Immer wieder hatte der Angeklagte Ware im Internet gekauft und jedes Mal vom Girokonto seiner 84-jährigen Oma bezahlen, die davon nichts wusste. Das zeuge von einer „erheblichen kriminellen Energie“, betonte Amtsrichterin Ilona Conver. Der mehrfach vorbestrafte 35-Jährige, ein gelernter Maler und Lackierer, kam beim Amtsgericht mit einem letzten Warnschuss davon: Ein Jahr Freiheitsstrafe, die – wie Richterin und Staatsanwalt übereinstimmend unterstrichen – letztmals zur Bewährung ausgesetzt wird.
Vor Gericht vermittelte der Arbeiter aus dem Maintal das Bild eines geläuterten Sünders, der seine Fehltritte bereut und sein Leben umkrempeln will. Die Vorwürfe des Staatsanwalts Dr. Wedekind räumte er vollumfänglich ein. Die von der Anklagebehörde aufgelisteten 53 Betrugsfälle ereigneten sich alle im ersten Halbjahr 2017. Dabei handelte es sich in 43 Fällen um Bestellungen, hauptsächlich von Sportbekleidung, und in zehn Fällen um Handyrechnungen. Der Gesamtschaden lag bei gut 3100 Euro.
Die Betrugsfälle kamen ans Licht, als die Großmutter des Angeklagten einen Bekannten bat, ihre Kontoauszüge zu überprüfen. Dieser war früher im Verwaltungsbereich tätig. Im Zeugenstand berichtete er, nach Aufdeckung der Schadensfälle sei er mit der Kontoinhaberin zu deren Bank gegangen, wo die Rentnerin schriftlich erklärt, dass sie mit der Einziehung der Geldbeträge nicht einverstanden war. Daraufhin habe das Geldinstitut die Beträge zurückgebucht. So blieb nicht die Oma, sondern die Internethändler auf dem Schaden sitzen. Über den Angeklagten meinte der Zeuge: „Er kann halt nicht mit Geld umgehen.“
Ebenfalls als Zeugin wurde die schon gebrechlich wirkende Großmutter befragt. Sie bestätigte die Angaben ihres Bekannten, und sagte, sie sei erst einmal sehr erbost gewesen, nachdem klar wurde, dass ihr Enkel sie hintergangen hatte. Deshalb sei sie damals mit diesem Beistand zur Polizei gefahren um Anzeige zu erstatten. Schon tags darauf habe sie diesen Schritt bereut. Sie rief bei der Polizei an und wollte die Anzeige rückgängig machen, doch dafür war es zu spät, denn die Ermittlungen waren schon angelaufen.
Der Angeklagte schilderte, wie er nach dem Tod seines Vaters immer tiefer in den Alkohol- und Drogensumpf geschlittert war. Zeitweise nahm er Kokain und Amphetamine. Rückblickend beschrieb er seinen Zustand Mitte 2017: „Ich war einfach nicht mehr ich.“ Am 3. Oktober lieferte ihn der Rettungsdienst in ein Krankenhaus ein, wo er sofort auf die Intensivstation verlegt wurde. „Das hat mir die Augen geöffnet“, bekannte der Drogensüchtige.
Nun habe er schon etliche Termine bei der Suchtberatung wahrgenommen und ernsthafte Schritte für eine stationäre Drogentherapie in die Wege geleitet. Zudem habe er begonnen, Ratenzahlungen an die Inkassofirmen zu leisten, die die Forderungen eintreiben. Zudem erledige er für seine Großmutter die Einkäufe, koche und wasche für sie – was diese ausdrücklich bestätigte.
Obwohl er sechs Vorstrafen hat und bei der Tat unter laufender Bewährung stand, erkannte der Staatsanwalt die Bemühungen an und beantragte eine Haftstrafe mit erneuter „allerletzter Chance.“ Pflichtverteidiger Alexander Wessel bekräftigte: „Mein Mandant will reinen Tisch machen.“ In der Urteilsbegründung bescheinigte Richterin Conver dem Verurteilten, dass er „viele Schritte in die richtige Richtung“ gemacht habe. Allerdings warnte sie: „Beim nächsten Mal ist Schicht im Schacht, da sehen Sie die Gitterstäbe vor der Nase.“ Das Urteil ist rechtskräftig.