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HOFHEIM
Eine echt haarige Angelegenheit
Gerd Gräf verhilft Frauen und Männern zu neuer Mähne. Doch Haarausfall ist ein sensibles Thema, weiß der Hofheimer Friseurmeister. (Kunst-)Haarteile gibt es übrigens ab 200 Euro. Aber es geht auch teuerer.
Fingerspitzengefühl gefragt: Perücken sind ein sensibles Thema. Sie verlangen nicht nur fachliches Können, sondern auch Einfühlungsvermögen, weiß Friseur Gerd Gräf.
Foto: M. Mößlein | Fingerspitzengefühl gefragt: Perücken sind ein sensibles Thema. Sie verlangen nicht nur fachliches Können, sondern auch Einfühlungsvermögen, weiß Friseur Gerd Gräf.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 17.10.2014 20:14 Uhr

Wer unter Haarsausfall leidet, der geht damit nicht hausieren. Freilich, ab einem gewissen Maß lässt sich das lichter werdende Haar kaum noch verbergen. Es sei denn, der Betroffene greift zum Hilfsmittel: Sogenannte Volumenteile kaschieren lichte Stellen im Kopfhaar, Perücken helfen, wenn es mit „Flicken“ nicht mehr getan ist. Ein Tabuthema bleiben die Hilfsmittel trotzdem, weiß der Hofheimer Friseur Gerd Gräf, vor allem bei Frauen.

Gräf ist Spezialist für Zweithaar. Unter diesen Begriff fallen alle Formen von Haarersatz. Der Friseur hat eine extra Ausbildung absolviert und bildet sich mehrmals jährlich fort. So ist er der richtige lokale Ansprechpartner, um mit ihm zum „Tag des Zweithaars“, den der Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten (BVZ) für diesen Samstag, 18. Oktober, ausgerufen hat, über dieses sensible Thema zu sprechen. Gerade älteren Frauen, sagt Gräf, falle dies schwer.

Der Friseur hat Verständnis dafür, dass Betroffene ungern über Haarverlust reden. Das allgemeine Schönheitsideal gehe nun mal von vollem, glänzendem Haar aus. „Schöne Haare signalisieren Vitalität, Dynamik und Jugend“, schildert Gräf. Und dem eifern – bewusst oder unbewusst – die allermeisten Frauen nach. Für Männer gilt dies in etwas abgeschwächter Form übrigens genauso, nur gehen diese oft selbstbewusster mit Lichtungen auf dem Kopf um. Selbst Glatzen gelten bei Männern allgemein eher als chick, denn als ästhetischer Katastrophenfall. Ganz anders bei Frauen. Glatzköpfe sind beim weiblichen Geschlecht gesellschaftlich quasi inakzeptabel, stellt Friseur Gräf fest.

Die Gründe für Haarausfall sind vielfältig. Normalerweise sind mehrere Faktoren dafür verantwortlich, dass Frauen – und ebenso Männer – ihr Kopfhaar verlieren. Deshalb ist es immer ratsam, sich beim Arzt auf mögliche medizinische Gründe für den Haarausfall hin untersuchen zu lassen. Häufig sind hormonelle Störungen Auslöser für lichter werdendes Haar. So spielt bei Frauen der Abfall des Östrogenspiegels als Begleiterscheinung der Wechseljahre aus Sicht der Medizin eine Rolle als Ursache von Haarausfall.

Neben hormonellen Störungen können ein Mangel von Mineralstoffen oder Nebenwirkungen von Medikamenten zum Haarverlust beitragen. Daneben gibt es weitere Ursachen, beispielsweise eine Schwäche der Haarzwiebeln in der Kopfhaut, wo die Haare gebildet werden. Mit zunehmendem Alter des Menschen verliert die Haarzwiebel ihre Regenerationsfähigkeit. „Das Haar wird so automatisch dünner und im schlimmsten Fall eben auch lichter“, stellt Gerhard Lutz, Dermatologe und Fachmann für Haarprobleme, in einer Mitteilung des BVZ fest.

Da Haarzwiebeln, die aufgebraucht sind, kein Haarwachstum mehr zulassen, müssen fast alle Frauen und Männer mit zunehmendem Alter mit dünnerem Haar zurechtkommen. Da hilft auch keine Hormontherapie mehr, die jüngeren Menschen mit Haarausfall helfen kann. Es gibt aber auch Fälle, in denen Hormone das verschwundene Haar nicht zurückbringen, etwa nach Unfällen oder bei Krebspatienten nach Chemo-Therapien. In solchen Fällen bieten Perücke den Anschein von gesundem Haarwuchs.

Zweithaarspezialisten wie Gerd Gräf beraten dabei. „Wer so etwas anbietet, der muss sich 100-prozentig auskennen“, sagt Oliver Merkel aus Zeil, Obermeister der Friseur-Innung Haßberge. Das gilt nicht nur fürs Fachliche. „Einfühlungsvermögen sind ebenso wichtig“, meint Merkel. Er selbst hat im Jahr mit etwa fünf Kundinnen zu tun, die nach Krebsbehandlung Perücken brauchen. Er schickt sie weiter zu spezialisierten Kollegen wie Gerd Gräf oder Monika Gorr, die in Haßfurt einen Friseursalon hat. Neben Gräf und Gorr kennt Merkel keine weiteren Zweithaarspezialisten unter seinen Kollegen im Haßbergkreis. Er verweist darauf, dass es am Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt ebenfalls Spezialisten für Perücken gibt.

Bevor eine Perücke oder ein Haarteil, das die Lücken zwischen noch vorhandenem Haar schließt, angefertigt werden, wird der Kopf vermessen. Die Zweithaarspezialisten stellen fest, wie das vorhandene Haar fällt und welche Schattierung es hat. Das Zweithaar soll als Imitat in aller Regel haargenau die Rolle der verloren gegangenen Haare einnehmen. Ohne Maßanfertigung ist dies nicht zu erreichen, sagt Friseur Gräf.

Die Wünsche und Maße gibt er an einen Perückenhersteller weiter. Die Hersteller produzieren aus Kostengründen meist in Fernost. In Deutschland fertigt nur noch eine Firma herkömmliche Perücken, sagt Gräf. Mindestens acht Wochen dauert es, bis eine maßangefertigte Perücke zurückkommt. Das Kunststück besteht laut Gräf darin, einem Perücken-Rohling die Wunschfrisur des Kunden zu verpassen.

Die Perücken bestehen aus Kunsthaar, was billiger ist (Haarteile gibt es ab etwa 200 Euro), oder aus Naturhaar, welches die Kosten für eine Perücke durchaus auf über 2000 Euro steigen lassen kann. Je nachdem, ob eine Perücke Tag und Nacht getragen wird, oder nur zu bestimmten Anlässen, hält eine Perücke etwa ein Jahr, bevor sie an Qualität verliert und damit auch leichter als Perücke erkennbar ist.

Vielen fällt es nicht leicht, sich zu einer Perücke durchzuringen, weiß Gräf. Er würde auch niemals verraten, wer zu seinen Kunden zählt. Er kann, ganz allgemein, nur so viel feststellen: Männer, die im öffentlichen Leben stehen, neigen eher zur Perücke, als solche ohne öffentliche Posten. Offenbar eifern manche mehr dem Jugendideal nach als andere. Am leichtesten tun sich immer noch die, die mit Haarverlust selbstbewusst umgehen. „Wenn jemand schlechte Zähne hat, dann lässt er sich die ja auch machen“, sagt Gerd Gräf. Bei Haaren sollte das nicht anders sein.

 
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