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HASSFURT
Eine Gefahr für den Verbraucherschutz
Bärbel Höhn sprach bei ihrem Vortrag in der Stadthalle über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Mit im Bild: Kreisrat Hans Dünninger, der das Gespräch moderierte.
Foto: Peter Schmieder | Bärbel Höhn sprach bei ihrem Vortrag in der Stadthalle über die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. Mit im Bild: Kreisrat Hans Dünninger, der das Gespräch moderierte.
Von unserem Mitarbeiter Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 15.12.2020 15:21 Uhr

Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA mit den USA und Kanada sind für viele Menschen ein Reizthema – auch im Landkreis Haßberge. So hielt die Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) nach ihrem Besuch im Besuch im Steigerwald (siehe Text unten) in der Haßfurter Stadthalle einen Vortrag über die beiden Abkommen und deren mögliche Auswirkungen.

„Eines vorweg: Wir Grünen sind nicht grundsätzlich gegen Freihandelsabkommen. Aber die Frage ist: Ist es ein fairer Handel?“ Mit diesen Worten begann Höhn ihren Vortrag, zu dem gut 30 Zuhörer den Weg in den kleinen Saal gefunden hatten. Zu Abkommen wie TTIP und CETA sagte sie, früher hätten Staaten versucht, solche Dinge über die Welthandelsorganisation WTO zu klären, später seien sie allerdings dazu übergegangen, auf bilaterale Abkommen zu setzen. Ein großes Problem beim geplanten Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA sei, dass sich hier zwei konkurrierende Systeme entgegenstehen. In Europa gelte eher der Vorsorgeansatz, also der Wille, Dinge, die gefährlich werden können, gar nicht erst zuzulassen. Dieser Gedanke stehe beispielsweise hinter dem deutschen Atomausstieg oder dem Gentechnikverbot. In den USA sei es eher üblich, Dinge zunächst zuzulassen. Sollte es dann zu Problemen kommen, müssten eben die Versicherungen die Kosten tragen.

„Die Frage ist: Wie kann man die beiden Systeme zusammenbringen? Oder kann man sie überhaupt zusammenbringen?“, sagte Höhn. Besonders ging sie auf häufig von Befürwortern der Abkommen angeführte Argumente ein und versuchte, diese zu entkräften. Beispielsweise wird oft als Vorteil des Abkommens angeführt, man könne der Autoindustrie großen Aufwand ersparen, weil mit TTIP in der EU und den USA nicht mehr unterschiedliche Blinker vorgeschrieben wären. „Aber brauchen wir für die Abstimmung von Blinkern ein Freihandelsabkommen?“, fragte die Grüne. Außerdem warf sie die Frage auf, ob dieses Problem überhaupt durch das Abkommen gelöst wird, wenn es nicht einmal innerhalb der EU gelingt, Steckdosen zu vereinheitlichen.

Ein weiteres Argument für das Abkommen sei ein errechnetes Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent, mit dem auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) auf seiner Webseite für TTIP geworben habe. Diese Zahl musste der Verband jedoch wieder von seiner Seite nehmen, nachdem bei genauerer Betrachtung der Studie herausgekommen war, dass es sich um 0,5 Prozent in zehn Jahren handelte, nicht innerhalb eines Jahres. Andere Studien hätten sogar die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten ergeben.

Problematisch sieht Höhn vor allem zwei Punkte: Die Schiedsgerichte und die regulatorischen Kooperationen. Zu den Schiedsgerichten erklärte die Grüne, diese seien ursprünglich von Deutschland eingeführt worden, als es um ein Abkommen mit Pakistan ging. Da das Vertrauen in das andere Land gering war, schufen die Deutschen mit diesen Gerichten eine Möglichkeit, ihre Rechte einzuklagen. Zwischen demokratischen Industriestaaten allerdings sei diese ursprünglich sinnvolle Regelung überflüssig. Auch das Argument einer Angst der Amerikaner vor osteuropäischen EU-Staaten, in denen es noch viel Korruption gebe, sei haltlos. Auch in Osteuropa gelte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Problematisch sei, dass sich die Schiedsgerichte mittlerweile verselbstständigt hätten. Was ursprünglich die Unternehmen vor Willkür schützen sollte, führe mittlerweile dazu, dass Unternehmen gegen Menschenrechte, Umwelt- und Verbraucherschutz klagen können, wenn ihnen dadurch Gewinne entgehen können. Als Beispiele nannte Höhn prominente Fälle von Klagen der Tabakindustrie gegen den Nichtraucherschutz, Klagen gegen die Durchsetzung von Menschenrechten in Südafrika, weil die Unternehmen dadurch schwarzen Arbeitern mehr bezahlen mussten, oder Klagen ausländischer Energiekonzerne gegen den Atomausstieg in Deutschland. Schlimm sei vor allem, dass dadurch demokratische Entscheidungen ausgehebelt werden können oder zumindest hohe Entschädigungen kosten würden. Höhn warnte davor, sich nur auf TTIP zu konzentrieren. Vergessen dürfe man auch das Abkommen CETA mit Kanada nicht. Da viele US-Unternehmen Tochterfirmen in Kanada haben, könnten sie auch ohne TTIP auf diesem Wege gegen Europa klagen.

Als zweites großes Problem nannte sie die regulatorischen Kooperationen. Mit diesen sollen laut Höhn Handelshemmnisse abgebaut werden. Die Gefahr sieht die Politikerin vor allem darin, dass auch der Verbraucherschutz als Handelshemmnis gesehen werden könnte. Beispielsweise sei so die Gentechnikfreiheit in der EU nicht mehr durchzusetzen. Auch eine Kennzeichnung der gentechnisch veränderten Produkte sei gefährdet, denn diese könne ebenfalls als Handelshemmnis gesehen werden.

In der anschließenden Diskussion kamen auch von den Besuchern Fragen zum Thema. Ein Teilnehmer wollte wissen, wie reversibel solche Abkommen sind. Höhn meinte, dass es kaum einheitliche Regelungen gibt. Oft hätten Abkommen nach einer Kündigung noch bis zu 20 Jahre Laufzeit. Auf die Frage, ob die amerikanische Waffenlobby mit TTIP auch Waffenverkäufe in Europa durchsetzen könnte, gab die Abgeordnete an, sich noch mit dieser Frage beschäftigen zu müssen. Was sie als weiteren schwierigen Punkt sieht, ist der Umstand, dass gegen staatliche Subventionen oder Kulturförderung geklagt werden könnte, da diese einen Wettbewerbsvorteil darstellen könnten. Auch ein Problem sei eine mögliche Konzentration der Landwirtschaft, was gerade in Bayern negative Auswirkungen hätte. „Die Bauern werden die großen Verlierer sein“, sagte sie. Für einen Lacher sorgte sie mit der Aussage: „Wenn ich mir den bayerischen Ministerpräsidenten anschaue, müsste doch gerade er sich von Protesten aus der Bevölkerung leicht umstimmen lassen.“

Höhn empfahl den Anwesenden, bei den laufenden Unterschriftensammlungen gegen die Abkommen zu unterschreiben und sich an Demonstrationen zu beteiligen. Aufmerksam machte sie in diesem Zusammenhang auf die Demo am 10. Oktober. Proteste gegen TTIP seien übrigens keine rein deutsche Sache. „Mittlerweile gibt es in allen EU-Staaten Widerstand“, erklärte Höhn.

 
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