
Fast ehrfürchtig legt Johannes Faber seine Hand auf den Steinkoloss vor seiner Werkstatt in Goßmannsdorf und schmunzelnd sagt er: "Das Kunstwerk ist ja schon drin. Ich muss es jetzt nur noch rausholen". Das war vor wenigen Wochen. Inzwischen befreit Faber die "Mutter der Stadt" aus ihrem steinernen Gefängnis, die Skulptur nimmt im wahrsten Sinne des Wortes Gestalt an. Nicht anders bestimmen Hammer und Meißel in der Werkstatt von Christopher Schmeißer in Lendershausen das Bild. "Das Hofheimer Orakel" heißt sein Beitrag als Künstler für die Verschönerung der Innenstadt. Dritter Künstler im Bunde für dieses Vorhaben ist Siegbert Herkert. Nur wenige Schritte von der werdenden "Mutter der Stadt" wartet sein Kunstobjekt, ein überdimensionales Insekt, eigentlich nur darauf, in Richtung Hofheimer Kreisel losfliegen zu können.

So unterschiedlich ihre Kunstobjekte auch sind, so identisch ist der Beweggrund der drei Künstler, sich an der Idee der Stadt zu beteiligen, mit Kunstobjekten die neue Hauptstraße noch aufzuwerten: Verbundenheit zeigen mit der Stadt Hofheim als ihrer Heimat, berichten sie in Gesprächen mit der Redaktion. Finanzieller Anreiz kann's auf jeden Fall nicht gewesen sein, denn Faber und Schmeißer sponsern ihre Skulpuren, Herkert zeigt sein Insekt, das einmal auf dem Kreisel stehen wird, als Dauerleihgabe.
Fast zehn Tonnen wiegt der Stein, aus dem derzeit bei Johannes Faber die "Mutter der Stadt" entsteht. Arbeitstitel seiner Skulptur war "Söhne und Töchter der Stadt". Und so wird das fertige Kunstwerk nicht nur einen Frauentorso zeigen, sondern eben zu ihren Füßen zwei Kinder, die zur "Mutter Stadt" kommen, zu ihr zurückkehren, wie der 35-jährige Faber erläutert. Die Skulptur soll ausdrücken, dass die Stadt Geborgenheit bietet, dass es Vertrauen gibt, zu ihr zu kommen, dass sie bereit ist, ihre "Kinder" aufzunehmen, Heimat zu bieten.
Bewusst hat der gelernte Steinmetz, der im vergangenen Jahr den Betrieb in Goßmannsdorf übernommen hat, in dem er ausgebildet wurde und seit 20 Jahren arbeitet, auch den Stein aus der Heimat gewählt: Burgpreppacher Sandstein.

Das größte Problem bei der Umsetzung des kleinen Gips-Models in den rund drei Meter hohen Stein: die Skulptur so herauszuarbeiten, dass sie auch in den Block passt. Und dabei auch die Besonderheiten des Steins, wie etwa Risse, zu berücksichtigen. Faber: "Der Stein hat immer ein Mitspracherecht. Vieles wird sich erst beim Arbeiten ergeben. Man muss halt immer mit dem Stein arbeiten, nicht gegen ihn."
Stück um Stück entsteht derzeit die Skulptur. Je nach dem wie er Zeit findet neben seinen eigentlichen Aufträgen. Bliebe er an einem Stück drüber, wären es wohl rund sechs Wochen Arbeit, die in der "Mutter der Stadt" stecken.
Nicht anders geht es Christopher Schmeißer mit seinem "Hofheimer Orakel". Wie Faber auch, verwendet er Burgpreppacher Sandstein. "Weil ich gezielt heimatnahe Materialien haben wollte", so Schmeißer. "Der Burgpreppacher Sandstein ist das härteste Material aus unserer Heimat", sagt der 32-jährige Steinmetz- und Steinbildhauermeister. Was Schmeißer an dem Stein begeistert ist auch die Farbvielfalt, von hellgrau bis hin zu leichten Brauntönen.
Und wie wird das "Hofheimer Orakel" einmal aussehen? Aus dem rund drei Tonnen schweren Stein hat er inzwischen schon eine Sitzfläche herausgearbeitet. Sitzfläche und "Rückenlehne" werden aus Granitauflagen. Neben der Sitzfläche, auf einer Erhöhung, bringt Schmeißer eine Drehscheibe aus Granit an. Auf dieser kugelgelagerten Scheibe sind verschiedene Alternativen angezeigt, was derjenige, der das Orakel befragt, als nächstes tun könnte, wenn die Scheibe an einem Zeiger anhält. Welche "Orakel-Sprüche" dort zu finden sein werden, ist derzeit noch geheim. Aber nachdem es in der Nähe zur Gastronomie seinen Platz finden wird, dürfte wohl auch ein Spruch wie etwa "Trink' mer a Bier" zu finden sein.

Auch wenn das "Orakel" Spaß machen, unterhalten soll, sieht Schmeißer aber auch Symbolcharakter darin. "Ich wollte auf jeden Fall etwas Bewegliches machen, nachdem wir doch eine Zeit des Wandels haben." Für ihn bedeutet das auch: "Es muss mit Hofheim weitergehen."
Er versteht seinen Beitrag zudem als "Heimatverbundenheit in Stein gemeißelt". Und dies ist nicht das erste Mal, dass er dazu beiträgt. Sein Meisterstück, eine Stele, spendete er für den neugestalteten Dorfplatz in Stöckach. Und sein Vater Karl-Heinz Schmeißer stiftete sein Meisterstück zum Abschluss der Marktplatzsanierung in Hofheim im Jahr 1995.
Nicht aus Stein, sondern aus Stahl ist das dritte Objekt. Geschaffen hat es der Goßmannsdorfer Metallgestalter und Metall-Künstler Siegbert Herkert. Allerdings ist aus hartem Stahl eher Filigranes entstanden: ein Insekt. Und wie alle seine Kunstwerke, hat er es mehrheitlich aus Teilen geschaffen, die schon einmal verbaut waren. "Fundstücke inspirieren mich einfach", sagt der 63-jährige gelernte Maschinenbautechniker.
Dies ist in seinem Hof in Goßmannsdorf unübersehbar. "Das Thema Wiederverwertung hat mich immer bewegt", sagt Herkert. Und das war nicht anders mit seinem Anwesen, das er einmal als "eigentlich abbruchreif" übernommen hatte. Herkert ist viel in der Welt herumgekommen, hat in Italien gearbeitet, unter anderem in Südamerika viele andere Kulturen kennengelernt, Natur dabei immer besonders schätzen gelernt.

Dass er dieses Objekt für den Standort am Kreisel ausgesucht hat, hat deshalb auch einen besonderen Hintergrund: Es soll die Menschen für die Natur sensibilisieren, so Herkert. Gerade angesichts der derzeitigen Diskussion um das Insektensterben. Der Kreisel am Goßmannsdorfer Tor ist für Herkert ein guter Platz, um genau diesen Zweck zu erfüllen. Es ist übrigens nicht der erste Standort, auf dem sich das stählerne Objekt niederlässt. Eine geraume Zeit stand es auch im Botanischen Garten in Erlangen.
Dass die drei Künstler bereit waren, Werke für Hofheim zur Verfügung zu stellen, das freut unterdessen auch den Hofheimer Werner Mock. Der frühere Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft hatte den Anstoß gegeben, die Stadt hatte daraufhin die Künstler angeschrieben. Mocks Idee: einen Skulpturenweg schaffen.