Im Jahr 2001 donnerte die Nachricht über Ebern herein: Die Bundeswehr zieht ab und der Standort wird geschlossen. Was über Jahrzehnte als Quelle von Arbeitsplätzen und Publikumsmagnet gedient hatte, sollte in Zukunft nicht mehr existieren. Für viele Eberner unvorstellbar. Dass sich aus der ab dem Jahr 2004 verwaisten Bundeswehrkaserne ein florierendes Gewerbegebiet entwickeln sollte, konnte sich damals noch niemand in seinen kühnsten Träumen ausmalen. Doch nun sind alle 44 Gebäude in der ehemaligen Balthasar-Neumann-Kaserne verkauft.
„Es gibt heute etwa 170 Beschäftigte im Areal der Kaserne“, erläuterte Jürgen Hennemann, SPD-Bürgermeister der Stadt Ebern, anlässlich des Besuchs von Sabine Dittmar, SPD-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Bad Kissingen. Auch ihr Parteikollege Florian Pronold – seit 2013 Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – hatte sich von der gelungenen Konversion in Ebern überzeugen wollen, musste seinen Besuch jedoch aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen.
Bei verschiedenen Behörden und Ministerien hatten die Verantwortlichen der Stadt Ebern Anfang des vergangenen Jahrzehnts angeklopft, um die Entscheidung über das Ende der Bundeswehr in Ebern doch noch wenden zu können. „Aber die Entscheidung war nicht revidierbar“, erinnert sich Jürgen Hennemann. Mithilfe einer Immobilienvermarktungsfirma des Bundes konnten bald nach dem Abzug der Soldaten das Offizierskasino und die Schießanlage an private Nutzer übergeben werden. Es standen Workshops auf dem Programm, um herauszufinden, welche Projekte in den Liegenschaften der Bundeswehr in Ebern weiterhin angesiedelt werden könnten.
„Für die Kaserne an sich hat man dabei aber keine richtige Verwendung erzielen können“, sagt Jürgen Hennemann. Die Stadt habe die Vermarktung dann selber in die Hand genommen. Im Jahr 2009 beschloss der Eberner Stadtrat, das Areal für 500 000 Euro zu erwerben und pro verkaufter Parzelle eine weitere Nachzahlung zu leisten. „Alle 44 Gebäude sind verkauft“, sagt Bürgermeister Hennemann mit Stolz. Einige Einrichtungen betreibt die Stadt heute selbst: Die Turnhalle, einen Sportplatz, die ehemalige Kantine als Veranstaltungshalle und den Exerzierplatz. „Der erste, an den die Stadt verkauft hat, war der Baustoffhandel Batzner“, sagt Hennemann. 40 Gewerbetreibende haben sich in der ehemaligen Bundeswehr niedergelassen und bieten um die 170 Arbeitsplätze: 65 im sozialen Bereich bei AWO, BRK oder Caritas. Seit kurzem befindet sich auch eine Kurzzeitpflege im neuen Gewerbegebiet. Die Gastronomie konnte 20 Arbeitsplätze schaffen und im Gewerbe sind es rund 80. „Das sind nur Schätzungen. Es gibt noch einige mehr, die hier oben der Arbeit nachgehen“, informiert Hennemann.
Vier Gebäude sind derzeit noch ohne Nutzung. Die Landesbaudirektion, die im Rahmen der Behördenverlagerung ihren Dienstsitz nach Ebern verlegt, habe die ihr angebotenen Gebäude in der ehemaligen Kaserne abgelehnt. „Sie haben sich jetzt im alten Rathaus einquartiert und suchen nach einem Grundstück in der Altstadt. Da laufen derzeit Verhandlungen mit Eigentümern“, erläuterte Jürgen Hennemann. Ideen gibt es viele, um die letzten Leerstände einer Nutzung zuzuführen, „aber man braucht immer einen Träger.“ Günstige Übernachtungen in Form einer Jugendherberge, fände Bürgermeister Jürgen Hennemann genial – oder neben dem schon bestehenden Bundeswehrmuseum in den verbleibenden Bunkern die jüngste Geschichte und den Kalten Krieg darzustellen.
Sabine Dittmar war schon mehrmals in der ehemaligen Balthasar-Neumann-Kaserne zu Gast. Nun lernte sie Mike Stumpf kennen, einen der Geschäftsführer der Vhw-Anwatec. Auf Kälte-, Klima und Lüftungstechnik spezialisiert, ist die Firma seit 20 Jahren in Ebern tätig. Im alten Schlüsselgebäude hat die Firma eine neue Heimat gefunden. „Mit fünf Mitarbeitern und Büro sind wir bundesweit tätig“, erklärt Mike Stumpf den Gästen. Ein Highlight auf dem Firmengelände ist die kanadische Holzhütte, in der die Politiker Platz nahmen und eine finanzielle Überraschung erlebten: In Kooperation mit der Raiffeisen-Volksbank Ebern überreichten Christan Senff und Mike Stumpf einen Scheck in Höhe von 2000 Euro an Bürgermeister Jürgen Hennemann. „Dieses Geld verwenden wir für unser Ferienprogramm, das wir mit verschiedenen Gemeinden zusammen anbieten, und für die Ausbildung in der Musikschule Ebern“, sagte Hennemann mit großem Dank.
Erstaunen erweckte bei den Besuchern Roland Huthansl mit seinem zuckersüßen Angebot. Im Jahr 2013 erwarb er ein dreistöckiges Gebäude im Bundeswehrgelände und quartierte seinen Onlinehandel zuckerpapier24.de dort ein. Bei ihm gibt es alles, was Tortenbäcker brauchen: Rollfondant, Esspapier, Lebensmittelfarbe, Ausstech- und Backformen, Lolly-Stiele und tausend Artikel mehr. „Wir können sogar ganze Torten bedrucken“, informiert Huthansl. Viel am Gebäude hat er nicht verändert. Die ehemalige Waffenkammer musste sich jedoch von den Fenstergittern verabschieden und erstrahlt nun in hellrosa und blauer Farbe als Verkaufsraum. An 45 000 Kunden in 78 Ländern gehen die süßen Teile aus Ebern. Als Erinnerung an ihren Besuch durfte Sabine Dittmar einen extra gefertigten Bilderrahmen aus Schokolade mit nach Hause nehmen. In der zweiten Etage seines Hauses bietet Huthansl Asylbewerbern und Flüchtlingen einen Wohnraum. „Bis zu 32 Leute. Bunt gemischt“, stellt er seine Mitbewohner vor. Es ist ein Unterbringungskonzept, das die Verantwortlichen zunächst abgelehnt hatten. „Aber gerade weil jemand anderes noch mit im Haus wohnt, geht es gut. Nur so kann Integration funktionieren“, sagte Jürgen Hennemann, der diese dezentrale Unterkunft sehr befürwortet. „Es sind tolle Räumlichkeiten. Es ist wohl eine der saubersten Unterkünfte hier.“
Ein gelungenes Beispiel nach dem anderen findet sich im Areal der ehemaligen Liegenschaft der Bundeswehr: „Als Stadt Ebern sind wir sehr zufrieden. Das hätte niemand zu Beginn gedacht. Es gibt hier viele innovative Ideen“, freut sich Jürgen Hennemann.