
Auf sehr großes Interesse stieß der Vortragsabend der Präventionsstelle des Landratsamtes Haßberge zum Thema „Selbstverletzendes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen“ im Haßfurter Pfarrsaal. Lehrer, Pädagogen, Erzieher, Sozialarbeiter sowie Vertreter von Vereinen und der Polizei zeigten sich angetan von dem Referat der Sozialpädagogin Sonja Liebig.
Wenn Eltern, Freunde, Lehrer oder sonstige Bezugspersonen mitbekommen, dass Kinder und Jugendliche sich selbst verletzen, sind sie zunächst meist sehr geschockt und verunsichert. Es könne nur schwer nachvollzogen werden, warum sich jemand schneidet oder auf sonstigem Weg Schmerzen zufügt. Wie ein unterstützendes Gespräch aussehen kann, wann es professionelle Hilfe braucht und wo man sie findet, waren nur einige der Fragen, mit denen sich die Referentin ausführlich auseinandersetzte.
„Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare“ – mit einem Zitat von Christian Morgenstern stieg die Referentin in eine Thematik ein, die keine leichte Kost darstellt. „Wenn ich mich ritze und das warme Blut über meinen Arm fließt, dann weiß ich, dass ich noch lebe.“ Der von Liebig vorgetragene Buchauszug aus „Mein Leben als Ritzerin“ von Angela S. verdeutlichte den Ernst der Sache, der man als Erwachsener oftmals machtlos gegenübersteht.
Kritische Lebensereignisse wie schulische Überforderung, Probleme mit den Eltern, Trennung von Freund oder Freundin sowie der Tod einer nahestehenden Person sind Herausforderungen in jungen Jahren, die der Auslöser für eine Selbstverletzung sein können. Der Beginn der Selbstverletzung fällt oftmals auch mit dem Beginn der Pubertät zusammen. Von der Selbstverletzung, bei der man zwischen direkter und indirekter Form unterscheidet, sind mehr Mädchen als Jungen betroffen, wie Sonja Liebig erklärte.
Zur direkten Form zählen etwa Ritzen, Schneiden, Ausreißen von Haaren, Kopfschlagen oder Verbrennen und Verbrühen und zur indirekten Form Nahrungsverweigerung sowie Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Eine gestörte Bindungserfahrung, die Trennung von Bezugspersonen in der Kindheit oder familiäre Gewalt können zu einer Selbstverletzung führen. Dies sei dadurch bedingt, dass man laut Expertin, deren Arbeitsschwerpunkt in suizidalen Krisen liegt, von klein auf nicht gelernt habe, starke Emotionen zu ertragen. Aber auch in Familien, die nach außen hin intakt wirken und die finanziell gut aufgestellt sind, sei laut Referentin ein selbstverletzendes Verhalten zu erkennen. Die Jugendlichen bauen ihren Druck oftmals durch das Ritzen ab, das sie als Selbstbestrafung sehen.
Ein gestörter Schlaf, Rückzugstendenzen oder nicht erklärbare Schnittwunden und Narben können erste Warnzeichen für eine Selbstverletzung sein. Eltern müssen aber auch hellhörig werden, wenn Heranwachsende sagen, dass sie sich wert- und hoffnungslos fühlen. Hilfe kann eine therapeutische Begleitung sowohl für den betroffenen Jugendlichen als auch für die Eltern sein. Den „Hilfeschrei erkennen“ und „das Verhalten akzeptieren“ gab die Referentin als wertvolle Tipps für den Umgang mit Jugendlichen, die zu einer Selbstverletzung neigen. Man müsse die Jugendlichen ernstnehmen, ohne bewertend oder kritisierend zu reagieren.
Aber auch schnellgreifende Maßnahmen als Selbsthilfe für betroffene Jugendliche hatte Sonja Liebig parat, wie etwa Eiswürfel in der Hand halten, auf ein Kissen oder das Bett einschlagen oder das Erlernen von Entspannungstechniken. Den individuellen Fahrplan müsse jedoch jeder Betroffene selbst im Laufe einer Therapie für sich erkennen und lernen.
Im Anschluss bedankte sich Eva Pfeil von der Präventionsstelle des Landratsamtes Haßberge bei Sonja Liebig, die zwar stellvertretende Leiterin im Krisendienst Würzburg ist, den Vortrag aber freiberuflich hielt, da der Krisendienst nur für Landkreis und Stadt Würzburg, Kitzingen und Main-Spessart zuständig ist, für das aufschlussreiche Referat.