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HOLZHAUSEN
Ein Tropfen Öl, Geduld und Liebe
Viele Jahrzehnte hat Josef von Gise Nähmaschinen wieder zum Laufen gebracht. Fasziniert ist der 78-Jährige, der mit seiner Frau Hilde in Holzhausen wohnt, von der Mechanik, die sich in den Maschinen verbirgt.
Foto: Alois Wohlfahrt | Viele Jahrzehnte hat Josef von Gise Nähmaschinen wieder zum Laufen gebracht. Fasziniert ist der 78-Jährige, der mit seiner Frau Hilde in Holzhausen wohnt, von der Mechanik, die sich in den Maschinen verbirgt.
Alois Wohlfahrt
Alois Wohlfahrt
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:55 Uhr

Sie schnurrt, noch ruhiger und gleichmäßiger wie die Katze, die es sich auf der Fensterbank im behaglichen Wohnzimmer bequem gemacht hat. Weit mehr als ein Jahrhundert hat die gusseiserne „Cimbria“ auf dem Buckel. Anzumerken ist ihr das nicht. Überhaupt, wäre nicht eine Spule mit Nähgarn auf der Maschine zu sehen, als eine Nähmaschine wäre sie so schnell nicht zu erkennen, denn mit ihren Kolleginnen der Gegenwart hat sie in Sachen Aussehen so gar nichts gemeinsam. Dennoch, sagt Josef von Gise schmunzelnd, während er beinahe andächtig eine Abdeckung öffnet: „Das Herz ist immer gleich geblieben“. Das Herz einer jeden Nähmaschine ist für ihn die Mechanik. Genau die hat es dem 78-Jährigen seit Jugend an angetan.

Erfahrung im Hofheimer Reparatur-Café einbringen

Und sie lässt ihn nicht los. Jahrzehnte führte er, zusammen, mit seine Frau Hilde, einen Nähmaschinenladen in Erlangen, vor rund zwei Jahrzehnten haben sie begonnen, sie sich ein Anwesen in Holzhausen herzurichten, seit 2011 wohnen sie im Königsberger Stadtteil. Auch wenn von Gise im Ruhestand ist, die Maschinen, die im Mittelpunkt seines Lebens standen, begleiten ihn weiter. Seine Erfahrung will er jetzt auch einbringen, wenn in wenigen Wochen die zweite Auflage des Reparatur-Cafés in Hofheim steigt.

Josef von Gises Liebe zu Nähmaschinen kommt nicht von ungefähr, sagt seine Frau Hilde und lacht. Er habe schon immer seine Freude an so kleinen mechanischen Sachen gehabt, „er hat schon immer gerne alles auseinandergelegt“. Und natürlich wieder zusammengebaut, dass es dann auch wieder funktionierte.

Gelernter Feinmechaniker

So hat er es gelernt, als Feinmechaniker. Bei der Firma Singer hatte er angefangen, berichtet von Gise. Angangs im Außendienst, dann konnten die Beiden einen Laden übernehmen. Was sich für ihn besonders ausgezahlt hatte in dieser Anfangszeit: es wurde von der Firma Singer großer Wert auf Fortbildungen gelegt, „sie galten als die besten Schulungen in der Branche“ und so war von Gise mitunter zwei mal im Jahr für acht bis zehn Tage auf Fortbildung. „Ich habe die Maschinen durch und durch kennengelernt“.

Ein Händchen für Feinmechanik

Es hatte sich so sehr schnell herumgesprochen, dass von Gise nicht nur ein Händchen für die Feinmechanik der Maschinen hat, sondern auch viele Geduld und schon damals die Einstellung hatte: „Zum Wegschmeißen viel zu schade“. Oft waren nur ganz kleine Teile kaputt gegangen, berichtet Hilde von Gise. Wenn es dann keine Ersatzteile mehr gab, setzte sich ihr Mann mit viel Geduld und Einfallsreichtum hin, „oft bis tief in die Nacht“ und tüftelte so lange, bis er ein Ersatzteil selbst gebastelt hatte, „um das Schätzchen wieder zum Laufen zu bringen“. Eine solche Arbeitszeit habe man nie in Rechnung stellen können, „aber einfach eine Maschine deswegen wegschmeißen, das hat uns immer geärgert. Das tut doch in der Seele weh“, sagt Hilde von Gise. Und sie fügt an: „Da hatten wir zwar nichts verdient, aber zumindest jemand glücklich gemacht“.

Eine Anschaffung fürs Leben

Fotoserie

Denn Nähmaschinen waren früher eine große Anschaffung, „eine fürs Leben“, blickt Hilde von Gise zurück. So war es denn auch nicht verwunderlich, dass an manchen Tagen ein halbes Dutzend Maschinen zur Reparatur abgegeben wurden. Verändert hat sich das in den vergangenen Jahrzehnten, zumal ab den 1970er Jahren auch bei Nähmaschinen das Computer-Zeitalter Einzug gehalten hat. Module, Platinen im Innenleben der Maschinen – „mit einer Reparatur ist da wenig zu machen. Es ist wie bei den Autos“, sagt Josef von Gise, für eine Werkstatt würde dies die Anschaffung teurer Testgeräte und Programme bedeuten. Das rechnete sich nicht.

Junge Menschen entdeckten das Nähen

Denn es gab und gibt ja immer noch Menschen, die gerne ihre betagten, aber gewohnten Maschinen weiter benutzen wollen, oder aber: Junge Menschen, die solche Maschinen entdeckt und lieb gewonnen haben. So hatte sich auch die Kundschaft entwickelt, berichtet Hilde von Gise. Anfangs waren es die älteren Menschen, sie waren zugleich die „Übermütter“, die Omas, die für ihre Töchter alles nähten. Kein Wunder also, dass in der nachfolgenden Generation das Nähen nicht groß zur Gewohnheit wurde. Das änderte sich dann bei der wiederum nächsten Generation. Viele Junge entdeckten das Nähen, so Hilde von Gise und „die nähten frei nach Schnauze“. Zu dieser Zeit kam da auch das Nähen von Patchwork-Sachen auf. Und sie erinnert sich, dass sie mancher jungen Kundin nicht nur zum Nähen Tipps gab, sondern schon auch mal das Stricken beibrachte. Selbst Handarbeitslehrerinnen holten sich da schon mal Rat.

Mit dem Nähen aufgewachsen

Hilde von Gise, sie stammt aus Obertheres, ihr Mann Josef von Gise aus Teplize (Tschechien), ist mit dem Nähen aufgewachsen. Neben anderen alten Kindernähmaschinen steht ihre erste kleine Nähmaschine, eine Adler, im Wohnzimmer und ist, wie die anderen Exponate auch, noch voll funktionsfähig. Alte Maschinen hatten die von Gises in ihrem Laden in Erlangen noch jede Menge ausgestellt. Nach dem Umzug nach Holzhausen haben sie sich auf ein paar besonders schöne Stücke, „an denen unser Herz hängt, wie etwa die „Cimbra“ beschränkt.

Das Einfädeln ist eine Kunst für sich

Eine Kunst für sich beim Nähen, sagen Beide übereinstimmend: Das Einfädeln. Das übernimmt inzwischen bei den modernen Maschinen eine Automatik. Früher kam es da oft genug vor, dass die Einfädelhilfe, die auch schon alte Maschinen hatten, ein Fall für Josef von Gise wurde. „Was wir früher gelacht haben, wenn wir erfahren haben, wie Leute einfädeln“. Dabei gab es natürlich für jede Maschine immer auch eine genaue Beschreibung mit.

Und in der stand dann zum Beispiel auch, welche Teile zu ölren waren und wie der größte Feind der Feinmechanik zu beseitigen ist, der Staub. „Früher war das Öl das Wichtigste, aber es musste das richtige Öl sein“, sagt Josef von Gise. Richtig heißt: kein Öl, das auch für Fahrräder zu verwenden war. Richtig für Nähmaschinen heißt: säure- und harzfrei muss es sein. Bei heutigen Maschinen rät er zur Vorsicht beim Ölen, denn „die Leute wollen immer alles ölen und machen dann mehr kaputt“.

Das nächste Reparatur-Café

Solche und weitere Tipps geben, aber natürlich auch versuchen, das gute alte Stück wieder zum Laufen zu bringen, das will Josef von Gise, wenn er zum ersten Mal beim Reparatur-Café in Hofheim dabei ist. Denn was für ihn zuvorderst steht: viele schöne Maschinen sind zum Wegwerfen viel zu schade. Und oftmals bedarf es nur einer Kleinigkeit und sie schnurren wieder, wie eine Katze.

Das zweite Hofheimer Reparaturcafé findet am Samstag, 21. April, von 10 bis 13 Uhr statt. Wie Theophil Giebfried vom Organisationsteam berichtet, können Alltagsgegenstände (Elektrogeräte, Spielsachen und Ähnliches) aus dem Haushalt zur Reparatur ins Nebengebäude des Interkommunalen Bürgerzentrums in Hofheim gebracht werden. Ersatzteile müssen bezahlt werden, Arbeitsleistung nach eigenem Ermessen geht als Spende an die Bücherei Hofheim.

Bewahrt: Eine „Adler“ war die erste Nähmaschine von Hilde von Gise.
Foto: Alois Wohlfahrt | Bewahrt: Eine „Adler“ war die erste Nähmaschine von Hilde von Gise.
Alt, klein, aber noch voll funktionsfähig: eine Nähmaschine aus der Zeit um 1900.
Foto: Alois Wohlfahrt | Alt, klein, aber noch voll funktionsfähig: eine Nähmaschine aus der Zeit um 1900.
 
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