser bei dem Bildhauerpaar in Schweinfurt an, um zu erfahren, ob die beiden Künstler sich das zutrauten.
Die Freude bei den Bildhauern war groß. Der Kopf des Präsidenten Snow sollte auf fünf Meter in den Breitbrunner Steinbruch gehauen werden. Die Filmleute forderten, dass nichts verraten werden darf. Vor allem konnte man wohl keine Schaulustigen gebrauchen. Das war der Anfang der Geschichte um das ominöse Steingesicht. Was folgte, war für die beiden Bildhauer „ein echter Knochenjob“, denn die Zeit war knapp bemessen. Vor dem Start des Films in deutschen Kinos am 19. November sollte alles fertig sein. „Das war eine extrem sportliche Herausforderung“, bemerkt Martin Graser am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Vorher habe es mehrere Anfragen der Filmleute an andere Unternehmen in ganz Deutschland gegeben, aber keines habe sich dieser abenteuerlichen Aufgabe gestellt.
„Wir sind eine Firma, die sich immer wieder den Anforderungen des Marktes anpasst. Es geht immer nur, wenn verschiedene Fachrichtungen gut zusammenarbeiten“, lautete Grasers Fazit. Die Kooperation mit Steff Bauer und Sören Ernst habe sich schon mehrfach bewährt.
Für die Skulptur, die in Anlehnung an die Präsidentenköpfe am weltberühmten Mount Rushmore in den USA zu schaffen war, wurde der Sandsteinbruch bei Breitbrunn ausgewählt. Arbeiter des Bamberger Unternehmens bereiteten einen Teil der Steinwand mit dem Kettenbagger und der Fräse maschinell vor, dann war für die beiden Bildhauer Flexen und Hauen angesagt.
Das Wetter war an den meisten Tagen denkbar schlecht, herbstlich kalt und ständig feucht. „Manchmal sahen wir total verdreckt aus“, sagt Bauer. „Ich wusste gar nicht, ob ich schwindelfrei bin, aber man wächst ja bekanntlich an seinen Aufgaben.“
Vorgegeben hatte der Auftraggeber lediglich ein Rasterbild, „kein dreidimensionales Bild“, wie Bauer betont. Danach arbeite das Duo das Gesicht, das dann anstatt fünf sogar zehn Meter groß wurde, aus dem Stein heraus. Es musste nicht nur schnell gehen, zumal die Tage kurz und die Lichtverhältnisse jahreszeitlich bedingt schlecht waren, das Konterfei sollte seinem lebenden Vorbild auch ähnlich sehen. „Wir wussten alle zusammen nicht, ob das gelingen würde“, geben Bauer und die beiden Grasers zu. Es sei von Anfang an ein Grundvertrauen da gewesen, das sich auf die bisherigen Erfahrungen aus erfolgreicher Zusammenarbeit stützte. „Das war auch für uns etwas Neues, zumal Werbung in sozialen Netzwerken eher untypisch für uns ist.“
Der ursprüngliche Plan der Filmverleihfirma Studiokanal war, die Aktion mit der Sprengung des Präsidentenkopfes werbewirksam am Samstag vor dem Kinostart im Internet zu starten. Doch dann funkte der IS dazwischen. Wegen der Anschläge von Paris erschien es den Verantwortlichen doch etwas pietätlos, die Fangemeinde dazu zu animieren, die „Sprengung“ des Präsidentenkonterfeis per Mausklick voranzutreiben.
Knapp zwei Wochen später später, am Mittwoch, waren diese Bedenken offenbar verflogen. Am Donnerstagabend stand der „Fortschrittsbalken“ bei knapp 45 Prozent, es wird also noch ein paar Klicks brauchen, bis die Panem-Fans das Video der Sprengung bewundern dürfen.