
Hakenkreuze und judenfeindliche Schmierereien an Wänden, offene Beleidigungen, Hass und Hetze gibt es auch in Bamberg. Diese Tatsache beklagte Patrick Nitzsche, Antisemitismusbeauftragter der Stadt Bamberg. So seien Aufklärung und Sensibilisierung für die heutigen Erscheinungsformen von Antisemitismus sowie die Möglichkeiten, wie diesen begegnet werden könne, die größten Schwerpunkte seiner Arbeit, erklärte Nitzsche.
"Die Menschen sind zu schlimmen Dingen in der Lage, es kann wieder geschehen", ergänzte der Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn (CSU). Er verwies auf eine Umfrage aus den Corona-Jahren, nach der 33 Prozent der Deutschen an Verschwörungstheorien glauben. "Wir waren schon einmal weiter im deutsch-jüdischen Dialog, und es gibt die Debatte, dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus uns nicht betrifft", sagte Silberhorn. Das Zusammenleben in der Gesellschaft, in der internationalen Staatengemeinschaft könne nur gelingen, wenn Verständnis füreinander und Respekt aufgebracht werden.
Die beiden Redner fanden aufmerksame Zuhörerinnen im Hof des Maria-Ward-Gymnasiums, in dem dieser ungewöhnliche Projekttag begann. Und zwar bewusst angesetzt am 8. Mai, dem "Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus", wie das Kriegsende 1945 auch bezeichnet wird. "Wir wollen zum Denken anregen und zum Handeln auffordern", startete Oberstudiendirektor Stephan Reheuser diesen besonderen Unterricht für drei neunte Klassen mit zusammen 65 Schülerinnen. "Demokratieerziehung" nannte Reheuser als Ausgangspunkt, die Lehrkräfte der Fächer Sozialkunde, Religion, Musik an diesem Tag mit leisteten.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Hauptakteure waren jedoch Gäste aus dem Judentum, die die Workshops maßgeblich gestalteten. Und aufzeigten, dass Judenhass, Rassismus, Antiziganismus, Behindertenfeindlichkeit und alle anderen Arten von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit keine Chance haben, wenn alle zusammenhalten. Mosaiksteine vor allem gegen Antisemitismus setzten Terry Swartzberg, der insbesondere für seine Stolperstein-Kampagne in seiner Wahlheimat München sowie seinen Selbstversuch zum öffentlichen Tragen seiner Kippa bekannt geworden ist; außerdem Tim Kurochin als Vertreter des Projektes "Meet a Jew" (deutsch: Triff einen Juden), das der Zentralrat der Juden in Deutschland ins Leben gerufen hat, und Danny Donner, Leiter des Konservatoriums an der Tel Aviv School of Arts.
Dass dieser Schulprojekttag überhaupt in dieser Gestalt stattfinden konnte, ist der Musikerfamilie Spindler zu verdanken, deren "Capella Antiqua Bambergensis" im Kulturschloss Wernsdorf im Landkreis Bamberg ihr Domizil hat. Thomas Spindler leitet das dort angesiedelte "Projekt 2025 – Arche Musica" und wird von seinem Bruder Andreas dabei unterstützt. Das Projekt hat sich zur Aufgabe gemacht, die jüdisch-deutsche Musik von 1890 bis 1945 in einer digitalen Bibliothek zu sammeln und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Schirmherr ist Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus. Kooperationspartner sind eben Danny Donner und Gila Flam, Direktorin des Musikarchivs der Israelischen Nationalbibliothek in Tel Aviv.
Hitsorisches "Jüdisch-deutsches Liederbuch"
Musiklehrkräfte des Maria-Ward-Gymnasiums und auch der zugehörigen Realschule waren darauf aufmerksam geworden. Nicht zuletzt durch die Neuausgabe des historischen "Jüdisch-deutschen Liederbuchs von 1912" des Autors Abraham Idelsohn, die aus dem Projekt "Arche Musica" erwuchs. Der Deutsche Chorverband mit einer Million singenden und fördernden Mitgliedern in 15.000 Chören hat sich bereits diesem Liederbuch mit 149 Musikstücken angenommen.

Danny Donner vermittelte gemeinsam mit der externen Musikpädagogin Anke Spindler den begeisterten Mädchen Hörproben aus dem Buch. Vor allem das zentrale Lied "Alef-bet" hatte es den Schülerinnen angetan. Darin wird die Situation beschrieben, wie ein Rabbiner Kindern klarmacht, wie wichtig es ist, lesen und schreiben zu lernen. Übertragen auf den Schulprojekttag meinte dessen Organisator Thomas Spindler: "Dieser Tag ist ein Teil des Lebens, das kaum jemand in Deutschland kennt, nämlich jüdisches Leben. Heute kann es genauer kennen gelernt werden."
