zurück
Ein Spiegel regionaler Geschichte
Tag des offenen Denkmals: Sie lieben Historie und wollen sie für nachfolgende Generationen erlebbar machen. Kulturliebhaber sensibilisieren Besucher für die Denkmalpflege.
Einblicke: Hermann Dommach führt Besucher durch sein Haus in Birkenfeld. Er und seine Frau Antje-Karin habe es liebevoll eingerichtet.
Foto: Fotos Carolin Münzel | Einblicke: Hermann Dommach führt Besucher durch sein Haus in Birkenfeld. Er und seine Frau Antje-Karin habe es liebevoll eingerichtet.
Von unserem Redaktionsmitglied Carolin Münzel
 |  aktualisiert: 26.04.2023 18:43 Uhr

Wir haben noch keine Sekunde bereut, dass wir von der Großstadt Frankfurt in ein 115-Seelen-Dorf gezogen sind“, sagt Antje-Karin Dommach zu einer Besucherin, während sie ihr graues, kurzes Haar mit einer flüchtigen Bewegung hinter das Ohr streicht. Das Kellergewölbe der alten Schule in Birkenfeld (Gemeinde Maroldsweisach) ist angenehm kühl und bietet Zuflucht vor den Außentemperaturen, die an diesem Sonntag im September weit über die 20 Grad-Marke geklettert sind. Unter den steinernen Deckenbögen sind Tische aufgestellt, auf denen sich filigran gefertigte Schmuckstücke neben gedrechselten Holzfiguren, kleine Porzellandöschen neben alten Tassen und allerlei andere Schätze finden. Dommach zeigt mit einer einladenden Handbewegung auf ihren Flohmarkt: „Schauen Sie sich ruhig um.“ Derweil führt ihr Mann oben Besucher durch das Haus, welches das Ehepaar vor zwölf Jahren erworben hatte und heuer zum ersten Mal am bundesweit stattfindenden Tag des offenen Denkmals öffnete. Früher diente das liebevoll restaurierte und geschmackvoll eingerichtete Gebäude zunächst als Schule, später als Gendarmerie (wir berichteten).

Fotoserie

Steinhaufen als Abbild der Geschichte

 

Während in Birkenfeld Besucherhände tastend über Holzbalken streichen, gleiten in Altenstein zahlreiche Finger über die rauen Sandsteinblöcke der dortigen Burgruine. Rund 650 Besucher streiften zwischen den Mauerresten umher. „Das ist etwas weniger, als letztes Jahr, aber wir sind trotzdem zufrieden“, sagt Rainer Kolb, zweiter Vorsitzender des Burg- und Heimatvereins Altenstein. Vorsitzender Nicolaus Kapp erklärt, dass der seit 1993 stattfindende Tag des offenen Denkmals dem Zweck diene, das Publikum auf wichtiges Kulturgut aufmerksam zu machen und für das Thema Denkmalschutz zu sensibilisieren. „Man kann der Meinung sein, dass es sich bei der Burg nur um einen Steinhaufen handelt. Aber dieser Steinhaufen ist ein Abbild der regionalen Geschichte“, sagt Kapp und verweist darauf, dass dem Geschlecht der Adelsfamilie Stein vom Altenstein immerhin der erste preußische Kulturminister, Karl vom Stein zum Altenstein, entstammte.

Die Burg, so Kapp, sei zum einen essenzieller Bestandteil der Ortsgeschichte und somit von Bedeutung für Altenstein. Zum anderen sollten durch die Ruine Touristen in die kleine Gemeinde gelockt werden. Aus diesem Grund hat der Verein gemeinsam mit dem Zweckverband Deutscher Burgenwinkel das alte Schulgebäude restauriert und zum Informationszentrum ausgebaut sowie das Burggelände in eine Art Freilichtmuseum verwandelt. Der Eintritt kostet normalerweise vier Euro für Erwachsene und 1,50 Euro für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre. Am Sonntag allerdings konnten die Besucher kostenlos die ausgestellten Waffen anschauen, sich einmal an den Pranger stellen oder auf einem riesigen Holzbrett Mühle spielen. Im Burggraben zeigten ortsansässige Handwerker, wie einst Steine behauen, oder Wolle verarbeitet wurde. Die Kinder vergnügten sich im Burggraben beim Schminken oder einem Ritt auf Eseldame Agathe. Für das leibliche Wohl sorgten neben dem Burg- und Heimatverein auch örtliche Gastronomen.

Jünger an Jahren, aber nicht weniger von Bedeutung als die Burg Altenstein sind das Rathaus und die Innenstadt in Zeil, durch die Heimatforscher Ludwig Leisentritt und Beate Reinhardt vom Tourismusbüro Besucher führten. Sie erinnerten dabei an manch schaurige Begebenheiten, wie die Mäuseplage, die in den 1950er und 1960er Jahren das Rathaus heimgesucht hatte. Der Bürgermeister, so Leisentritt, habe kein Geld für die Sanierung ausgeben wollen und stattdessen Gift gegen die Nager spritzen lassen. Der fürchterliche Geruch der Verwesung sei dann mit Desinfektionsmittel übertüncht worden.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses öffnete Winzer Roger Nüßlein die Türen seiner Vinothek. Vor sieben Jahren hat er das Haus, das neben seinem Elternhaus am Marktplatz liegt, gekauft und rund vier Jahre lang restauriert. Heute schwärmt er von dem unvergleichlichen Flair des alten Gebäudes: „Die historische Substanz wieder herzustellen, war für uns wie das Heben eines Schatzes.“ Seine Familie und er leben in dem Haus und würden die Atmosphäre genießen, ohne dabei auf die Wohnqualität eines Neubaus verzichten zu müssen: „Das lässt sich sehr gut vereinen.“

Auf dem ehemaligen jüdischen Bezirksfriedhof in Kleinsteinach fanden sich in diesem Jahr rund 100 Besucher aller Generationen ein, um Näheres über die jüdische Bestattungstraditionen zu erfahren. Während der Historiker Thomas Schindler über Zahlen und Daten referierte, ging Rabbiner Israel Schwierz aus Würzburg näher auf die Bestattungsriten ein.

ONLINE-TIPP

Weitere Bilder von den geöffneten Denkmälern finden Sie bei uns im Internet unter www.bote-vom-hassgau.de

Traditionen: Der Burg- und Heimatverein kümmert sich um die Burgruine in der Gemeinde Altenstein.
| Traditionen: Der Burg- und Heimatverein kümmert sich um die Burgruine in der Gemeinde Altenstein.
Naturstoff: „Holz“ war das Thema des Tages des offenen Denkmals. Roger Nüßlein führte durch das Fachwerkhaus in Zeil.
| Naturstoff: „Holz“ war das Thema des Tages des offenen Denkmals. Roger Nüßlein führte durch das Fachwerkhaus in Zeil.
Große Resonanz: Die Führung im ehemaligen jüdischen Bezirksfriedhof in Kleinsteinach.
Foto: Ulrich Kind | Große Resonanz: Die Führung im ehemaligen jüdischen Bezirksfriedhof in Kleinsteinach.
Interessierte Blicke: In Zeil fanden Führungen durch das Rathaus und die Innenstadt statt.
| Interessierte Blicke: In Zeil fanden Führungen durch das Rathaus und die Innenstadt statt.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bestattungsriten
Burg Altenstein
Denkmalpflege
Denkmäler
Rabbiner
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top