Von Martin Köhl und Marion Krüger-Hundrup
Wenn eine Persönlichkeit, die das musikalische Leben Bambergs 33 Jahre lang wesentlich mitgeprägt hat, aus dem aktiven Dienst scheidet, hätte man eigentlich eine opulente musikalische Finissage erwarten dürfen. Aber daraus, Corona sei’s geklagt, wird nichts. Und so muss Werner Pees, Bambergs langjähriger Domkapellmeister, jetzt leise abtreten. Aber irgendwie passt das auch zu ihm, denn er gehört schon immer zu jener rarer werdenden Spezies Mensch, die alleine durch ihr Wirken überzeugen will, nicht durch umtriebiges Marketing für’s eigene Ego.
So bar jeglicher Eitelkeit lässt sich für ihn wohl prognostizieren, dass er in einem Wettbewerb um den Meister des understatement als der klare Sieger hervorgehen würde. Sieger auch im rechten Verständnis einer Musik in Gottesdiensten, die Werner Pees als „Mitwirkung an der Liturgie“ versteht, wie er sagt: Die Domsänger und –sängerinnen „sind Mitliturgen und keine Auftretenden, wir geben kein Konzert in der Messe!“
Und er fügt unmissverständlich hinzu: „Ohne geistlich-spirituellen Hintergrund versteht man die Kirchenmusik nicht.“ So sei auch jedes geistliche Konzert, das er durchaus auch mit Chor, Orchester, Solisten gegeben habe, für ihn ein einziges „Lob Gottes“. Ein Credo, das der 65-jährige verheiratete Familienvater von drei inzwischen erwachsenen Kindern nicht nur in seinem Berufsleben verinnerlicht hat.
"Aushängeschild der Erzdiözese"
Kein Wunder also, dass Erzbischof Ludwig Schick den Domkapellmeister im Blick auf die Kirchenmusik und Musik allgemein als „Aushängeschild der Erzdiözese und der ganzen Kirche“ bezeichnet. Werner Pees werde auf Grund seiner kirchenmusikalischen Arbeit bei den Kirchenmusikern und vielen Gläubigen in ganz Deutschland sehr geschätzt. Durch seine Integrität und Gradlinigkeit sei Werner Pees zum Vorbild von Generationen von Sängerinnen und Sängern geworden, so der Erzbischof.
Werner Pees trat nach dem Abschluss seines kirchenmusikalischen Studiums (mit dem A-Examen) in Aachen 1982 eine Stelle als Organist und Chorleiter am Wetzlarer Dom an. Dort war aufgrund einer Besonderheit – es handelt sich um eine evangelisch-katholische Simultankirche – eine Fähigkeit gefragt, die ihn immer ausgezeichnet hat: kompromissbereit zu sein und stets nach Lösungen im besten Einvernehmen zu suchen. Als er am Ende dieser Tätigkeit 1988 nach Bamberg kam, war diese Tugend abermals gefragt, denn die Zeit der Personalunion von Domorganist und Domkapellmeister ging mit Wolfgang Wünsch nach wenigen Jahren zu Ende. Zunächst vor allem Leiter des Amtes für Kirchenmusik der Erzdiözese, bekleidete er ab 1995 darüber hinaus das Amt des Domkapellmeisters.
Werner Pees hat immer betont, dass der Chorarbeit seine besondere Neigung gilt. Insofern war es sicherlich in seinem Sinne, dass fortan die Domorganistenstelle abgetrennt und dann ja auch mit Markus Willinger von einem exzellenten Kollegen bestritten wurde. Insofern war die Konzentration auf den chorischen Bereich naheliegend: „Chöre waren meine Hausmannskost! Sagen Sie bloß nichts gegen einen guten Eintopf! Wir gönnten uns ja auch Haute Cuisine!“ lacht Pees auf, der seinen feinen Humor selbst in bitteren Momenten nicht verliert.
Mädchenkantorei gegründet
Dem damals schon 800 Jahre alten Bamberger Domchor stellte er 1995 die Domkantorei zur Seite und 2002 die „Schola“ als Favoritchor. Die Gründung einer Mädchenkantorei im Jahre 1989 darf getrost als Paukenschlag bewertet werden, markierte sie doch einen bemerkenswerten Einschnitt in der – bis dato fast ausschließlich männlich geprägten – Tradition katholischer Kirchenmusik. Ein Jahr lang musste Werner Pees gegen die Widerstände aus dem Domkapitel kämpfen, bevor es zähneknirschend Ja zu den singenden Mädchen in der Bischofskirche sagte.
Während seiner Zeit als Diözesanmusikdirektor erarbeitete Pees ein kirchenmusikalisches Gesamtkonzept, das unter anderem die Schaffung neuer Stellen für eine qualifizierte Versorgung der Diözese, die Organisation halbjährlicher Chortreffen in Vierzehnheiligen, die regelmäßige Publikation „Kirchenmusik im Erzbistum“ und die Realisierung zahlreicher CD-Aufnahmen umfasste. Darüber hinaus profilierte er sich mit eigenen Kompositionen, Fachartikeln und musikeditorischen Beiträgen. Für die zeitgenössische Musik hat sich Werner Pees mit Nachdruck eingesetzt, wie diverse oratorische Aufführungen im Kaiserdom belegen.
Neuland hat er auch mit der Pflege der großen Oratorien Johann Sebastian Bachs betreten, die er erstmals in historisch informierter Aufführungspraxis in den Dom brachte. Was noch vor einem halben Jahrhundert kaum denkbar war, ist in Bamberg zur Regel geworden: Domorganist und Domkapellmeister haben den Werken des Thomaskantors in einem katholischen Gotteshaus einen privilegierten Platz eingeräumt. Ein weiteres Verdienst in der Ökumene: Werner Pees knüpfte gerade auch im 500-jährigen Reformationsjubiläum 2016 mit der Konzertreihe „Ut Unum Sint“ („auf das sie eins seien“) zur evangelischen Gemeinde St. Stephan enge Bande.
Pädagogisches Geschick
Darüber hinaus bewies der Domkapellmeister pädagogisches Geschick erster Güte: Ihm gelang es mit Bravour, schon Kleinkindern eine musikalische und chorische Früherziehung angedeihen zu lassen. Durch das gelebte Miteinander lernten die Kleinen und Heranwachsenden Werte wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Fleiß, aber auch Mitmenschlichkeit, Toleranz und Neugier auf andere Kulturen und Religionen. „Es gibt keine bessere Selbsterziehung als die durch Kinder, sie halten einem den Spiegel vor, und ich habe viel gelernt dabei“, sagt Werner Pees über den „beglückenden Umgang mit Kindern, die man mögen muss“. Wie „man“ Menschen generell mögen muss, wenn im Laufe der Jahre über 3000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene zur Höchstqualität der Domchöre geführt werden konnten, wie es Pees getan hat.
Er blicke mit der „Grundhaltung Dankbarkeit“ auf seine Bamberger Jahre zurück, erklärt der scheidende Domkapellmeister. Verhehlt aber nicht, dass er durchaus auch Kritik anmerken könne. Zum Beispiel über seine oftmals vergeblichen Versuche, „die Sprache der Liturgie aus der Monokultur der Messe“ zu holen. Nicht immer hätten die geistlichen Herren auf dem Domberg offene Ohren gezeigt.
Pilgern auf dem Jakobsweg
Das berühmte schwarze Loch im Ruhestand befürchtet Werner Pees nicht. Auf ihn wartet der Jakobsweg, den er wieder pilgern möchte. Sein Klavier für die Hausmusik, die vielen noch ungelesenen Bücher etwa von russischen Literaten. Und der eine halbe Tonne schwere Steinbackofen im Garten, den ihm der Domchor zum Abschied geschenkt hat: „Brotbacken ist meine Leidenschaft!“
Derzeit ist noch offen, wer Nachfolger oder Nachfolgerin von Werner Pees wird. Das Bewerbungsverfahren läuft. Die vorübergehende Teamleitung der Dommusiker hat Markus Willinger übernommen, die bisherige Assistentin des Domkapellmeisters, Franziska Bauer, kümmert sich um die laufende musikalische Mitgestaltung der Gottesdienste im Dom.