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Bamberg
Eine verrückte „Stille Nacht“ in Bamberg
Erzbischof Ludwig Schick feierte wie gewohnt und doch anders die Christmette im Dom.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Erzbischof Ludwig Schick feierte wie gewohnt und doch anders die Christmette im Dom.
Marion Krüger-Hundrup
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:28 Uhr

Vieles ist derzeit nicht planbar, ist zerbrechlich, unsicher. Innere Anspannung beherrscht die Gefühlswelt. Auch Verletzungen. Corona schlägt Wunden. Und mitten in diese offenen Wunden aus einer Zeit, die das Fürchten lehrt, ertönt es: „Fürchtet euch nicht! Euch ist heute der Retter geboren!“ Gott wird durch Jesus einer von uns, mit unseren Hoffnungen und Freuden, mit unseren Sorgen und unserer Angst!

Tatsächlich war und ist gerade zu Weihnachten 2020 die Sehnsucht nach Trost und Zuversicht groß. Die katholischen und evangelischen Pfarreien in Bamberg haben dies erspürt und dem Rechnung getragen: Nahezu 150 verschiedene Gottesdienste unter der Maßgabe strenger Hygienevorschriften gab es an den Feiertagen, wobei der Heilige Abend besonders im Fokus stand. Die „Stille Nacht, heilige Nacht“, die sonst so freudig laut besungen wird, war heuer anders. Anders als gewohnt: „irgendwie daneben, ver-rückt in verrückten Zeiten“, wie Hans-Martin Lechner in der Christvesper der Stephansgemeinde unter freiem Himmel sagte.

Der Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks Bamberg bezeichnete Weihnachten 2020 dennoch als „besonders stimmig“: „Ohne Obdach bringt Maria in einem kalten, stinkenden Stall ihr Kind zur Welt – den Sohn des Höchsten!“ Gott, „der Vater allen Lebens“, komme zu uns Menschen und wähle diesen geradezu „verrückten Weg, um uns allen zu sagen: Gerade in verrückter Zeit bin ich euch nahe, bin ich bei euch und begleite euch – auch wenn alles noch so schlimm scheint und wohl auch ist“, so Dekan Lechner. Die Coronapandemie mache auf erschreckend beeindruckende Weise deutlich, dass „wir alle im selben Boot sitzen und nur gemeinsam – in der Verantwortung für uns selbst und in der Verantwortung füreinander – eine gute Zukunft haben können“, schlussfolgerte der Prediger.

Diese Zukunft begann in der „Stillen Nacht“ in gottesdienstlichen Feiern auf der Altenburg, im Hain, ja sogar im Biergarten. Denn die Obere Pfarre hatte dank der Wirtsleute Tobias und Andrea Konrad den Wilde-Rose-Keller für Andachten herrichten können. Wie andernorts trugen viele Ehrenamtliche dazu bei, dass diese „Weihnacht auf’m Keller“ eine Kraftquelle wurde. Die überwiegend jüngeren Besucher konnten sich authentisch wie die Hirten auf dem Felde fühlen, als das Weihnachtsevangelium nach Lukas von Lektorinnen vorgelesen wurde. Kälte zog über die Füße die Beine hoch. Und doch gab es eine Ahnung von Licht und Wärme, von Vertrauen und Verlässlichkeit, die anrührte. Dazu trugen auch die bekannten Weihnachtslieder bei, die Pastoralreferent Christian Schneider am Keyboard und Veronika Firsching am Cello anstimmten. Mitsingen war der Gemeinde coronabedingt nicht erlaubt. Doch als die Cellistin ihr Instrument beiseite legte und eben dieses altbekannte Lied „Stille Nacht“ mit ihrem Sopran in den dunklen Himmel schickte, summten einige unter ihren Masken mit.

So war es auch im Dom, in dem am Ende der Christmette mit Erzbischof Ludwig Schick das elektrische Licht gedimmt wurde, damit die „Stille Nacht“ durchbrechen konnte. Ein Streich-Quintett und ein Flötist der Bamberger Symphoniker halfen den zehn Sängerinnen der Domkantorei bei diesem Weihnachtsklassiker. Wie überhaupt die gesamte Mette mit festlichen musikalischen Klängen unter der Leitung von Domkapellmeister Werner Pees gestaltet war.

Erzbischof Schick nannte die Kernbotschaft von Weihnachten: „Gott geht auf allen Wegen mit uns.“ Gerade auch mit den Kindern und Jugendlichen, die bei aller Sorge um die älteren und alten Menschen im Mittelpunkt des Festes stünden: „Im Zentrum steht das Kind, das Gottes- und Menschenkind Jesus in Betlehem“, so der Erzbischof. Die Corona-Pandemie erschwere zum Beispiel das Leben in kinderreichen Familien auf engstem Raum ohne große Wohnungen und Gärten zum Spielen zusätzlich. Schick richtete den Blick auch auf die Kinder in den Krisenregionen dieser Erde, die unter Kriegen, Flucht, Vertreibung und Hungersnöten leiden. Das Kind in der Krippe verpflichte dazu, „mit ihm alle Kinder und Jugendliche dieser Welt zu lieben“. Denn sie seien ein Geschenk und sollten leben und sich entwickeln, sollten Zukunft haben und aufbauen.

Diese Christmette feierten fast 5000 Gläubige via Livestream mit. Sogar im fernen westafrikanischen Senegal gab es Mitfeiernde mit den Bambergern: Kathrin Heil, Fachkraft für die Bistumspartnerschaft Bamberg-Thiès, war dankbar für dieses Angebot aus ihrer Heimat.

Einen ganz anderen Weg, die Heilige Nacht und überhaupt Weihnachten zu würdigen, ging die evangelische St. Matthäus-Gemeinde in Gaustadt. Denn kurzfristig waren sämtliche Gottesdienste – auch die auf der Kirchenwiese und an der Erba-Spitze – wegen Bedenken hinsichtlich möglicher Infektionsquellen abgesagt worden: „Wir konnten es nicht verantworten“, begründet Pfarrerin Jutta Müller-Schnurr diesen Entschluss. Dafür hätten ehrenamtliche Gemeindeglieder 1200 Weihnachtstüten gepackt und an die Haushalte verteilt. Tüten mit einer Liturgie für die Feier daheim, mit Liedblatt, Ansprache und Bastelbogen für die Kinder.

Authentische Weihnachten erlebten die Besucher der Andachten auf dem Wilde-Rose-Keller.
Foto: Marion Krüger-Hundrup | Authentische Weihnachten erlebten die Besucher der Andachten auf dem Wilde-Rose-Keller.
 
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