Eine außergewöhnliche Seniorenfeier fand dieser Tage im „Oskar-Kandler-Zentrum“ in Kirchlauter statt. Sie stand ganz im Zeichen des Todes von Professor Thomas Paul. Im Rahmen eines Gottesdienstes mit Pfarrer Dr. Matthias Rusin und einem Videofilm über die Bestattungszeremonie des Geistlichen, an der Tausende von Menschen, darunter Hunderte von Priestern und kirchlichen Würdenträgern teilgenommen hatten, wurde an den katholischen Professor aus Indien erinnert. Dieser traf in Deutschland auch mit den bekannten Theologen Hans Küng und Karl Rahner zusammen.
Seniorenleiter Peter Kirchner erinnerte daran, dass Thomas Paul in den 70er Jahren erstmals in Kirchlauter aufgetaucht war. Der indische Priester hatte in Rom studiert und kam dann per Losverfahren in die „Heiligen Länder“. „Dass er Kirchlauter als seine zweite Heimat bezeichnete, erfüllt uns heute noch mit Stolz“, meinte Peter Kirchner.
Der Altbürgermeister, der Thomas Paul gut kannte, hatte einiges über ihn zu erzählen. So habe es schon mit seinem Geburtsdatum Probleme gegeben. Tatsächlich wurde er am 20. August 1940 geboren.
Nachdem er aber schon in der Schule ein „gescheites Bürschchen“ gewesen sei, habe er Klassen übersprungen und erreichte dadurch das Mindestalter für ein Studium nicht. So habe man ihn auf der Geburtsurkunde älter gemacht und so stand dem Studium nichts mehr entgegen. Nach einem vierjährigen Studium der Atomphysik habe er sich dann für die Theologie und den Priesterberuf entschieden.
Kirchner berichtete auch, wie er abends immer mit Thomas Paul am Friedhof vorbeigehen musste, weil der indische Priester Angst hatte. Denn katholische Friedhöfe in Indien werden nur zur Beerdigung geöffnet und dann wieder verschlossen. „Dann haben wir eines Tages die Kindergartenkinder in den Friedhof von Kirchlauter geholt, die sich auch an die Grabsteine setzen. Als das Thomas Paul gesehen hat, konnte dieser gar nicht glauben, dass so etwas möglich ist.“ Der Priester habe gesagt: „Wenn ich das in Indien erzähle, glaubt mir das kein Mensch.“
Beeindruckt waren dann die vielen Senioren von der Filmvorführung der Beerdigungszeremonie von Thomas Paul in seinem Heimatort Anchilippa und der Kirche „St. Pious Church“. Peter Kirchners Tochter Birgit Schmitt hatte Kontakt zu der indischen Familie aufgenommen und seit dem Todestag des Priesters im Dezember viele Informationen erhalten.
Vieles unterscheidet sich zwischen dem Tod eines Menschen in Deutschland und in Indien. So kam Thomas Paul nach seinem Tod im Krankenhaus mit einem Sanitätsauto zurück in sein Wohnhaus und mit großen Plakaten wurde in der Stadt auf die Beerdigung aufmerksam gemacht. Am ersten Tag wurde er im Haus aufgebahrt, am zweiten vor dem Haus, denn es reisten viele Leute an, die Busfahrten von über fünf Stunden auf sich nahmen. Von seinen Neffen wurde er in einem feierlichen Zug zum Friedhof getragen. Es war ein riesiger Zug, angeführt von der Familie, dem dortigen Erzbischof, 20 weiteren Bischöfen, 500 Priestern in weißen Gewändern und einer großen Zahl von Nonnen, bevor die übrigen Trauergäste folgten. Der Sarg wurde auch begleitet von „Himmelträgern“ und zahlreichen Schirmen, welche die Verehrung des Priesters unterstreichen sollen.
Birgit Schmitt erzählte noch mehr über das Brauchtum beim Tod eines Katholiken in Indien. So trifft sich die Familie eine Woche nach der Beerdigung noch einmal zu einem Gottesdienst. Die Trauerzeit legen die Angehörigen selbst fest. Die Familie von Thomas Paul entschied sich bei der intensiven Trauerzeit für 41 Tage und eine weitere Trauerzeit von zwei Jahren gegenüber der üblichen von einem Jahr. Während dieser Zeit darf es dem Verstorbenen zur Ehre in diesem Haus kein Festessen und keine Feier wie Geburtstag, Hochzeit oder Feste wie Ostern geben.
Noch ein weiterer Brauch wäre hier unvorstellbar. Solange der Leichnam im Haus aufgebahrt ist, wird die Küche zugesperrt, im Haus wird nichts gekocht. Für die Verköstigung sind während dieser Zeit die Nachbarn zuständig.