In unserer Serie „Was würdest du tun?“ stellen wir regelmäßig Menschen aus dem Landkreis Haßberge vor, die erzählen, wie sie arbeiten, was sie verdienen und was sie tun würden, wenn sie nicht arbeiten müssten. Heute berichtet die 25-jährige Ariana Schmidt.
Mein Job
Beruf: Ich arbeite als Einzelhandelskauffrau für eine große Supermarktkette. Den Großteil meiner Arbeit verbringe ich hinter der Kasse, hin und wieder bin auch für unsere Post- oder Lottostelle verantwortlich. Die Vielseitigkeit und den Kundenkontakt finde ich super – besonders wenn ich dabei unter hohem Zeitdruck stehe, fühle ich mich wohl. Ich kann es einfach nicht leiden, nichts zu tun zu haben und brauche stets Herausforderungen.
Doch gerade der Kundenkontakt gehört manchmal auch zu den Schattenseiten meines Berufs. Manche Kunden behandeln uns wie Menschen zweiter Klasse – da mangelt es einfach an Respekt. Das fängt damit an, dass es einige nicht einmal schaffen, „Hallo“ und „Tschüss“ zu sagen. Ich schätze, dass das bei jedem dritten Kunden vorkommt. Oft werden der jüngeren Generation schlechte Umgangsformen vorgeworfen. Mein Eindruck ist jedoch, dass vor allem die Älteren in dieser Hinsicht Nachholbedarf haben.
Unabhängig vom Alter gibt es immer wieder Fälle, bei denen Kunden sich völlig respektlos verhalten und versuchen, Angestellte herunterzumachen. Ich selbst wurde noch nicht angemacht. Dennoch habe ich mitbekommen, wie ein Kunde eine Kollegin angeschrien hat. Weil sie Piercings trägt, hat er sie beleidigt und dazu aufgefordert, sich richtig anzuziehen – das war allerdings schon ein krasser Einzelfall. Allgemein habe ich jedoch das Gefühl, dass der Respekt immer weiter abnimmt.
Darüber hinaus habe ich bereits drei Diebstähle erlebt, ein Fall ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Als ich alleine an der Kasse war, hat ein Dieb versucht, einfach an der Kasse vorbei aus dem Supermarkt zu rennen. Ich war total geschockt und wusste nicht, was ich machen soll – zum Glück haben drei Männer den Dieb aufgehalten. Solche Momente sind aufregend und verstörend zugleich. Ich kenne auch einen Kollegen, der mit einem Messer bedroht und deswegen in die Psychiatrie eingeliefert wurde. Leider ist es unheimlich schwer, Diebe zu fassen. Die meisten kommen damit durch.
Trotz aller Herausforderungen macht mir mein Beruf wirklich Spaß. Daher finde ich es schade, dass sich nur noch wenige Menschen für den Job entscheiden. Das liegt wohl unter anderem daran, dass Vollzeitkräfte bei uns immer samstags arbeiten müssen. Daher wundert es mich auch nicht, dass mein Arbeitgeber mehr Teilzeit- als Vollzeitkräfte beschäftigt.
Angst, durch die Digitalisierung meinen Job zu verlieren, habe ich überhaupt nicht. Ich habe zwar gehört, dass es voll automatisierte Kassen bei anderen Supermärkten geben soll. Bei uns steht das allerdings bisher überhaupt nicht zur Diskussion. Die Bestellung unserer Produkte läuft weitestgehend digital und automatisiert ab. Lediglich das Obst bestellen wir selbst.
Berufsentscheidung: In meiner Mittelschule war es Pflicht, mehrere Praktika zu absolvieren. Zunächst war ich im Altenheim, aber das hat mir überhaupt nicht gefallen. Altenpfleger brauchen ein starkes Durchsetzungsvermögen und das habe ich einfach nicht. Über ein Praktikum bei einem Drogeriemarkt bin ich auf Supermärkte gekommen. Hier habe ich sofort gemerkt, dass das etwas für mich sein könnte. Am Ende habe ich drei Bewerbungen abgegeben: Bei einem Bäcker, einem Supermarkt und einem Drogeriemarkt. Über die Zusage der Supermarktkette habe ich mich sehr gefreut.
Nichtsdestotrotz war die Bewerbungsphase etwas demotivierend. Für die meisten Ausbildungsberufe wird ein mittlerer Schulabschluss oder Abitur gefordert. Meiner Meinung nach gibt es viele junge Menschen, die in der Schule nicht so gut sind, aber dafür auf der Arbeit mehr leisten können. Der Schulabschluss allein sagt aus meiner Sicht nicht viel über die Leistungsfähigkeit eines Menschen aus.
Allgemein glaube ich, dass Menschen mit Mittelschulabschluss viel zu wenig Anerkennung erhalten. Es gibt sogar ein paar vereinzelte Idioten, die sich nicht mit mir abgeben wollen, weil ich kein Abitur habe.
Ausbildung: Zunächst habe ich zwei Jahre lang die Ausbildung zur Verkäuferin bei einem anderen Supermarkt absolviert. Das war sowohl körperlich als auch geistig enorm fordernd, der Zeitdruck war extrem hoch. Für mein drittes Ausbildungsjahr zur Kauffrau im Einzelhandel bin ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber gewechselt.
Tipps: Ich würde jungen Menschen dazu raten, ein paar Praktika zu absolvieren. Zudem ist es wichtig, sich vorher gut über diesen Beruf zu informieren. Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Aufgeschlossenheit sowie Flexibilität und Selbstvertrauen sollte man auf jeden Fall vorweisen können.
Wöchentliche Arbeitszeit: Ich arbeite 40 Stunden in der Woche und immer samstags. Wann ich welche Schichten habe, ist sehr unterschiedlich. Die erste Schicht ist von 5.30 bis 14 Uhr. Die zweite Schicht von 12 bis 20 Uhr. Mein Chef legt die Schichten fest, jeder kann in der Woche zwei Wünsche abgeben.
Bedingungsloses Grundeinkommen: Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, gar nicht zu arbeiten – auch wenn ich ohne Voraussetzungen 1500 Euro im Monat erhalten würde. Ich würde vielleicht meine Stundenzahl reduzieren und einen Teil des Geldes spenden.
Darüber hinaus ist es ein großer Wunsch von mir, mehr von der Welt zu sehen. Es wäre super, wenn ich dabei für Organisationen arbeiten könnte, die Müll aus dem Meer holen und daraus Schmuck herstellen – mehr Zeit für Umweltschutz und für mich selbst fände ich genial.
Ab und zu denke ich darüber nach, mein Abitur nachzuholen und zu studieren – Mediendesign, Psychologie, Archäologie oder Literaturwissenschaft würden mich sehr interessieren. Ich lese wahnsinnig gerne Romane, aber im Moment habe ich viel zu wenig Zeit dafür.
All diese Wünsche würde ich mir aber nur mit einem Grundeinkommen erfüllen wollen, ich will nicht ewig auf meine Eltern angewiesen sein. Nichtsdestotrotz würde ich die Einführung eines Grundeinkommens auf jeden Fall begrüßen.
Meine Einnahmen
Bruttoeinkommen: Ich verdiene rund 2100 Euro brutto im Monat. Mein Urlaubsgeld beläuft sich auf rund 600 Euro brutto, das Weihnachtsgeld auf rund 1050 Euro brutto.
Nettoeinkommen: Mit Weihnachts- und Urlaubsgeld anteilig auf zwölf Monate gerechnet komme ich monatlich auf etwa 1500 Euro.
Meine Ausgaben
Wohnkosten: Ich wohne bei meinen Eltern, dafür zahle ich nichts.
Lebensmittel: Für Lebensmittel gebe ich etwa 15 Euro im Monat aus.
Handy und Internet: Auf meinen Handyvertrag entfallen 49 Euro monatlich.
Mobilität: Die Kosten für den Sprit belaufen sich im Monat auf 60 Euro, für meine Versicherung werden halbjährlich 250 Euro fällig. Die Kfz-Steuer kostet mich monatlich 25 Euro.
Versicherungen: Für eine Rechtsschutzversicherung zahle ich 230 Euro jährlich. Auf meine Arbeitsunfähigkeitsversicherung entfallen 50 Euro im Jahr. Zudem gebe ich 200 Euro im Monat für einen Bausparvertrag aus.
Kleidung und Körperpflege: Zusammen komme ich hier auf etwa 100 Euro im Monat.
Freizeit: Ich zahle 20 Euro fürs Fitnessstudio und 10 Euro monatlich für Spotify. Fürs Feiern gebe ich etwa 50 Euro, für Restaurantbesuche 30 Euro und für Bücher etwa 30 Euro im Monat aus. Einen Urlaub leiste ich mir für circa 1000 Euro im Jahr, auf Konzerte und Festivals entfallen rund 300 Euro jährlich.
So viel bleibt am Ende übrig: Am Ende bleiben mir circa 750 Euro monatlich.
„Was würdest Du tun?“
In unserer kleinen Serie befragt Felix Schwarz Menschen aus der Region, für welches Geld und unter welchen Umständen sie arbeiten und was sie tun würden, wenn sie nicht auf diese Art des Broterwerbs angewiesen wären.
Die Befragten bleiben auf Wunsch anonym, der Redaktion liegen aber die Namen und Adressen vor.
In Teil eins der Serie kam eine Augenoptikerin zu Wort, in Teil zwei hat sich unser Reporter mit einer Ergotherapeutin unterhalten. Dieser folgten die Leiterin eines Kindergartens und ein Zerspanungsmechaniker, ein Polizist, ein Verwaltungsbeamter, ein Mechatroniker, ein Sozialpädagoge und eine Produktdesignerin. Im zehnten Teil hat sich Felix Schwarz mit einer Einzelhandelskauffrau getroffen.